2024-04-16T09:15:35.043Z

Querpass
Vor allem die Fans halten sich nicht mehr mit Kritik zurück. Vergangenes Wochenende traten dann auch die Vereine selbst in den Protest. Sven Leifer
Vor allem die Fans halten sich nicht mehr mit Kritik zurück. Vergangenes Wochenende traten dann auch die Vereine selbst in den Protest. Sven Leifer

Damoklesschwert Regionalligareform: Warum der Stillstand beunruhigt

Die Angst der Verlierer zu sein: Es gibt gute Gründe für das Unbehagen in Fußballdeutschland.

Im Dezember 2017 einigten sich Drittligisten und Landesverbände auf eine Übergangslösung zur dringend nötigen Reform der Regionalligen. Ein Jahr später wird in Liga drei protestiert und auf Landesebene gebangt. Was sind die Gründe für das Unbehagen in Fußballdeutschland?

Meister müssen aufsteigen! - Eine Forderung, die nicht nur jeder schon gehört hat, sondern darüber hinaus auch beinahe jeder nachvollziehen kann. Also nahmen sich DFB und Landesverbände der Problematik an, eine Neuregelung des Aufstiegsmodus von Regionalliga in Liga drei sollte geschaffen werden.

Um der Administration etwas Luft zu verschaffen einigte man sich zunächst auf eine Übergangslösung in den Spielzeiten 2018/19 und 2019/20. Zeit für die sogenannte „Ad-hoc-AG“ um eine mehrheitsfähige Lösung zu erarbeiten. Das klare Ziel: Ein Regionalliga-Modell mit vier Ligen und vier festen Aufsteigern bis zum DFB-Bundestag 2019.

Verlorenes Vertrauen in den DFB

In der Arbeitsgruppe unter der Leitung von DFB-Vizepräsident für Spielbetrieb und Fußballentwicklung, Peter Frymuth, fanden sich jeweils ein Vertreter jedes Landesverbands und zwei Delegierte der dritten Liga. Es saßen also alle gemeinsam an einem Tisch. Wie konnte sich nun ein Chaos entwickeln, das am Ende sogar in einem bundesweiten Protest der Drittlligisten und im völligen Unverständnis der Viertligisten mündete?

Die kurze Antwort: Er ist Spiegel verlorenen Vertrauens.

Vertreter der dritten Liga stimmten einem vierten Abstiegsplatz für die beiden Interimsjahre zu, signalisierten also Kompromissbereitschaft. Allerdings äußerten sie sich schon bald nach Arbeitsbeginn der Ad-hoc-AG missmutig und verwundert, sie seien vor vollendete Tatsachen gestellt worden. Dabei konstatierte Peter Frymuth damals selbst: „Ich kann verstehen, wenn die Drittliga-Vereine mit der Zwischenlösung nicht zufrieden sind.“ Das ist keine Überraschung, schließlich zieht die dritte Liga absolut keinen Vorteil aus der Zwischenlösung. In den Regionalligen darf momentan ein Team mehr als sonst auf den großen Coup hoffen, dafür zittert in der höheren Spielklasse nun ein ganzes Quartett.

Abstiegsplätze als Zugeständnis

Immerhin sind es derer nicht fünf, denn auch eine dritte Liga aus 22 Mannschaften und fünf Absteigern stand im Raum. Dieses Modell stieß aber auf strikte Ablehnung von Reihen der Drittligisten: „Struktur und Stabilität der dritten Liga, insbesondere wirtschaftlicher Natur“ seien darunter „massiv gefährdet“, lautete es in einer Pressemitteilung. Doch auch das „System-vier-aus-fünf“ wurde „als nicht sinnvoll erachtet“.

Doch wieso ist man dann auf den Vorschlag mit vier Absteigern und fünf Ligen eingegangen? Es war ein Deal, der neue Abstiegsplatz ein Faustpfand. Schließlich sollten sich diese Umstände nach zwei Jahren wieder ändern - zugunsten Aller.

Denn die Sicherheit als Regionalliga-Meister aufzusteigen gäbe auch abstiegsbedrohten Drittligisten zumindest ein Mindestmaß an Planungssicherheit. Mit der Perspektive auf einen direkten Wiederaufstieg dürfte es deutlich leichter fallen Spieler und Sponsoren auch im Fall der Fälle zu halten.

