2024-05-10T08:19:16.237Z

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Nachgetreten - unser großes Interview: Heute mit Matthias Lehmann (FSV Fernwald II)
Nachgetreten - unser großes Interview: Heute mit Matthias Lehmann (FSV Fernwald II)

"Wir können uns eigentlich nur selbst schlagen"

NACHGETRETEN: +++ Fernwald-Reservecoach Matthias Lehmann hat mit seiner jungen Truppe ein klares Saisonziel +++ Dominantes Spiel soll beibehalten werden +++ Journalistische Tätigkeit vorerst beendet +++

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151 Tore hat der FSV Fernwald II letztes Jahr in der Kreisliga B2 Gießen geschossen - das sind fast fünf pro Spiel! Wenn man sich dann den jungen Kader der Hessenliga-Reserve ansieht, lässt das für die Konkurrenz 19/20 Böses erahnen. Und Vorsicht: Die Rohdiamanten des FSV haben den Wunsch, durchzustarten. Wir haben uns mit Trainer Matthias Lehmann innerhalb unserer lockeren Interviewrubrik "Nachgetreten" über die Stärken des Teams, seine Trainerkarriere und ja, auch die Gießen 46ers unterhalten.

Hallo Matthias,
in der Rückrunde hat das von dir trainierte Team der FSV Fernwald II nur ein Spiel verloren – zu dem ihr nicht angetreten wart. Was ist nun mit Blick auf die nächste Saison von euch zu erwarten?

Die letzte Rückrunde lief einfach gut – das abgesagte Spiel mal außen vor. Dadurch, dass wir durch die vielen Abgänge in der zweiten Mannschaft zu wenige Spieler waren, haben wir viel Hilfe von unserer A-Jugend vom JFV Mittelhessen bekommen. Dadurch haben wir aus der Not einen guten Weg eingeschlagen. Der so schon junge Stamm in der zweiten Mannschaft wurde von talentierten A-Jugendlichen ergänzt. Vier davon haben wir jetzt davon überzeugen können, nicht in die Kreisoberliga zu gehen, sondern zu unserer jungen Truppe in die B-Klasse zu stoßen und etwas zu entwickeln. Wären wir in der Rückrunde nicht in dieser Not gewesen, hätten die Jungs uns als Mannschaft nicht kennengelernt und hätten nicht mal im Ansatz überlegt, in die B-Klasse zu gehen. Sie passen menschlich gut in die junge Gruppe rein, aber tun uns auch sportlich unheimlich gut mit ihrer Unbekümmertheit, ihrem Tempo und dem Spielwitz. Wir haben bei uns ein Projekt gestartet, dass wir die B-Liga hinter uns lassen wollen und wenigstens ein bisschen zur Ersten aufschließen wollen, mit vielen Rohdiamanten im Gepäck, die alle Bock haben, die nächsten Jahre zu zeigen, was sie können. Auch mit der Idee verbunden, ein Signal zu senden, auch in Zukunft ein Perspektivteam für junge Spieler aus Fernwald und dem ganzen Raum Gießen sein zu können, die auf einen sportlichen Sprung nach oben hoffen. Daher wollen wir ganz klar aufsteigen, um jungen Spielern einfach eine Plattform zu bieten, die ersten Schritte auf guten Niveau mit viel Spielzeit bei uns zu machen.

Wo machst du die Stärken deines Teams fest? Okay, eine Tordifferenz von + 107 gibt schon mal einen Hinweis…

Mittlerweile haben es die Jungs toll verstanden, offensiven, dominanten, spritzigen Fußball zu spielen, der natürlich in Torgefahr mündet. Sie sollen den Ball haben, den so können sie sich fußballerisch entwickeln. Dazu haben wir das Glück, dass ein junger Mann aus Kanada seiner Freundin nach Deutschland gefolgt ist, die in Gießen studiert. Cameron Stokes ist ein Glücksfall für uns. Er hat für in der Rückserie in elf Spielen 32 Tore geschossen, das ist natürlich sensationell. Er hebt das Niveau von allen, weil er ein tolles Auftreten in der Mannschaft hat und keine „Starallüren“ zeigt. Dazu zeichnet uns wie gesagt die Jugend aus. Bei einem Testspiel gegen den Büdinger A-Ligisten Ulpha/Langd, das wir 6:0 gewonnen haben, war in der zweiten Halbzeit unser zweitältester Spieler Jahrgang 1998. Wenn wir im Training jung gegen alt spielen würden, müsste der Jahrgang 1998 bei alt spielen. Das Team ist sehr wissbegierig, lernbereit, und sie haben richtig Bock auf anspruchsvolles Training. Wir sind also keine Klischee-B-Liga-Truppe. Das wollen wir dieses Jahr beweisen.

