2024-04-16T09:15:35.043Z

Interview
Der Moment des größten Triumphes: Klaus Augenthaler (3.v.r.) feiert den WM-Sieg 1990.
Der Moment des größten Triumphes: Klaus Augenthaler (3.v.r.) feiert den WM-Sieg 1990. – Foto: Imago Images

Klaus Augenthaler - der einzige niederbayerische Fußball-Weltmeister

Niederbayerische Exportschlager: Klaus Augenthaler - Teil 1: Der gebürtige Vilshofener gehört als mehrmaliger Meister, Pokalsieger und Weltmeister '90 zu den erfolgreichsten deutschen Fußballern überhaupt.

Die Liste an aktiven und bereits inaktiven Fußballern, die im Rahmen der FuPa-Serie "Niederbayerische Exportschlager" bisher zur Wort gekommen sind, ist inzwischen lang. Aus dieser Masse an erwähnenswerten Kickern aus dem Bezirk, die es in das Profigeschäft geschafft haben, sticht er jedoch nochmal heraus: Klaus Augenthaler. Die 63-Jährige FC-Bayern-Legende, die aus dem FC Vilshofen hervorgegangen ist und inzwischen in Inning am Ammersee wohnt, ist mehrmaliger Meister und Pokalsieger - und der einzige niederbayerische Fußballer, der sich Weltmeister nennen darf.

Hier geht's direkt zum 2. Teil des Interviews (einfach klicken)

Herr Augenthaler, Jogi Löw bleibt nun doch Bundestrainer bis mindestens zur EM 2021. Die richtige Entscheidung?

Es steht mir nicht zu, das zu beurteilen. (macht eine Pause - und ergänzt dann doch) Jogi Löw hatte sehr erfolgreiche Jahre, aber zuletzt schien etwas der Wurm drin zu sein. (überlegt) Ich denke mal, die Verantwortlichen haben sich zu diesem Thema ausführlich Gedanken gemacht und dann eben so entschieden.

Sind Sie - im Gegensatz zu vielen Deutschen - noch Fan der Nationalelf?
Ja, sicherlich.

Schauen Sie auch Testspiele und Nations League?
Ja, schon - vor allem in der Corona-Zeit. (schmunzelt)

Die Nationalmannschaft, zu Ihren Zeiten der Stolz der kompletten Bundesrepublik, ist mehr und mehr zu einer Nebensächlichkeit verkommen. Mit welcher Gefühlslage nehmen sie diesen Absturz wahr?
Diese Frage ist nicht so einfach zu beantworten. Um was es beispielsweise bei der Nations League genau geht, kapieren viele Leute schlicht und einfach nicht. Dieser Wettbewerb ist - vielleicht genauso wie die Champions League - zu aufgebauscht. Aber gut. Es ist so, wie es ist. Damit muss man umgehen können.

»Einen Fehler einzugestehen ist eine Stärke«



Was sie können?
Ja.

Der Interessenschwund rund um "Die Mannschaft" hängt wohl vor allem mit den enttäuschenden Ergebnissen zuletzt zusammen.
Das ist mir zu einfach. Aus meiner Sicht bewertet man das 0:6 gegen Spanien über. Wir haben gegen die Ukraine gewonnen, die wiederum die Spanier besiegt hatten. Wir haben keine schlechte Truppe. Ansätze sind durchaus erkennbar. Geht man aber ins Detail und sucht bewusst nach Fehlern, findet man in jedem Spiel welche. Dass fernab dessen Stimmen nach den ausgebooteten Müller, Boateng und Hummels laut werden, damit konnte man fast rechnen.

Würden Sie denn diese drei Spieler wieder einladen?
Es wäre keine Schande, sie wieder zu nominieren, weil deren Leistungen stimmen. Einen Fehler einzugestehen ist eine Stärke. Aber es ist letztlich nicht eine Entscheidung, die ich treffen muss.

Wir haben ja - auch ohne Müller, Boateng und Hummels - nach wie vor einige Weltklasse-Spieler in unseren Reihen...
Man sieht es bei erfolgreichen Teams, dass man eine Achse braucht. Erfahrene Leute, die das Spiel bestimmen, die die rechte Hand sind vom Trainer, sind maßgeblich. Unsere Nationalmannschaft ist derzeit sehr jung. Ich sehe in der Verteidigung deshalb keinen, der das Spiel lenken und führen kann. Bleiben dann noch die Ergebnisse aus, macht sich Unsicherheit breit. Klar haben wir noch andere Weltklasse-Spieler. Aber eine gute Mannschaft braucht eine gute Mischung - und die stimmt aktuell wohl nicht.



