2024-04-19T07:32:36.736Z

Interview der Woche
Ein Bild aus alten Tagen: Tom Schmidt, noch im Dress des Frankfurter FC Viktoria, bevor er zu Werder Bremen gewechselt ist. Foto: Michael Benk
Ein Bild aus alten Tagen: Tom Schmidt, noch im Dress des Frankfurter FC Viktoria, bevor er zu Werder Bremen gewechselt ist. Foto: Michael Benk

"Alle pfeifen dich aus, ein geiles Gefühl!"

Vom Amateur zum Profi und zurück: Der Frankfurter Tom Schmidt hat bei vielen namenhaften Vereinen gespielt, Profi-Luft geschnuppert und ist jetzt bei Viktoria Berlin in der Regionalliga gelandet.

Werder Bremen, Hertha BSC, Arminia Bielefeld und Hannover 96. Vereine, die jedes Wochenende in aller Munde sind. Welches Fußballkind träumt nicht davon, Teil der Bundesliga zu sein und in einem riesigen Kessel voller Fans aufzulaufen. Tom Schmidt aus Frankfurt hat das erlebt. Und mit FuPa-Brandenburg über seinen Weg und seine Erfahrungen bei den Profis gesprochen.

Die Karriere von Tom Schmidt begann beim Frankfurter FC Viktoria 91. Auf der Sportschule und im Verein erkannte man schnell, dass in ihm das Talent eines erstklassigen Torhüters schlummert. Anfangs war er noch als Feldspieler unterwegs.


Wie kam es dazu, dass du Keeper geworden bist?

„Irgendwann fehlte ein Torwart. Und wie es dann immer so ist, wird der Größte rein gestellt. Das war zur damaligen Zeit nun mal ich.“


Den Trainern scheint dein Auftritt gefallen zu haben.
„Sie sagten: ‚Tom, wir würden dich sehr gern ins Tor stellen.‘ Zuerst war ich ein bisschen skeptisch und dachte nur: ‚Warum gerade ich?‘ Torwart zu sein ist in der Jugend das Langweiligste überhaupt. Damals haben wir alles mit fast zehn Toren Unterschied gewonnen, und wenn du dann plötzlich ins Tor musst, fragst du dich schon, ob es daran liegt, dass es für draußen nicht mehr reicht.“


Bereust du‘s?

„Ich denke, als Feldspieler wäre es für mich nicht so weit gegangen.“


Zum Beispiel bis ins Profiteam von Hannover 96. Wie fühlte sich der erste Einsatz dort an?

„Es war ein Freitagabend-Spiel. Das war genial. Unter Flutlicht vor circa 50 000 Fans in Frankfurt am Main. Ein Kessel. Es war einfach atemberaubend. Wir kamen ins Stadion und wurden gnadenlos ausgepfiffen. Auch wenn du Ersatztorwart bist, einfach alle pfeifen dich aus. Irgendwie ein geiles Gefühl. Und dann noch zu gewinnen. Das ist der Wahnsinn.“


Wie war es, als das Tor zu dem damals wichtigen 1:0-Sieg für Hannover gefallen ist?

„Das war das Krasseste überhaupt. Noch nie habe ich ein Stadion so ruhig erlebt. Es ist einfach genial, wenn du zu einem Auswärtsspiel fährst und vor solch einer Kulisse ein Tor machst. Den Einzigen, den du dann im Stadion hörst, bist du selbst.“


Wann kommt nach so einem Spiel der Ernst des Profi-Alltags zurück?
Wird in der Kabine noch gefeiert nach so wichtigen Siegen?
„Eigentlich nicht. Klar, alle sind gut drauf und man beglückwünscht sich, aber es ist halt der Profibereich. Hier wissen alle, man kann sich kurz freuen, aber in einer Woche geht´s schon weiter.“


Ist das auch einer der großen, wenn nicht sogar der größte, Unterschied zum Unterklassefußball?

