2024-05-02T16:12:49.858Z

Spielbericht
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Fußball-Duell der Ambitionierten

TSV Großenwörden gegen FSG Mulsum/Kutenholst-Deinste

In der Kreisklasse steht das Duell der Ambitionierten an. Die Frauen aus Großenwörden empfangen Mu/Ku/De. Kampfkraft, Bissigkeit und Willen beim Gastgeber treffen auf spielerische Überlegenheit. Ein spannendes Duell.

TSV-Co-Trainer Ole Andreas reicht seinem Kollegen Julian Heinsohn die Namensschilder für die Magnettafel. Heinsohn verteilt die Namen auf dem Spielfeld. Chefcoach Simon Witt hat sich für ein 4:2:3:1-System entschieden. Als einer der wenigen Vereine in der Nordstaffel der Kreisklasse Stade/Harburg spielt der TSV Großenwörden mit einer Viererkette. Bevor Witt das Team im vergangenen Jahr von Christian Bohn übernommen hatte, lief der TSV klassisch mit Libero auf und verteidigte Frau gegen Frau. Das gilt mittlerweile als überholt. "Die Mädels haben das echt schnell gut gemacht. Wir kassieren auch weniger Gegentore", sagt Witt. Die drei Trainer stehen vor dem Kabinentrakt und warten, bis die Spielerinnen drinnen in ihre Trikots geschlüpft sind. Als Kapitänin Anika Schlichting das Okay gibt, gehen die Trainer für die finalen Ansagen in die Umkleide.

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Das Spitzenspiel der Liga steht an. Der TSV empfängt die Spielgemeinschaft aus Mulsum, Kutenholz und Deinste. Laut Trainer Witt, "der beste Gegner der Liga". Auf ein hartes Spiel sollen sich seine Frauen einstellen. Biss, Ehrgeiz und Kampf dagegensetzen. Das hat zuletzt gegen Stade beim 3:3 schon ganz gut geklappt. Großenwörden holte bislang in zwei Spielen vier Punkte. Mu/Ku/De, wie der heutige Gegner abgekürzt wird, brachte es auf drei. Inklusive der Auftaktniederlage gegen den Mitfavoriten auf die Meisterschaft, SV Ahlerstedt/Ottendorf IV. Der TSV Großenwörden rief den Aufstieg vor Saisonstart ganz vorsichtig als vages Ziel aus, wobei dies für Trainer Simon Witt einer Überraschung gleichkäme. Mu/Ku/De geht da schon forscher vor. "Wir haben den Aufstieg angepeilt", sagt Trainerin Simone Burfeind. Wer hier heute verliert, wird es schwer haben, zumal A/O IV an der Tabellenspitze souverän marschiert.

TSV-Trainer Simon Witt ist kein Lautsprecher, kein Einpeitscher. Eher der sachliche Motivator, der jeder Spielerin, die in der Startelf steht, ihr Können ins Bewusstsein ruft.

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Außenverteidigerin Luise Ahlf soll wieder Meter machen, Wiebke Bundt auf der Sechserposition wieder abräumen, Franziska Hilbert neben ihr erneut so starke Zweikämpfe führen. Nina Wegner und Franziska Mai waren "gegen Stade schon Bombe". Jule Gehrmann arbeitet viel im zentralen Mittelfeld und kann 90 Minuten lang rennen. Witt nennt die 20-Jährige treffend seinen "Terrier". Und ganz vorne? Da wirbelt mit Luise Wassermann eine 16-jährige Knipserin, die in den beiden letzten Spielen jeweils drei Tore erzielte. "Das erwarte ich wieder", sagt Witt mit einem Augenzwinkern.

Der Druck ist da. Rhythmisches Klatschen. Es geht raus zum Warmmachen. Auf dem Großenwördener Rasen. Acker trifft es besser. Die meisten Vorgärten des Dorfes sind besser in Schuss. Hügel. Löcher. Tiefe Mulden. Seitdem der Verein vor der jetzt laufenden Saison eine dritte Männermannschaft für die vierte Kreisklasse gemeldet hat, trainieren und spielen fünf Teams auf dem ramponierten Platz. Schiedsrichter Ali Ak aus Bützfleth trinkt noch eine Fanta, bevor er die Teams am Mittelkreis zusammenruft. Dort steht er mit einem Lächeln und den Händen in der Tasche. Nur zum Münzwurf nimmt er die rechte raus. Seit zwei Jahren pfeift der 42-Jährige. Nachdem er sich bei einem Jugendspiel mal unfassbar über eine Schiedsrichterentscheidung aufgeregt hatte, meldete er sich selbst zum Lehrgang an. Jetzt darf er im Jugendfußball bis Landesliga pfeifen, bei den Erwachsenen bis Kreisliga. "Frauen pfeifen ist schöner", sagt er. "Keine Fouls und kein Gelaber." 22 Euro plus Fahrtkosten bekommt Ak für den Einsatz.