Wie bist du überhaupt konkret zu diesem Traineramt gekommen, nachdem du doch mehrere Jahre im Leistungsfußball unterwegs warst? Das müssen doch zwei Welten sein.

Nach einer beruflichen Veränderung hatte ich nicht mehr genügend Zeit, um meiner Arbeit beim Hessischen Fußballverband nachzukommen, wo ich Co-Trainer der U15-Hessenauswahl und Trainer der U12 bis U15-Regionalauswahl war. Als Karl-Heinz Stete in Fernwald Coach der ersten Mannschaft wurde, entwickelte sich aus dem ohnehin losen Kontakt, den wir seit unserer gemeinsamen Zeit bei der TSG Wieseck und beim HFV haben, eine interessante Gesprächsbasis, ob ich mir die Trainertätigkeit für die Zweite vorstellen konnte. Ich würde lügen, wenn ich sagen würde, dass das Thema B-Klasse nicht erstmal ein wenig „abgeschreckt“ hat. Ich habe mir die Mannschaft aber angesehen und dabei bemerkt, dass man hier wirklich etwas bewegen und aufbauen kann. Die Idee, die zweite Mannschaft als Sprungbrett für die eigene Jugend in den Herrenfußball zu sehen und mit einer sehr jungen Mannschaft zu arbeiten, hat mich schnell gepackt. Denn hier kann etwas entstehen, wenn man die gute Basis nutzt und den sehr jungen Männern Raum zur Entwicklung lässt – menschlich und sportlich.

Empfindest du Aufstiegsdruck? Oder ist das für ein B-Liga-Projekt übertrieben formuliert?

Bei den Regionalauswahlen lag der Fokus mehr darauf, Talente auf einen möglichen Profiweg vorzubereiten und diese gezielt zu fördern. Die konkreten Ergebnisse als Mannschaft waren da sekundär. Jetzt als Vereinscoach ist das anders gelagert, es geht darum, ein Team zu formen und Siege einzufahren. Ich spüre nicht, dass wir zwingend aufsteigen müssten, eher den Wunsch. Und da deckt sich der des Vorstands mit unseren eigenen Ansprüchen. Wir wollen hoch! Jeder einzelne will raus aus der B-Klasse und geht das Ziel mit sehr viel Elan an. Weil wir als komplette Truppe der Überzeugung sind, auch eine Liga höher eine gute Rolle spielen zu können. Der Vorstand unterstützt uns da im Hintergrund auf verschiedenster Weise unglaublich gut. Also machen wir uns eher selbst Druck.

Wen siehst du als Konkurrenz im Aufstiegsrennen?

Wir können uns eigentlich nur selbst schlagen. Das haben die Ergebnisse der Rückrunde ja schon gezeigt. Wenn wir unsere PS auf die Straße bringen, sind wir nur sehr schwer zu stoppen, wie man am Aufeinandertreffen der ungeschlagenen Teams am letzten Speiltag gegen Obbornhofen II gesehen hat, das wir nach frühem Rückstand 8:3 gewonnen haben. Klar, Wettenberg oder Klein- wie Großen-Linden und Obbornhofen könnten ebenfalls eine gute Rollen spielen. Wir dürfen auch im Wissen um unsere Klasse einfach nicht nachlassen und vor allem nicht hochnäsig werden. Dies wird neben dem Sportlichen eine weitere große Herausforderung. Denn jugendlicher Leichtsinn kann Positives wie Negatives auf dem Platz hervorbringen. Und wenn wir nicht alles reinhauen, was wir haben, werden wir unser Ziel verfehlen.

Nicht nur im Fußball- auch im Basketballbereich stolpert man ja über deinen Namen. Denn du hast jahrelang für den Gießener Anzeiger die 46ers-Berichterstattung gemacht. Bis zum Frühsommer. Warum jetzt der Cut?