„Das ganze Drumherum macht, glaube ich, den größten Unterschied. Du fliegst oder fährst immer einen Tag vorher hin und bist in einem super Hotel. Dir wird alles abgenommen. Du hast nur deinen Koffer, den du tragen musst. Dann kommst du in die Kabine - alles ist vorbereitet. Alle Sachen liegen da: Schuhe, Schienbeinschoner, zwei Trikots - einfach alles, was du brauchst. Es ist alles abgestimmt - Minute für Minute.“


Für dich war der Sprung in den Profikader sicher besonders aufregend, da du zu diesem Zeitpunkt noch sehr jung warst?

„Ja, aber ich glaube, das ist egal. Selbst wenn ich mit 30 das erste Mal ein Bundesligaspiel gemacht hätte, wäre es genauso gewesen.“


Hannover 96 ist nicht die einzige namhafte Station deiner Karriere. Mit 15 bist du vom Frankfurter FC Viktoria 91 in die Jugend von Werder Bremen gewechselt.
Wie ist es dazu gekommen?
„Damals waren Hallenturniere ganz groß. Und wenn du Hallenlandesmeister in Brandenburg geworden bist, ging es zum nächsten Turnier, wo es um die Nord-Ostdeutsche Meisterschaft ging. Hier hatten wir das erste Mal richtig Gegenwehr und ich bekam extrem viel zu tun. Dann war ein Scout von Bremen vor Ort, der mich zwei Wochen später anrief. Er fragte, ob ich nicht zum Probetraining kommen möchte.“


Was ging in dir vor, als du zum ersten Mal für den Klub aufgelaufen bist?

„Es war erstaunlich. Ehrlich gesagt ist mir Bremen vorher nie aufgefallen. Zwar habe ich die Sportschau geguckt, aber niemals darauf geachtet, was gerade bei Bremen los ist. Bevor ich gekommen bin, hatten sie das Double geholt und auf einmal war Werder in aller Munde. Die Stadt voller Euphorie. Jeder, der bei Bremen spielte, war plötzlich supercool - selbst in der Jugend.“

Dann warst du längere Zeit bei Hertha. Wieder ein großer Name. War das ein bewusster Schritt zurück in die Heimat?
„Die Sache war die: In Bremen gab es die Philosophie, dass ein Torhüter 1,90 Meter groß sein muss. Ich bin ab 1,85 Meter nicht mehr gewachsen. Somit wurde mein Vertrag nicht verlängert. Das kam schon sehr überraschend. Zum Glück hatten wir noch ein paar Turniere, wo mich dann Verantwortliche von Hertha fragten, ob ich mir vorstellen kann, zu ihnen zu wechseln. Ich habe darüber nachgedacht, wie schön es wäre, wieder näher an der Heimat zu sein und entschied mich für den Wechsel. Das Internat in Berlin passte gut, auch weil man mit 18 zum Beispiel selbst entscheiden kann, wann man ins Bett geht. Es ist eben deine Karriere. Ich musste mehr Verantwortung für mich selbst übernehmen.“


Hertha, Bremen, Bielefeld, Hannover: Andere Philosophien, andere Sitten. Wo hast du am meisten gelernt? Wer hat dir am meisten beibringen können?
„Das ist echt schwierig. Jeder Verein hat seine Philosophie und du hast die Möglichkeit, dir das Beste von allen herauszupicken. Spielt man die ganze Zeit im selben Verein, verinnerlicht man vielleicht die Philosophie des einen Klubs, aber man verpasst auch viele andere Sachen, denke ich. In Bremen wurde im Torwarttraining viel an der Kraft gearbeitet und bei Hertha habe ich viel über Technik gelernt. Hier war es nicht wichtig, wie weit ich springen kann, sondern wie schnell ich dort hinkomme. Zum Beispiel durch Schrittfolgen und schneller Beinarbeit. Das kam mir sehr entgegen. Die Kombination aus Kraft und Technik hat mich sehr weit gebracht. In Bielefeld war es dann wieder anders. Hier wurde richtiges Männer-Torwarttraining gemacht, Situationen aus dem Spiel nachgestellt und so etwas. Ganz nach dem Motto: Was könnte dann und dann passieren?“


