2024-04-23T13:35:06.289Z

Interview der Woche
Die Interviewpartner: (v.l.) Jugendleiter Ansgar Lehnen, Vorsitzender Andreas Clemens, Geschäftsführer Jugend Karl Fassbender.
Die Interviewpartner: (v.l.) Jugendleiter Ansgar Lehnen, Vorsitzender Andreas Clemens, Geschäftsführer Jugend Karl Fassbender.

"So etwas muss man nicht haben"

Interview der Woche beim FC Wiedenest-Othetal über die Folgen des Vorfalls beim B-Jugend-Spiel

Im Spiel der Kreisleistungs-Staffel der B-Jugend zwischen dem FC Wiedenest-Othetal und Eintracht Hohkeppel kam es am 18. März zu einer handgreiflichen Auseinandersetzung. Die Polizei wurde gerufen und das Jugendsportgericht sprach für sieben Spieler teils empfindliche Strafen aus. Wie geht ein Verein wie der FC mit dem Geschehen um? Diese Frage stellte Andrea Knitter im Gespräch mit dem Vereinsvorsitzenden Andreas Clemens, Jugendleiter Ansgar Lehnen und Jugend-Geschäftsführer Karl Fassbender.

Die Prügelei zwischen B-Jugendlichen während eines Fußballspiels ist nicht alltäglich und bisher eher in Städten zu finden. Haben die Vorkommnisse etwas in Ihrem Verein verändert?

Andreas Clemens: Verändert hat sich eigentlich nichts, wir machen unsere Arbeit im Verein so weiter wie bisher. Natürlich haben wir im ersten Moment mit Entsetzen reagiert. Dann haben wir aber, wie ich finde, sehr besonnen agiert.

Karl Fassbender: Der Verein hat keine großen Kratzer zurückbehalten.

Waren Sie selber an dem Abend vor Ort?

Clemens: Pech war, dass an dem Abend kein Vereinsverantwortlicher am Platz war, was sonst immer der Fall ist. Alle konnten an dem Abend nicht. Als Karl Fassbender und Ansgar Lehnen eintrafen, war alles vorbei. Daher mussten auch wir uns erst einmal informieren und haben Montag mit der Mannschaft gesprochen. Die Spieler waren geschockt darüber, was passiert war.

Sie haben gesagt, Sie haben besonnen reagiert. Was meinen Sie damit?

Ansgar Lehnen: Wir haben von Beginn an gesagt, dass wir das Geschehen nicht öffentlich kommentieren möchten, sondern intern aufarbeiten wollen. Das haben wir auch ausführlich getan. Wir wollten der Spruchkammer nicht vorgreifen und keine Vorverurteilung. Spruchkammer-Vorsitzender Fabian Baldauf und seine Mitarbeiter haben die Vorkommnisse dann ja minuziös aufgearbeitet. Das war eine sehr gute Arbeit und hat einiges relativiert.

Wie haben Sie als Verein auf die Urteile reagiert?

Lehnen: Wie haben drei von sechs Spielern aufgrund ihres Verhaltens aus der Mannschaft ausgeschlossen. Zwei Spielern haben wir Bewährung gegeben. Das hat nicht funktioniert, und so wurden auch sie ausgeschlossen. Der Spieler, dessen Verhalten zu den Tumulten geführt hatte, spielt dagegen noch bei uns. Er hatte sich noch auf dem Platz bei seinem Gegenspieler und auch beim Spielführer von Hohkeppel entschuldigt, und hat dies bei der Spruchkammersitzung wiederholt. Er war entsetzt über sein eigenes Verhalten.

Fassbender: Wir wollten den beiden Jungen auf Bewährung noch einmal eine Chance geben und mussten dann doch die Notbremse ziehen.

Lehnen: Nachdem sie erneut aufgefallen waren, haben wir sofort die Trainer und den Mannschaftsrat zusammengerufen und um ihre Meinung gefragt. Die Mannschaft , die in dieser Saison zur A-Jugend wurde, und die Trainer achten mehr als zuvor auf das Verhalten der Spieler.

Sie haben die Mannschaft aber nicht aus dem Spielbetrieb zurückgezogen?