Dass die Arbeitsgruppe, die ein solches Modell erarbeiten sollte nun ohne nennenswerte Ergebnisse ihre Arbeit niedergelegt hat, ist vor diesem Hintergrund ein Schlag ins Gesicht der Drittligisten. Ihr Vertrauensvorschuss wurde nicht nur nicht belohnt, man fürchtet, dass er sogar bestraft werden könnte. Ein System mit vier Absteigern und fünf Regionalligen will und wird man in Liga drei wohl nicht akzeptieren.

Der DFB wehrt sich gegen Meldungen, die Arbeitsgruppe habe sich aufgelöst. In einer Pressemitteilung erklärte der Verband, die Arbeit sei schlicht beendet. Offiziell ist das Ziel der vier Ligen noch nicht gescheitert. Dass man bislang vergeblich auf Ergebnisse wartete, schürt aber das Gefühl, das Provisorium „Vier-aus-Fünf“ könnte bleiben. Daher der Ärger in der dritten Liga. In den Regionalligen sowieso.

Doch woher rührt der Stillstand? Er ist ebenfalls ein Ergebnis aus Angst und Misstrauen.

Schon nachdem DFB-Vizepräsident Rainer Koch den Regionalligen Süd und Südwest schon früh einen festen Aufstiegsplatz zugesichert hatte begann das Rumoren. Stimmen wurden laut, er wolle damit schon im Vorfeld eine Zusammenführung der Ligen Südwest und Bayern verhindern, da die Liga im Südwesten zu einer der Stärkeren gehören soll. Denn Koch ist in seiner Doppelrolle aus DFB-Funktionär und Präsident des bayerischen Fußballverbands nicht vor Interessenkonflikten gefeit. Allerdings treffen diese Vorwürfe keineswegs den Kern des Problems, zumal sie darüber hinaus rein spekulativ sind.

Der Fehler ist, und dafür ist Koch nicht alleine verantwortlich, dass der DFB damit das Wohl und Übel über die Regionalligareform in die Hände der Regionalverbände gelegt hat. Sie wurden angehalten eine Lösung zur Aufteilung in drei Ligen zu finden. Sollten sie das nicht schaffen, fordert der DFB auf recht nachdrückliche Weise eine „genaue Begründung“.

Ein Problem für die Kleinen

Der Landesverband Nordost bezog bei dieser Thematik direkt eine sehr klare Stellung. Nunmehr Ex-NOFV-Präsident Rainer Milkoreit sprach davon, seine Liga „bis auf die letzte Patrone“ zu verteidigen.

Sein bayerischer Kollege, Rainer Koch, gab sich verständnisvoll und versicherte, man werde sich „keinesfalls gegen den Willen des Nordostens stellen.“ Es bleibt also nur noch der Zusammenschluss der Regionalligen in Bayern und im Osten. Das würde bedeuten, dass sich Mannschaften aus Bayern, Hessen und Thüringen in einer Spielklasse wiederfinden würden.

Nicht nur im Südwesten Bayerns sorgt die Vorstellung, knapp 500 Kilometer für ein Auswärtsspiel fahren zu müssen, für Existenzsorgen. Kleine Vereine wie der FC Memmingen oder der SV Schalding-Heining, die sich durchaus als Amateur-Clubs verstehen, haben Angst diese Reisekosten nicht stemmen zu können. Zumal sie zusätzlich mit weniger Einnahmen durch Gästefans rechnen müssen.

Auch im Nordosten gibt es diese Angst. Wobei Vereine wie Auerbach, oder bis zur vergangenen Saison auch Neustrelitz, wahnsinnig weite Anfahrten kennen. Bei einer Fusion mit dem Norden wäre das allerdings für die meisten Klubs aus Berlin, Brandenburg und Sachsen dann bei jedem zweiten Spiel Realität.

Wie man es momentan also dreht und wendet, an einer Stelle findet sich immer jemand, der blockiert. Was die Sache so kompliziert macht, ist aber, dass man niemanden zum Buhmann machen kann. Niemand hat bisher eine Position bezogen, die man aus der richtigen Perspektive nicht nachvollziehen kann. Außer dem DFB, der vor der zugegeben sehr komplizierten Aufgabe schlicht kapitulierte und die Verantwortung anderen übertrug, nachdem er einen nicht haltbaren Status quo herbeiführte. Daher das fehlende Vertrauen der Vereine, die Angst der Amateure und die diffuse Mischung aus Unbehagen, Enttäuschung und Wut der Drittligisten.

Aufrufe: 06.12.2018, 11:19 Uhr
Moritz BletzingerAutor