Als du noch beim FC Viktoria Frankfurt gespielt hast: Hast du jemals daran gedacht, dass du solch einen Weg gehen wirst?
„Man hofft es ja immer. Jeder kleine Junge spielt anfangs Fußball, um irgendwann vielleicht oben in der Bundesliga anzukommen. Als ich im Tor landete, in der Landesauswahl spielte und das erste Mal Energie Cottbus anfragte, da dachte ich schon, dass ich vielleicht ein bisschen besser bin als andere in meinem Alter. Dass es am Ende nicht für ganz oben gereicht hat, ist halt so.
Aber du findest von der ersten bis zur sechsten Liga und noch tiefer richtig gute Torhüter. Das beste Beispiel dafür ist der Keeper, der mir im Pokalspiel gegenüberstand. Mit dem Berliner AK spielten wir gegen einen Achtligisten und der hat super gehalten. Das sagt schon einiges über die Qualität unserer Torhüter in Deutschland aus.“


Über den Berliner AK bist du wieder zurück in die Hauptstadt gekommen. Momentan spielst du bei Viktoria Berlin.
Was waren die Gründe für den Wechsel zurück an die Spree? Immerhin gab es in Hannover die Möglichkeit, erstklassig zu spielen.
„Im Sommer, als ich in der Bundesliga auf der Bank saß, kam mir schon der Gedanke, was zu machen. Klar würde man gern höher gehen, aber ich hab auch gesagt, für die Regionalliga würde ich schon gerne zurück nach Berlin. Für mich bedeutet Berlin, wieder zurück zur Familie zu kommen und dass alles einfacher zu regeln sein wird.“


Denkst du manchmal an deine Zeit in Frankfurt zurück?
„Ja, Frankfurt war einfach eine super Zeit. Die Sportschule und das große Ganze waren echt schön. Fünfmal die Woche Training auf hohem Niveau und dann landest du bei einem Profiklub wie Werder Bremen und trainierst auch nur fünfmal. Natürlich ist die Intensität eine andere, aber das bist du dann schon gewohnt. Was Frankfurt aus den bescheidenen Mitteln gemacht hat, ist wirklich das Maximum. Und ich wünsche dem Verein, dass der Aufstieg der ersten Männermannschaft, den ich ihnen immer gewünscht habe, die Stadt mitzieht und die Jugend davon wieder mehr profitiert. Denn die Jugendarbeit in Frankfurt ist echt gut.“


Damals als Junge träumtest du in Frankfurt davon, Profi zu werden. Welche Ziele hat der erwachsene Tom Schmidt heute?
„Mein Ziel ist es, solange Fußball zu spielen, wie es der Körper mitmacht und damit gutes Geld zu verdienen. Man kann schon sagen, dass man als Torwart bis zum 35. Lebensjahr spielt und danach dann noch circa 30 Jahre im Job arbeitet. Das wäre o.k., weil du davor 15 Jahre lang das erleben konntest, was dir gefällt. Wenn das so klappt, wäre ich schon sehr glücklich darüber. Aber ich bin auch realistisch. Wenn es sich finanziell oder familiär nicht mehr lohnt, dann würde ich auch sagen, ich höre auf. Ich habe eine Ausbildung gemacht und bin somit nicht vom Fußball abhängig. Ich kann das Ganze also entspannt angehen und hoffen, dass es reicht, bis ich 35 bin.“

Interview: Thomas Sabin.

Aufrufe: 010.9.2015, 07:30 Uhr
Thomas Sabin und Marc SchützAutor