2024-04-24T13:20:38.835Z

Aufreger der Woche
Versucht jetzt mit einem offenen Brief an den DFB den nächsten Schritt im Streit mit dem Nordostdeutschen Fußballverband zu gehen: Babelsbergs Vorstandsvorsitzender Archibald Horlitz Foto: Babelsberg
Versucht jetzt mit einem offenen Brief an den DFB den nächsten Schritt im Streit mit dem Nordostdeutschen Fußballverband zu gehen: Babelsbergs Vorstandsvorsitzender Archibald Horlitz Foto: Babelsberg

Kann der DFB helfen? Babelsberg und der NOFV streiten weiter

Die Fronten sind verhärtet: Nach dem Urteil des Nordostdeutschen Fußballverbandes gegen den SVB 03 geht deren Vorstandsvorsitzender nun den nächsten Schritt: ein offener Brief an den DFB. Der NOFV schießt zurück.

Der Streit zwischen de SV Babelsberg und dem Nordostdeutschen Fußballverband (NOFV) geht in die nächste Runde: Nulldrei-Chef Archibald Horlitz hat sich heute mit einem offenen Brief an den Präsidenten des Deutschen Fußballbunds (DFB), Reinhard Grindel, gewandt. Er will damit auf die "Diskrepanz zwischen der klaren Haltung des DFBs gegen Rassismus und rechte Umtriebe in den Stadien und dem Skandalurteil gegen den SV Babelsberg 03 hinweisen". Der NOFV bezieht öffentlich Stellung.

Hintergrund ist ein Urteil des verbandseigenen Sportgerichts gegen den Potsdamer Klub. Das Gremium hatte den SVB nach Ausschreitungen beim Derby gegen den FC Energie Cottbus im April zu 7.000 Euro Strafe verurteilt. Auch der FCE musste zahlen, konnte eine höhere Strafe aber etwas abmildern.

In Babelsberg hält man das Urteil gegen 03 für nicht mit den Prinzipien des DFB vereinbar und hat sich deshalb für einen offenen Brief an den Dachverband entschieden. Schließlich macht der sich seit Jahren offen für Antirassismus und gegen Fremdenfeindlichkeit, Antisemitismus und Diskriminierung stark.

Horlitz zitiert in dem Schreiben an den DFB auch aus dem NOFV-Urteil, in dem unter anderem folgender Passus enthalten sei: "Etwa ab der 15. Spielminute rief eine Person mit rotem Punkerhaarschnitt aus dem Babelsberger Fanblock in Richtung des Cottbusser Fanblockes: 'Nazischweine raus'." Vorausgegangen waren rechte Provokationen von Teilen des Cottbuser Anhangs.

Der NOFV weist diese Darstellung jedoch zurück: "Das Sportgericht hat den SV Babelsberg 03 nach den schweren Zuschauer-Ausschreitungen beim Meisterschaftsspiel der Regionalliga Nordost gegen den FC Energie Cottbus am 28. April 2017 ausschließlich wegen des massiven Entzündens von pyrotechnischen Gegenständen, Bengalischen Feuern und wegen des Abschießens einer Brandrakete durch Anhänger des Vereins verurteilt. Eine Verurteilung bzw. Bestrafung des Vereins wegen des Rufes eines Babelsberger Anhängers: 'Nazi-Schweine raus' ist nachweislich nicht erfolgt. Die entsprechende Formulierung im Tatbestand des Urteils diente allein der Vervollständigung des Sachverhaltes und ist wortwörtlich aus dem Bericht der Sicherheitsaufsicht übernommen", schreibt der Verband in einer Stellungnahme, die am Montagnachmittag veröffentlicht wurde.

Darin heißt es außerdem: "Rassistische Fehlhandlungen von Anhängern, wie das Zeigen des Hitler- Grußes oder das Grölen rechter Parolen, sind in den vorliegenden Berichten des Spielleiters, der Schiedsrichter und der NOFV-Sicherheitsaufsicht nicht enthalten und waren daher den Mitgliedern des NOFV-Sportgerichtes bei Urteilserlass nicht bekannt. Auch der SV Babelsberg hat in seiner ausführlichen Stellungnahme im Sportgerichtsverfahren zu derartigen Handlungen der Cottbuser Anhänger nichts vorgetragen."

Außerdem seien formale Gesichtspunkte nicht eingehalten worden, die eine weitere sportgerichtliche Befassung mit dem Fall nicht zuließen. Babelsberg hat allerdings bereits angekündigt, notfalls auch den Weg über ein ordentliches Gericht zu gehen, um eine Änderung des Urteils zu erzwingen.

Mit dem offenen Brief und der Stellungnahme des NOFV ist die Situation nun vollends zerfahren. Der Verband fühlt sich zu Unrecht an den Pranger gestellt. Anschuldigungen wie jene, dass das NOFV-Gericht „rechtes Gedankengut in Fußballstadien salonfähig“ mache und "sich hinter formalrechtlichen, willkürlichen Auslegungen seiner Ordnungen und Satzung" verstecke, hält man dort für "falsch und unzutreffend".

