2024-05-10T08:19:16.237Z

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Tramms Keeper Alex ist geschlagen.   Dieses Tor kassierte der FC bei der 0:10-Niederlage am 4. Spieltag bei der SG Ludwigslust/Grabow II.
Tramms Keeper Alex ist geschlagen. Dieses Tor kassierte der FC bei der 0:10-Niederlage am 4. Spieltag bei der SG Ludwigslust/Grabow II.

Sie wollen doch nur spielen

Der FC Tramm kassierte in 26 Ligaspielen 259 Treffer – doch Deutschlands schlechtestes Fußballteam kämpft weiter für den ersten Sieg

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Wenn alles klappt, dann kann Reiner Völzer bald einen neuen Stürmer präsentieren. Einen, der schon Erfahrung hat und das machen könnte, was beim FC Tramm selten jemand macht: Tore schießen.

Der Schuh beim FC Tramm drückt in der Offensive. Und im Mittelfeld. Und in der Abwehr. Und im Tor. 7:259 Treffer in den 26 Ligaspielen seit Vereinsgründung im Mai 2015. Das drückt auch auf die Stimmung. Da kommt das sonnige Gemüt von Reiner Völzer ganz gelegen. Völzer ist 53 Jahre, trägt einen grauen Bart, eine Brille und jetzt öfter einen Trainingsanzug als früher. Er ist seit zwei Wochen Übungsleiter „von den Jungs“, wie er seine Spieler gerne nennt. Die Vornamen, die hat er sich schon eingeprägt. Den von Kapitän Maximilian, der in der vergangen Saison alle Spiele mitgemacht hat. Den von Alex, der sich immer wieder ins Tor stellt, auch wenn es mal wieder zweistellig wird. Oder den von Ricardo, dem beinharten Verteidiger, der an diesem Abend mit dem Training aussetzt, weil er sein angeschlagenes Knie schonen will. „Kreuzbandriss“, tippt er. „Wäre schon mein zweiter“. Einen Arzttermin hat er später. Vorher will er noch kicken, Sonntag, wenn bei BW Stolpe der erste Punktgewinn der Vereinsgeschichte herausspringen soll.

Anpfiff in Stolpe. Tabellen-Vorletzter Blau-Weiß gegen Liga-Schlusslicht Tramm. Heute, das haben die Trammer im Gefühl, ist etwas zu holen.

Etwas holen, das ist der Trammer Traum. „Ein Remis“, sagen sie, „das wäre wie ein Sieg.“ Das erste Spiel im Sommer 2016 war ein Desaster. 0:11. „Papa, sei nicht traurig“, tröstete ein Junge seinen Vater nach der Partie, „elf Gegentore sind besser als zwölf.“ Es gab eine Pleite nach der anderen und so viele Gegentore, dass der FC Tramm von einer großen Boulevardzeitung eingeladen wurde, beim Turnier der schlechtesten Teams Deutschlands mitzumachen. Die Trammer machten mit, verloren 0:8 gegen den VfR Rauxel und gewannen einen Pokal, der fast so groß ist wie die Trophäe für einen Champions-League-Sieger.

4. Minute, 1:0 für Stolpe: Wenn Tramm die Taktik hatte, lange kein Gegentor zu bekommen, ist sie hinfällig.

Kreisliga Westmecklenburg Mitte. In der untersten Spielklasse in MV gibt es wenig Platz für Glanz, dafür für Fußballplätze, wie der FC Tramm einen hat. Den huckeligen Rasenplatz müssen sich die Trammer mit Maulwürfen teilen. Flutlicht gibt es nicht, dafür eine Umkleidekabine mit dem Charme eines Jugendclubs aus den 1980er-Jahren. Hier sitzen sie nach dem wöchentlichen Training zusammen, trinken ein Bierchen und schütteln den Kopf, wenn sie über 222-Millionen-Euro-Transfers im Profi-Geschäft reden. Das ist von der Fußball-Basis so entfernt weg, wie das 900-Seelen-Dorf Tramm nahe Schwerin vom Großstadtstatus. Hier dreht sich alles um Beträge von 222 Euro für neue Bälle oder einen Trikotsatz in gelb und blau.

Doppelschlag in Stolpe. 3:0 für die Gastgeber. Der Trammer Traum droht schon nach 25 Minuten zu platzen.

Zwei Dutzend Spieler kicken derzeit beim FC . Marcel, der im Sturm ackert, gehört dazu. Ebenso Konrad, der schon mal zwei Gegner hintereinander ausspielen kann. Oder auch Matti, der zuletzt bei der 1:2-Niederlage gegen Rastow zum ersten Mal überhaupt für eine FC-Führung gesorgt hatte. Sie alle verbindet eines: „Wir wollen Spaß haben.“ Mit dem neuen Trainer, sagt Präsident Tobias Scheller, sei auch der Spaß zurück gekommen. Scheller glaubt an den FC Tramm. Er war auch der Erste, der nach der vergangenen Katastrophen-Saison sagte: „Wir machen trotzdem weiter.“

Halbzeit. Mittlerweile steht es 5:0 für die Stolper, die sich ärgern, dass sie nicht noch mehr Tore geschossen haben.

Die aktuelle Saison begann, wie die alte aufgehört hatte: mit einer Pleite. Jetzt ist der neue Trainer Völzer da. Vom Typ her sachlich, ruhig und humorig. Das kommt bei den Spielern an.Handelfmeter für Tramm.

Präsident Scheller behält die Nerven und trifft. 1:5. Coach Völzer jubelt mit den Ersatzspielern. So schön kann Fußball sein.

In der Kreisliga sind sie froh, dass Tramm trotz aller Misserfolge noch nicht aufgegeben hat. „Davor ziehen wir unseren Hut“, sagt Stolpes Trainer Mathias Fichtner. Geht es gegen Tramm, hat die Liga-Konkurrenz nur ein Ziel: Keiner will der Erste sein, der gegen den FC verliert.

Tore am Fließband vor 28 zahlenden Zuschauern in Stolpe. 6:1. 7:1. Das 8:1 ist ein Trammer Eigentor. Ex-Profi Jürgen Wegmann würde jetzt sagen: Zuerst hatten wir kein Glück und dann kam auch noch Pech dazu.

In der Tabelle wieder ganz unten, beim Fairplay wieder ganz weit oben. Kein Team hat bisher weniger Karten kassiert als der FC Tramm.

Abpfiff in Stolpe. Endstand 11:1. Die Trammer sind sich einig: „Wir waren uns zu sicher, dass es heute klappt.“

Am nächsten Spieltag geht es gegen Tabellenführer Marnitz/Suckow. „Das geht dreistellig aus“, prognostiziert Stürmer Marcel. Humor ist, wenn man trotzdem spielt. Und den Spaß am Fußballspiel, den lassen sie sich in Tramm nicht nehmen.

Aufrufe: 04.10.2017, 20:15 Uhr
Hans TakenAutor