Seit gut elf Jahren spielen Frauen beim TSV Großenwörden Fußball. Die Zuschauerresonanz nimmt stetig zu. An diesem späten Sonnabendnachmittag kommen fast 50 Menschen auf den Platz. Nicht einmal der Regen, der in der zweiten Halbzeit einsetzt, schreckt sie ab. Trainer Simon Witt erklärt das gestiegene Interesse mit dem ansehnlicheren Stil des Fußballs. Überhaupt sei in den vergangenen Jahren ein Ruck durch den Verein gegangen. Der Aufstieg der ersten Männermannschaft 2019 in die Kreisliga habe Schwung gebracht. Das war ein schöner Erfolg im Jahr des 100. Jubiläums des Vereins. Jetzt gibt es sogar noch eine dritte Mannschaft. Infrastrukturell haben die Großenwördener die Anlage verbessert, zwischen Umkleide und Sportplatz neu gepflastert, zudem entsteht ein neuer Holzcontainer für die Trainingsutensilien. Mittelfristig sollen die beiden Rasenplätze auf Vordermann gebracht werden.

Ali Ak pfeift an. Die Partie verlagert sich sofort an die Seitenlinie gegenüber den Trainerbänken. Auf engstem Raum spielt sich das Ballgeschiebe ab, die Zweikämpfe. Gefühlt 20 Einwürfe sehen die Zuschauer in den ersten zehn Minuten. TSV-Co-Trainer Julian Heinsohn sensibilisierte die Spielerinnen kurz vor dem Start noch einmal für die Sichelform, wenn die Außen überlaufen werden, für das Verteidigungsdreieck, warnte vorm Aufdrehen der Gegnerinnen und verlangte kein Wegbolzen, aber dafür Balleroberungen und Konter. Der TSV Großenwörden bemüht sich redlich, die taktische Marschroute umzusetzen. Aber die ersten 20 Minuten laufen an den Gastgeberinnen vorbei. Das Gegentor von Fiona Richter in der zwölften Minute darf niemals fallen. Der Ball trudelt durch den Strafraum, Torhüterin Laura Kück und Anika Schlichting agieren zu zaghaft. Richter bedankt sich. "Ein Kullerding. Das ist reine Konzentrationssache", sagt Simon Witt. Nach 20 Minuten verbeißt sich der Terrier in dieses Spiel. Jule Gehrmann rennt einem langen Rückpass einer Mu/Ku/De-Spielerin auf Torhüterin Birte Hellmig hinterher. Der Sprint scheint aussichtslos. Trainer Witt überlegt schon, ob er Gehrmann zurückpfeift. Aber er lässt sie machen. Hellmig schießt Gehrmann an, der Ball trudelt Richtung Tor, Gehrmann schiebt ihn im Nachsetzen über die Linie. Drei Minuten später erhöht Gehrmann nach einem hohen Ball auf die rechte Seite zum 2:1. Erneut sieht Birte Hellmig nicht gut aus. Die sonst so routinierte Torfrau ärgert sich maßlos. Steht minutenlang kopfschüttelnd auf dem Platz. Halbzeit. Die Großenwördener Spielerinnen eilen in die Kabine. Simon Witt wird, den möglichen Erfolg vor Augen, direkter in seiner Ansage. "Die Zweikämpfe waren gut. Die hatten zwischendurch keinen Bock mehr", sagt er. "Bissig" sollen seine Spielerinnen weiter sein. Den Gegnerinnen die Lust am Kicken nehmen. Hier ist schließlich TSV-Land. "Die hassen uns jetzt schon", sagt Witt.

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Nach einer Ecke in der 49. Minute rückt die FSG Mu/Ku/De die Verhältnisse zurecht. Janina Brey schlenzt den Ball mit links von der rechten Seite ins lange Eck. Laura Kück im TSV-Tor kann nur hinterherschauen. Das Gästeteam ist das spielstärkere und hat das bessere Konzept. Lange hält Großenwörden das 2:2, hat sogar noch die Großchance, die Luisa Wassermann vergibt, bis Fiona Richter schließlich acht Minuten vor Schluss erneut zuschlägt, auf der linken Seite nach einem schönen Zuspiel in den Lauf durchzieht und Kück zum zweiten Mal überwindet.

Ali Ak pfeift die Begegnung nach zwei Minuten Nachspielzeit ab. Auf seiner Glatze vermischen sich Regentropfen und Schweißperlen. Während die Spielerinnen aus Mulsum, Kutenholz und Deinste singend ihren Sieg bejubeln, trotten die Geschlagenen vom Platz. "Ein Unentschieden wäre gerecht gewesen. Die hatten nur Glück", sagt Jule "Terrier" Gehrmann fast schon ein wenig trotzig. "Unser Ziel bleibt der Aufstieg", schiebt Anika Schlichting hinterher. "Du musst ja immer optimistisch sein", sagt Gehrmann. Zehn Minuten nach dem Abpfiff lächeln die beiden Spielerinnen bereits wieder.

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Jeder kann mitmachen, ob als Vereinsverwalter, Fotograf, FuPa.tv-Filmer, Liveticker-Melder, Berichterstatter, Liga- und Turnierverwalter oder Schiedsrichtergruppen-Verwalter.
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Aufrufe: 028.9.2020, 15:17 Uhr
Tageblatt / Von Daniel BerlinAutor