2024-04-24T13:20:38.835Z

Allgemeines
Julian Gieseke mit dem EL-Pokal in St. Louis (USA). Foto: Gieseke
Julian Gieseke mit dem EL-Pokal in St. Louis (USA). Foto: Gieseke

"Beide wollen das Spiel gewinnen"

Gebürtiger Alfhausener Julian Gieseke über das Spiel gegen die USA und den Fußball in Amerika

Vom SV Alfhausen über den VfL Osnabrück nach St. Louis. Julian Gieseke hat dank des Fußballs schon viel gesehen und erlebt. Seit zwei Jahren studiert Gieseke mithilfe eines Fußball-Stipendiums in den USA. Wir haben mit dem 21-jährigen Insider über das Spiel gegen die USA, die Entwicklung des amerikanischen Fußballs und das Leben in den USA gesprochen.

Einigen sich Jogi und Klinsi auf ein Unentschieden oder können uns die US-Stars sogar gefährlich werden?

Julian Gieseke: Ich denke beide Trainer sind so professionell, dass beide dieses Spiel gewinnen wollen. Aus den Statements von Jürgen Klinsmann bei der Pressekonferenz lässt sich schon ableiten, dass beide ihr bestes geben werden.
Die Amerikaner spielen bei der WM bisher besser als ich gedacht hätte. Gerade, weil sie zum großen Teil Spieler aus der eigenen Liga mithaben. Über ihre starke Physis können sie einiges wettmachen. Wenn die Amerikaner einen guten Tag erwischen und über den Kampf kommen, können sie uns auch gefährlich werden. Wenn es aber normal läuft, sollten wir keine Probleme haben.

Wie schätzt Du die deutsche Mannschaft nach den bisherigen Partien ein?

Gieseke: Wir haben die technisch stärkste Mannschaft. Probleme haben wir noch beim Umschaltspiel. Außerdem kommen wir viel zu wenig über die Außen. Boateng und Höwedes sind eher defensiv orientiert und schlagen wenig Flanken. Klar, wenn der Ball erstmal läuft, dann läuft unser Spiel. Gegen Teams wie Ghana, die unser Spiel zerstören wollen, haben wir es aber schwer. Ich habe ein bisschen Angst, dass die Amerikaner mit ähnlicher Gangart in das Spiel gehen. Ich glaube aber, dass wir weiterkommen, das Achtelfinale überstehen und dann mit Glück das Halbfinale oder Finale erreichen können. Mit Spanien und Italien sind Mannschaften, die uns bei den letzten Turnieren Probleme gemacht haben, schon raus.
In den USA hat der deutsche Fußball jedenfalls einen hohen Stellenwert. Es ist aber die amerikanische Mentalität immer selbstbewusst und positiv zu sein. Klinsmann wurde stark kritisiert für seine zurückhaltenden Äußerungen vor dem Turnier.

Wie wirst Du das Spiel verfolgen?

Gieseke: Ich werde das Spiel beim Public Viewing im Alando verfolgen, ohne amerikanische Freunde. Marco Heskamp (zuvor ebenfalls VfL U23), der zusammen mit mir in den USA studiert, will beim Public Viewing in den USA sein Deutschland Trikot anziehen.

Deine Freundin ist Amerikanerin. Könnte ein Ausscheiden der USA zum Beziehungs-Problem werden?

Gieseke: Das haben wir schon diskutiert. Meine Freundin spielt auch Fußball und ist sehr interessiert. Sie und die anderen Amerikaner loben die Deutschen und fänden alles andere als einen deutschen Sieg überraschend. Natürlich wäre die Freude über ein Weiterkommen umso größer.


Welchen Stellenwert hat der Fußball in den USA?

Gieseke: Fußball wird als Sportart immer wichtiger. In den USA gibt es nach dem DFB den zweitgrößten Verband der Welt. Dort ist Fußball die Einstiegssportart. Viele Jugendliche wechseln dann aber zum Football, Baseball oder Basketball. Im Fernsehen schauen viele Leute die Premier League, auch die Top-Spiele der Bundesliga werden übertragen. Während der WM schauen alle – genauso wie in Deutschland – die Spiele.

David Beckham will in Miami einen Proficlub gründen und David Villa wechselt nach New York. Auch europäische Teams haben den amerikanischen Markt im Visier. Daher durftest du sogar ein Foto mit dem EL-Pokal machen...

Gieseke: Ja, Chelsea und Real Madrid waren bei uns in St. Louis zu Gast. Die europäischen Spitzenteams machen viel Werbung und viele Investoren sehen die USA als lukrativen Markt. In Miami werden in der Sommervorbereitung Hochkaräter wie Real Madrid, Liverpool, Chelsea und Manchester City an einem Pokal teilnehmen. Der Besitzer von Manchester City will ein MLS-Team kaufen, LeBron James will beim Projekt von David Beckham einsteigen.
Bei uns in der Mannschaft kommt die Hälfte der Spieler aus dem Ausland. Das zeigt wie interessant die USA für Fußballer sind. Der Verband versucht Barrieren abzubauen und den Fußball in den USA zu verbessern.


Du hast beim VfL in der Jugend und in der U23 gespielt. Wie stufst Du den „College-Fußball“ vom Niveau her ein? Was ist anders?

Gieseke: Das Spiel ist anders und schwer einzustufen. Das Spiel ist körperbetonter. Die Leistungsunterschiede innerhalb der Liga sind extrem groß. Zu manchen Auswärtsspielen reisen wir mit dem Flugzeug an. Da treffen wir dann teilweise auf Gurkentruppen, teilweise auf starke Gegner. Es schwankt zwischen Kreisklasse und Regionalliga. Während eines Trainingslagers in Madrid haben wir zwei von drei Spielen gegen Spanische Drittligisten gewonnen. Daher würde ich unser Team als Regionalliga-Mannschaft einstufen.


Du hast ein Fußball-Stipendium. Wie sieht Dein Tagesablauf aus?

Gieseke: In den USA geht die Saison jeder Sportart quasi nur 3-4 Monate. Unsere Saison geht von August bis Dezember. Dann haben wir 30 Spiele und jeden Tag Training. In der Off-Season besteht das Training vor allem aus Laufen und Fitnessstudio. Das ist schon manchmal frustrierend.
Das Stipendium habe ich dank der Hilfe von Joe Enochs bekommen. Der Trainer von St. Louis macht jedes Jahr eine Europa Tour und hat beim Training vorbeigeschaut. Marco Heskamp und ich hatten Interesse. Joe hat uns viel beim Papierkram geholfen. Er will immer das Beste für junge Spieler.




Siehst du deine Zukunft nach dem Studium in den USA oder werden wir Dich irgendwann wieder auf den Fußballplätzen in der Region sehen?

Gieseke: Mittlerweile kann ich mir vorstellen auf Dauer in den USA zu bleiben. Mal gucken was sich ergibt. Das hängt davon ab ob ich einen Job bekomme oder ein Angebot von einem Verein kriege. Es gefällt mir sehr gut und ich kann jeden, der die Chance bekommt, nur raten den Schritt in die USA zu wagen.

Aufrufe: 026.6.2014, 16:15 Uhr
Marius Stegemann / FuPa.net Autor