Beim SV Babelsberg hofft man mit dem offenen Brief auf Unterstützung beim DFB. Wie die Reaktion aussehen und ob es überhaupt eine geben wird, ist allerdings noch völlig offen.

Der offene Brief des SV Babelsberg im Wortlaut (Kursivsetzungen und Fettungen im Original):

"Sehr geehrter Herr Grindel,

ich wende mich in Form eines offenen Briefs sowohl an Sie als Präsident, als auch an den DFB als den obersten Verband des deutschen Fußballs.

Es geht um das erstinstanzliche „Skandalurteil“ des NOFV gegen unseren Verein SV Babelsberg 03. Hier wurde von der Sportsgerichtsbarkeit des NOFV ein Urteil gefällt, das sämtlichen Prinzipien des DFB widerspricht. Der DFB propagiert eine eindeutige Haltung zum Thema Rassismus, Fremdenfeindlichkeit, Antisemitismus und Diskriminierung. Diese sind auch für die Landesverbände bindend.

Unter offensichtlicher Ausblendung des strafrechtlich relevanten Verhaltens von Cottbusser Fans, wie mehrfaches Zeigen des „Hitlergrußes’“ und Schmähgesängen, wie „Arbeit macht frei, Babelsberg 03“ wurde in der Urteilsbegründung, wie folgt ausgeführt: Etwa ab der 15. Spielminute rief eine Person mit rotem Punkerhaarschnitt aus dem Babelsberger Fanblock in Richtung des Cottbusser Fanblockes: „Nazischweine raus“.

Diese Reaktion auf das massive Auftreten jener Cottbusser Anhänger in die Urteilsbegründung zu nehmen, ohne hingegen mit einem Wort die zuvor erfolgten Provokationen zu erwähnen, ist für uns nicht hinnehmbar.

Die weiteren Vorfälle, wie der Platzsturm durch Cottbus-Anhänger, Einsatz von Pyro, auch auf Seiten der Babelsberger Fans, werden von uns als Teil des Urteils anerkannt und nicht bestritten.

Wir haben Einspruch gegen dieses Urteil eingelegt. Bis heute wird uns unter fadenscheinigen, formalen Gesichtspunkten die Revision vor der nächsten Instanz verweigert. Ich will hier bewusst keine juristische Diskussion über die Ablehnungsgründe führen. Dies können Sie, sehr geehrter Herr Grindel, als Jurist sicher besser beurteilen. Es geht uns hier um die gesellschaftspolitische Verantwortung des größten deutschen Sportvereins mit sieben Millionen Mitgliedern.

Wenn sich Ligakonkurrenten, wie die BSG Chemie Leipzig, der Oberbürgermeister der Stadt Potsdam, der Parteichef der Linken, das Jüdische Forum, der FC St. Pauli und viele mehr offen auf unsere Seite stellen und wenn unser Aufruf auf Facebook binnen zwei Tagen mehr als 200.000 Aufrufe verzeichnet, dann sollte die Dimension der involvierten Öffentlichkeit und deren klare Sicht mehr als deutlich sein.

Und hier stellt sich nun die Frage, ob diese Angelegenheit innerhalb des Sportverbands geklärt werden kann, was wir bevorzugen würden, oder ob dies vor einem ordentlichen Gericht erfolgen muss. Das Präsidium des NOFV hatte diese Woche die Chance, durch eine Eingabe von uns hier tätig zu werden und für eine transparente Aufarbeitung zu sorgen. Auf der Tagung am 21.9. wurde unser Fall besprochen. Ein Ergebnis kennen wir aktuell leider noch nicht, da uns die Stellungnahme erst im Lauf der nächsten Woche zugeleitet werden soll. Aber es ist bereits bekannt geworden, dass sich hier nichts bewegen wird und uns weiterhin verweigert werden soll, in einer Revision bzw. Wiederaufnahme dieses „Skandalurteil“ zu korrigieren.

Daher bitte ich Sie hier um Unterstützung und würde mich freuen, kurzfristig von Ihnen zu hören.

Sehr geehrter Herr Grindel, ich wende mich ganz bewusst an Sie, da ich in unserem Fall auch den DFB in der Verantwortung sehe, für seine propagierten Werte einzustehen und all jene zu unterstützen, die diese Werte und Haltungen in Fußballstadien verteidigen. Gern stehe ich für Rückfragen und ein klärendes Gespräch zur Verfügung.

Mit sportlichen Grüßen

Archibald Horlitz

Vorstandsvorsitzender SV Babelsberg 03"

Die Stellungnahme des NOFV im Wortlaut (Kursivsetzungen und Fettungen im Original):

Das Präsidium des NOFV hat sich im Rahmen seiner Tagung am 21.09.2017 intensiv mit den Entscheidungen der Rechtsorgane des NOFV zu den Sportgerichtsverfahren gegen den SV Babelsberg 03 und gegen den FC Energie Cottbus zum Spiel am 28.04.2017 und den diversen hierzu veröffentlichten Pressemitteilungen befasst.