Ich habe in meinem Leben viele Sachen gemacht, vieles davon parallel. Studium, Fußball, Basketball-Berichte, Fußball-Berichte… durch den neuen Job jetzt waren einfach zu viele Baustellen offen, ich musste irgendwie Kapazitäten freischaufeln. Und halbherzig wollte ich die 46ers nicht betreuen. Dann habe ich lieber einen Umbruch eingeleitet, quasi die Tastatur weitergereicht (lacht).

Viele Transfers sind in der BBL durch, wo landen denn die 46ers?

Ein wenig Zeit braucht es schon noch, bis alles komplett ist, eine Prognose Mitte Juli ist schwer. Eine Hausnummer war aber sicherlich, dass John Bryant eine weitere Saison in Gießen bleibt, das ist ja fast schon eine Garantie dafür, mindestens ab und an zu gewinnen. Die neuen Spieler klingen interessant, ich bin aber vor allem darauf gespannt und hoffe es vor allem, dass die beiden lokalen Talente Bjarne Kraushaar und Alen Pjanic viel Raum und Spielzeit bekommen, um sich weiterzuentwickeln – auch wenn sie mal Fehler machen. Ziel sollte und wird wahrscheinlich auch wieder sein, den Klassenerhalt zu feiern. Eine Sensationssaison wie Vechta oder überhaupt Playoffs… also da müssten sie schon kontinuierlich überperformen. Auch von den finanziellen Voraussetzungen ist das kaum denkbar. Und die kommenden Jahre stehen und fallen meiner Meinung nachmit der Hallenplanung. Passiert da nichts, wird es in Zukunft immer schwerer.

Was würdest du denn in der Kabine an Musik laufen lassen – und hast du überhaupt Einfluss darauf?

Eigentlich fühle ich mich mit 32 Jahren ja recht jung. Ich glaube in den meisten Herrenmannschaften wäre ich auch mit dem Alter mitten drin. Aber in unserer Kabine merke ich, dass ich doch nicht mehr so jung bin (lacht). Ich bin froh, dass der eine oder andere ältere Spieler auch mal einen motivierenden Klassiker von AC/DC auflegt, und nicht nur, ich sage mal „Moderner Deutsch-Rap“ läuft. Unser Basti Kurtz lässt ansonsten auch gerne mal Malle-Hits durch die Kabine schmettern, bei denen dann natürlich auch mitgegrölt wird. Wenn es wirklich nur nach mir ginge, würde ich mir manchmal antreibendere Hits der 90er und 2000er wünschen, dann auch mal HipHop, ich denke da an die Absoluten Beginner oder Ähnliches. Aber auch gerne mal mit Queen in der Zeit noch weiter zurück – also im Endeffekt querbeet. Aber eigentlich habe ich da gar nix zu melden und das ist auch gut so (lacht).

Zum Schluss darfst du traditionell noch jemanden grüßen!

Also erstens möchte ich meinen Vater Wolfgang grüßen, der mich 2003 zum Journalismus gebracht hat, Praktika ermöglicht hat und auch sonst immer sein Bestes gegeben hat, um mir Türen beim Anzeiger und im Journalismus zu öffnen und Interessensfelder zu erweitern. Ich habe ihm unheimlich viel zu verdanken – aber insbesondere die Zeit beim Anzeiger! Dann gehen noch Grüße an Jörg Plomitzer, der mich nach einer vielen Verletzungen gefolgt vom eigenen schlechten Fußball in Großen-Buseck dazu ermuntert hat, es doch als Trainer zu versuchen – denn irgendwie habe ich schon früh gesehen, wie es besser funktionieren kann, war aber einfach zu untalentiert, es auf dem Platz besser zu machen. Ich habe dann zunächst mit ihm die E-Jugend betreut und konnte viel mitnehmen. Ohne ihn wäre ich jetzt wahrscheinlich kein Coach und mir würde etwas fehlen. Um das Thema Zeitung und Fußball zu komplettieren grüße ich als letztes den Ex-46ers Coach Denis Wucherer, mit dem ich viele interessante Gespräche führen durfte, auch weit über Basketball hinaus, selbst auf dem Golfplatz (lacht). Das waren gute und interessante Gespräche, aus denen ich viel mitnehmen konnte. In private Richtung darf hier aber auch meine Lebensgefährtin nicht fehlen, die ich beim Anzeiger kennengelernt habe und die das mit dem Fußball erträgt.

Aufrufe: 019.7.2019, 17:25 Uhr
Dennis BellofAutor