Lehnen: Nein, wir haben uns ganz bewusst dagegen entschieden, da die Spieler ansonsten als vereinslos gelten und eine sportgerichtliche Verfolgung viel schwieriger und auch viel teurer geworden wäre. Das hätte die Aufarbeitung des Geschehens durch die Spruchkammer erschwert.

Wie wurde das Geschehen im Verein aufgearbeitet?

Lehnen: Wir haben uns direkt am Tag danach mit allen Verantwortlichen an einen Tisch gesetzt und beraten. Einen Tag später haben wir die Mannschaft zusammengerufen und uns aus ihrer Sicht das Geschehene schildern lassen.

Fassbender: Was das Ganze nach wie vor unverständlich macht, ist, dass die Mannschaft zu diesem Zeitpunkt gut aufgestellt war, es lief einfach. Die B-Jugend war im Winter auch im Hallencup weitergekommen. Es waren Erfahrungswerte, die keiner braucht.

Clemens: Von Beginn an haben wir mit den Verantwortlichen des Fußballkreises in Kontakt gestanden, die uns bei unserer Aufarbeitung sehr unterstützt haben.

Lehnen: Wir haben im Nachgang viele Einzelgespräche geführt. Man muss so etwas nicht haben, aber es gehört auch zum Leben dazu, und wir müssen dafür sorgen, dass es nicht wieder passiert.

Bleibt nach einem solchen Vorfall die Sorge, dass sich so etwas jederzeit wiederholen kann?

Lehnen: Ich glaube, das war ein einmaliger Ausreißer. Es ist ja nicht so, dass die Gegner jetzt Angst haben müssen, wenn sie gegen eine Mannschaft von uns antreten.

Gab es denn solche Befürchtungen?

Lehnen: Nein. Der Fall hat zwar für viel Aufsehen gesorgt, doch auf dem Platz hat sich das nicht ausgewirkt.

Die Vorfälle liegen knapp sechs Monate zurück. Haben Sie eine Erklärung für das Verhalten Ihrer Spieler?

Fassbender: Es hatten möglicherweise kulturelle Gründe sein können. Über 50 Prozent der B-Jugend-Mannschaft hatten türkische Wurzeln und zu der Zeit wurde der Wahlkampf zum Referendum in der Türkei besonders heftig geführt. Hohkeppel hatte ja auch Spieler mit Migrationshintergrund in seinen Reihen.

Lehnen: Ich glaube nicht, dass das eine Rolle gespielt hat. Es war ein sehr intensives Spiel mit vielen Zweikämpfen, und es war für unsere Mannschaft so etwas wie ein Endspiel gegen den Abstieg. Es ist vieles zusammengekommen und das nicht geahndete Foul kurz vor Schluss hat dann das Fass zum Überlaufen gebracht. Ich möchte aber auch sagen, dass immer zwei dazu gehören, damit so etwas geschieht.

Clemens: Es war schon ein Problem, dass in der Mannschaft häufig nicht alle Deutsch gesprochen haben, dabei steht außer Frage, dass sie es alle können. So war für die Trainer und Mitspieler nicht nachzuvollziehen, was auf dem Platz gesagt wurde. Die Sprache ist insgesamt ein Riesenproblem bei der Integration. Zudem sind manche Argumente in dieser Altersklasse nicht nachzuvollziehen.

Fassbender: Wir müssen auch ehrlich sagen, dass einige Spieler zuvor schon bei anderen Vereinen durch die Maschen gefallen waren. Wir haben uns sehr um sie bemüht und auch einiges für sie getan.

Sie haben sicher nicht nur in der damaligen B-Jugend Spieler mit ausländischen Wurzeln.

Lehnen: Bei uns ist jeder, der Fußballspielen möchte, willkommen. Durch die Flüchtlinge, die bei uns spielen, haben wir mittlerweile 25 Nationalitäten in unserem Verein. Wir haben 15 Jugendmannschaften, darunter sind vier Mädchenteams, von unseren rund 520 Mitglieder sind knapp 300 Jugendliche.

Clemens: Uns interessiert nicht, welche Wurzeln die Spieler haben, sondern, dass sie Fußball spielen wollen.

Aufrufe: 08.9.2017, 20:30 Uhr
OVZ-Obergische Volkszeitung/Andrea KnitterAutor