2024-05-10T08:19:16.237Z

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Von Hessenliga bis Junioren-Bundesliga ist Rühl auf dem Platz.	Foto: Rühl
Von Hessenliga bis Junioren-Bundesliga ist Rühl auf dem Platz. Foto: Rühl

Ein Leben für die Pfeife

+++ Marcel Rühl ist Schiedsrichter mit Leib und Seele und blickt auf Einsätze in Regional- und Junioren-Bundesliga zurück +++

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Wettenberg. Die Bundesliga – das ist wohl das Traumziel vieler Fußballer, aber auch vieler Schiedsrichter. Und auf gewisse Weise hat sich Marcel Rühl diesen Traum schon erfüllt – zumindest im Kleinen. Denn der 24-Jährige, der für die FSG Wettenberg pfeift, geht demnächst in seine bereits dritte Saison als Unparteiischer in der Junioren-Bundesliga.

Begonnen hat Rühl mit dem „Dienst an der Pfeife“ schon vor zehn Jahren. Damals war er noch bei der SG Hohenahr aktiv, wo er über seinen Jugendtrainer, der selbst die Ausbildung ablegte, zur Schiedsrichterei kam. „Zunächst hatte ich eigentlich keine großen Ambitionen. Ich wollte erst einmal schauen, wie es mir gefällt. Aber ich habe ziemlich schnell gemerkt, dass mir das Pfeifen mehr Spaß macht, als selbst zu spielen“, erinnert sich Rühl an seine Anfänge zurück. Also forcierte der heute 24-Jährige seine Schiedsrichterkarriere und stieg sowohl in der Hierarchie als auch in den Ligen schnell auf. Aber nicht nur „an der Pfeife“ wollte er tätig sein. Das Ehrenamt ging darüber hinaus und führte dazu, dass Rühl nun schon seit 2016 auch der Kreisschiedsrichter-Obmann des Kreises Wetzlar ist. Verantwortung übernehmen – außerhalb, aber auch auf dem Platz. Das ist sein Ding.

Nachdem Rühl zu Beginn seiner Schiedsrichter-Karriere naturgemäß zunächst E- und D-Jugend, später C-und B-Jugend pfiff, kamen schnell B-, A- und Kreisoberliga hinzu. Als Teil des Förderkaders ging es schon 2016 in die Gruppenliga, nur ein Jahr später sogar bis in die Verbandsliga. An der Linie war er zu dieser Zeit auch in der Hessenliga unterwegs. In den letzten Jahren kamen zudem Einsätze als Schiedsrichter-Assistent in der Regionalliga hinzu. Und natürlich die Einsätze als Referee in den Junioren-Bundesligen, in denen Rühl seit 2018 seinen Mann steht. Was zeitlich einen deutlich höheren Aufwand bedeutet, als Spiele in heimischen Gefilden zu leiten. „Das musst du definitiv wollen. Bei Bundesligaspielen reise ich beispielsweise meist einen Tag vorher an. Da werden die Wochenenden kurz, vor allem wenn vielleicht noch ein zweites Spiel ansteht. Aber ich habe mir das ausgesucht und möchte das ja auch so“, betont der 24-Jährige.

Dieser nahm erst kürzlich wieder an einem DFB-Lehrgang in der Sportschule in Kaiserau teil, bei dem die Schiedsrichter sowohl auf ihre Fitness getestet, aber auch hinsichtlich der Regelkunde geschult und geprüft wurden. Auch Regeländerungen wurden dabei gelehrt. „Es gab auch Schiedsrichter, die die Leistungsprüfungen nicht bestanden haben, ich war aber gut vorbereitet“, berichtet Rühl von dem Tag im „SportCentrum“ in Nordrhein-Westfalen, wo auch schon die Deutsche Fußballnationalmannschaft residierte.

Damit steht einer weiteren, der dritten Saison Rühls in der Junioren-Bundesliga nichts mehr im Wege. Endstation soll dies aber nach Möglichkeit noch nicht sein. Dennoch gibt sich der Wettenberger Schiedsrichter bescheiden. „Zu was es einmal reichen wird, kann man so früh ja noch nicht sagen. Deshalb möchte ich gerne einen Schritt nach dem anderen machen. In der Regionalliga nicht nur an der Seitenlinie zu agieren, sondern selbst zu pfeifen, ist mein nächstes Ziel“, betont Rühl.

Während viele von einer glorreichen Spielerkarriere träumen, der Job an der Pfeife aber eher als undankbarer daherkommt, sieht das der 24-Jährige komplett anders. Kritik gehört zwar zum Geschäft des Schiedsrichters dazu, beeinflussen lässt er sich davon aber nicht. „Es ist schon wichtig, ein sicheres Auftreten zu haben. Wenn Du unsicher bist, merken das die Spieler oder Trainer sehr schnell und versuchen, das auszunutzen. Ich setze zudem eher auf Kommunikation als auf Karten. Ein lockerer Spruch oder ein Lachen helfen auf dem Feld aus meiner Sicht oft mehr als die reinen Bestrafungen“, betont Rühl, dessen Eltern seiner Entscheidung „Pro Schiedsrichter“ immer positiv gegenüberstanden, ihren Sohn in seinen Anfängen tatkräftig unterstützt und Woche für Woche zu den Sportplätzen der Region gefahren hatten. „Aber natürlich reflektiere ich nach dem Spiel und unterhalte mich auch mit meinen Assistenten über unsere Leistung. Wenn man sich weiterentwickeln will, muss man auch kritisch mit sich umgehen. Und man kann auch nach guten Spielen immer noch Sachen verbessern.“

Als Kreisschiedsrichter-Obmann weiß Rühl zudem, dass es an jungem und motiviertem Nachwuchs oft mangelt. Ob seiner eigenen, zehnjährigen Karriere kann der 24-Jährige aber seine Sicht der Dinge schon gut weitergeben und wertvolle Tipps geben. „Ich kann das Schiedsrichter-Amt jedem wirklich nur ans Herz legen. Es dient absolut der persönlichen Weiterentwicklung. Man trägt Verantwortung, steigert die eigene Selbstsicherheit und trägt dazu bei, dass die Fußballer ihrem Hobby auch weiterhin nachgehen können. Und dafür sorgen, dass die Spiele in geordneten Bahnen verlaufen, kann man auch noch“, bricht Rühl eine Lanze für den Schiedsrichter-Job.

Ob es für die großen Bundesligastadien einmal reichen wird, ist natürlich noch nicht abzusehen. Den Nachwuchs von Bayern München, Borussia Dortmund oder RB Leipzig pfeift Marcel Rühl aber zumindest auch in der kommenden Saison. Und diese Städte im Navi abzuspeichern, kann ja zumindest nicht schaden.

Aufrufe: 016.8.2020, 08:00 Uhr
Marc Steinert (Gießener Anzeiger)Autor