Ist es nicht im modernen Fußball mit all seinen Randerscheinungen so, dass der Trainer - in diesem Fall Joachim Löw - ein noch schwächeres Glied in der Kette ist als noch vor 10, 15 Jahren?
Schwer zu beurteilen. Das ist immer von der Persönlichkeit abhängig. Ich habe unter zwei Bundestrainer gespielt. Und Jupp Derwall war eine andere Welt als Franz Beckenbauer. Jogi Löw hat man zu Beginn nicht viel zugetraut. Doch er hat sich behauptet. Er ist Weltmeister geworden mit Deutschland. Das spricht für sich.

Sowohl Löw als auch Hansi Fleck sind nach außen eher ruhige, empathische Vertreter der Zunft. Ist das inzwischen der gefragte Typ Trainer?
Unterm Spiel ist es egal, ob du ruhig bist oder nicht. Das Entscheidende passiert vor dem Anpfiff in der Kabine. Ein Franz Beckenbauer konnte explodieren, was viele gar nicht so richtig wissen. Er konnte aber auch akribisch arbeiten. Inzwischen ist der Fußball so komplex geworden, dass er in keinem Bereich mehr Nachlässigkeiten verzeiht.

Welche Charaktereigenschaften konnte man dem Coach Augenthaler zuschreiben?
Eher der ruhige Typ.

So wie bei der legendären 42-Sekunden-Pressekonferenz zu Wolfsburger Zeiten?
Ja, so in etwa (schmunzelt).

FC Bayern - ein Leben lang: Die Verbindungen zu den Münchener um Hansi Flick und Thomas Müller sind nach wie vor bestens.
FC Bayern - ein Leben lang: Die Verbindungen zu den Münchener um Hansi Flick und Thomas Müller sind nach wie vor bestens. – Foto: Marco Theis


Themawechsel: Sehen wir derzeit den besten FC Bayern München aller Zeiten?
Ich denke schon. Was passiert ist, seitdem Hansi Flick das Ruder übernommen hat, ist erstaunlich. Man muss aber dazu sagen, dass er den besten Kader jemals zur Verfügung hat - auch in der Breite. Zu unseren Zeiten wurde es ab der Nummer 12 oder 13 bereits dünn.

Noch sprechen aber die Erfolge für die Mannschaft aus den 1970er-Jahren.
Drei Mal in Folge den Europapokal zu gewinnen, wird einmalig bleiben. Das Team damals hat einfach funktioniert. Sie hatten das Glück, dass keiner länger ausgefallen ist in dieser Phase. Verletzte Leistungsträger konnten damals nicht ersetzt werden - im Gegensatz zu heute.

Apropos: Zuletzt beklagten sich die Verantwortlichen über die hohe Belastung der Spieler aufgrund des engen Zeitplanes in Folge der Corona-Pause im Frühjahr. Doch ist das nicht Jammern auf hohem Niveau? Immerhin gehen die Profis einfach ihrem Job nach und auch ein Fabrikarbeiter muss täglich ran...
Die körperliche Belastung ist enorm. Aber nicht das Physische ist ausschlaggebend, sondern die Psyche. Samstag-Mittwoch-Samstag ist vom Körperlichen her möglich. Dann trainiere ich halt einfach weniger. Habe ich jedoch Angeschlagene oder einen ohnehin dünnen Kader, könnte es kritisch werden.

»Jeder Spieler ist ersetzbar - auch der Augenthaler«



Wie war das bei Ihnen?
Ich habe diesen Rhythmus lange genug mitgemacht. Irgendwann macht der Kopf nicht mehr mit - und dann wollen auch die Beine nicht mehr. Das sieht man derzeit bei den Bayern. Vor ein paar Wochen haben sie ihre Gegenspieler noch locker-leicht abgelaufen. Jetzt kommen sie zu spät, und müssen in den Zweikampf. Und dann ist die Verletzungsgefahr logischerweise größer.

Weitere Nebenkriegsschauplätze sind die auslaufenden Verträge von David Alaba und Jerome Boateng. Wie beurteilen Sie beide Situationen?
Bei Alaba hat der Verein gut reagiert. Diese Feilscherei - Wahnsinn. Wobei diese nicht vom Spieler ausgeht, sondern vom Berater. Deshalb hat Bayern richtig gehandelt, als sie das Angebot zurückgezogen haben. Jetzt liegt's am Spieler.

War das zu ihrer aktiven Zeit anders - oder sind solche Dinge damals einfach nicht so nach außen gedrungen?
Beides (schmunzelt).

Sind beide Verteidiger dem einstigen Weltklasse-Libero zufolge unersetzbar?
Mit Ausnahme von Pele, Maradona und vielleicht noch Beckenbauer ist jeder Spieler ersetzt - selbst der Augenthaler (lacht).

Im zweiten Teil des Exportschlager-Interviews erinnert sich der ehemalige Weltklasse-Libero an die siegreiche WM 1990 und ihre dramatische Vorgeschichte. Außerdem blickt "Auge" auf seine Zeit beim SV Donaustauf und auf seinen Heimatverein, den FC Vilshofen.

Aufrufe: 04.12.2020, 06:00 Uhr
Helmut WeigerstorferAutor