Im Ergebnis dessen ist zunächst folgende Richtigstellung veranlasst:

1.

Das NOFV-Sportgericht hat den SV Babelsberg 03 nach den schweren Zuschauer-Ausschreitungen beim Meisterschaftsspiel der Regionalliga Nordost gegen den FC Energie Cottbus am 28. April 2017 ausschließlich wegen des massiven Entzündens von pyrotechnischen Gegenständen, Bengalischen Feuern und wegen des Abschießens einer Brandrakete durch Anhänger des Vereins verurteilt. Eine Verurteilung bzw. Bestrafung des Vereins wegen des Rufes eines Babelsberger Anhängers: „Nazi-Schweine raus“ ist nachweislich nicht erfolgt. Die entsprechende Formulierung im Tatbestand des Urteils diente allein der Vervollständigung des Sachverhaltes und ist wortwörtlich aus dem Bericht der Sicherheitsaufsicht übernommen.

2.

Gegenstand und Grundlage der Verfahren vor dem NOFV-Sportgericht gegen den FC Energie Cottbus und den SV Babelsberg 03 waren ebenfalls allein die massiven pyrotechnischen Aktionen beider Fanlager und die Platzstürmung von Cottbuser Anhängern.

Rassistische Fehlhandlungen von Anhängern, wie das Zeigen des Hitler- Grußes oder das Grölen rechter Parolen, sind in den vorliegenden Berichten des Spielleiters, der Schiedsrichter und der NOFV-Sicherheitsaufsicht nicht enthalten und waren daher den Mitgliedern des NOFV-Sportgerichtes bei Urteilserlass nicht bekannt. Die Verfahrensunterlagen sind den beteiligten Vereinen zugegangen. Auch der SV Babelsberg hat in seiner ausführlichen Stellungnahme im Sportgerichtsverfahren zu derartigen Handlungen der Cottbuser Anhänger nichts vorgetragen.

3.

Zum Berufungs- und Wiederaufnahmeverfahren ist seitens des Verbandsgerichtes dem Verein SV Babelsberg 03 umfassend Gelegenheit gegeben worden, sich zu den Tatvorwürfen zu äußern.

Die Durchführung von Verfahren vor den Rechtsorganen des NOFV regeln die Satzung und die Ordnungen des Verbandes, die sich die Vereine selbst gegeben haben.

Der SV Babelsberg 03 hat sich nicht an diese Vorgaben gehalten, die für Vereine und Verbandsorgane bindend sind.

Die vorgenannten Umstände ergeben sich nachweislich aus den beschriebenen Dokumenten und Unterlagen.

Die in der Pressemitteilung des SV Babelsberg 03 vom 20.07.2017 und weiteren Presseveröffentlichungen erfolgten Äußerungen, u. a. wie:

…der SVB wird durch ein Urteil des NOFV genau dafür bestraft, was DFB-Chef Grindel fordert: Couragiertes Auftreten gegen Nazis!“;

die rechtsradikalen Provokationen (der Cottbusser Anhänger) hätten demgegenüber beim NOFV-Gericht nicht einmal eine Erwähnung gefunden;

das NOFV-Gericht mache damit „rechtes Gedankengut in Fußballstadien salonfähig…“;

der Verband verstecke sich hinter formalrechtlichen, willkürlichen Auslegungen seiner Ordnungen und Satzung,

sind daher verfälschend und unzutreffend.

Der SV Babelsberg 03 ist vom NOFV-Präsidium mit Schreiben vom heutigen Tage zur Gegendarstellung aufgefordert worden. Die Einleitung weiterer geeigneter Maßnahmen bleibt vorbehalten.

4.

Auch im Verfahren des SV Babelsberg 03 vor dem NOFV-Verbandgericht waren keine Umstände festzustellen, die dem NOFV-Präsidium eine Korrektur der dort getroffenen Entscheidungen ermöglicht hätte. Das Verbandsgericht hat sich erkennbar an die geltenden Rechtsgrundlagen und Verbandsregularien gehalten. Ein Abänderung bzw. verfahrensleitende Anordnungen durch das NOFV-Präsidium sind, insbesondere aufgrund der Unabhängigkeit der Rechtsorgane, weder möglich noch gerechtfertigt.

Dies gilt auch in Bezug auf die vom SV Babelsberg erhobene Gegenvorstellung; hier hat das NOFV-Präsidium nach intensiver Prüfung keine weitere Veranlassung gesehen, bzgl. der genannten Sachverhalte tätig zu werden. Ordnungen und Satzung des NOFV sehen einen derartigen Rechtsbehelf nicht vor.

Aufrufe: 025.9.2017, 16:36 Uhr
Marc SchützAutor