2024-05-02T16:12:49.858Z

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Florian Engl (vorn) und seine Steiner sind einigermaßen ratlos. Und obendrein still wie in der ersten Kirchenbank. F: Zink
Florian Engl (vorn) und seine Steiner sind einigermaßen ratlos. Und obendrein still wie in der ersten Kirchenbank. F: Zink

Die traurige Beerdigungsgesellschaft vom FC Stein

Beim Bezirksliga-Schlusslicht bangen sie wieder um den Klassenerhalt, so sehr, dass der Abteilungsleiter überlegt, hinzuschmeißen

Er hat sie gerettet in der vergangenen Saison, als jeder den FC Stein schon abgeschrieben hatte. Dann trat Dirk Schaefer zurück ins zweite Glied und war sich sicher, dass er so ein Jahr nicht noch einmal erleben muss. Nun ist der FC Stein schon wieder Schluss­licht. „Mich kostet das alles Nerven“, sagt er und überlegt, hinzuwerfen.

Endlich konnte Dirk Schaefer sich mal wieder zurücklehnen. Zurückleh­nen, die Herbstsonne genießen, den Amateurfußball, den er so liebt, und vor allem seinen FC Stein, der ihm so sehr ans Herz gewachsen ist, dass er vergangenen Saison noch einmal als Feuerwehrmann einsprang, obwohl es beruflich eigentlich gar nicht realisier­bar ist. Schaefer ist Polizist, bei jedem Heimspiel des 1.FC Nürnberg sorgt er für Sicherheit, „das ist Stress“, sagt der 49-Jährige.

Den baut Dirk Schaefer am liebsten auf dem Fußballplatz ab. Seitdem er selbst nicht mehr spielt eben als Abtei­lungsleiter in Stein. Doch von Ent­spannung kann da seit gut einem Jahr keine Rede mehr sein. Auch am Sonn­tag konnte Schaefer die Sonne und das Spiel seiner Jungs nur 25 Minuten lang genießen — 2:0 führte der FC Stein gegen den TSV Burgfarrnbach. „Dann brachen plötzlich alle Däm­me“, sagt Schaefer, 2:7 stand es am Ende. „Wir haben uns nicht einmal ge­wehrt, waren völlig lethargisch. Das verstehe ich nicht — Fußball ist ein Kampfspiel. Nur bei uns nicht.“ Nicht nur, dass Stein tief im Tabel­lenkeller feststeckt, die Einstellung der Spieler macht Schaefer die größ­ten Sorgen. „Bei der Umfrage vor der Saison habe ich gesagt, dass die Jungs aus der Situation gelernt haben, dass wir so ’was nicht noch einmal erleben. Jetzt muss ich sagen: Wir sind offen­bar ins alte Muster zurückverfallen.“ Als Dirk Schaefer das Team als Inte­rimstrainer übernahm, hatten viele die Mannschaft schon abgeschrieben. Mit vielen Einzelgesprächen, Appel­len an die Ehre und einem kräftigen Schlussspurt schaffte Stein noch die kleine Sensation und hielt die Bezirks­liga. Es gibt Bilder, die zeigen Dirk Schaefer nach dem Schlusspfiff in einem Pulk mit seinen Spielern auf dem Rasen kugeln. Voller Glück und Freude. Es sind Bilder von gestern.

Acht Mann im gemeinsamen Trai­ning von erster und zweiter Mann­schaft, Spieler, die während der Sai­son vier Wochen in den Urlaub ver­schwinden, andere, von denen man gar nicht weiß, warum sie eigentlich fehlen - „wir sind da ein wenig rat­los“, sagt Schaefer jetzt wieder. Der FC Stein ist Schlusslicht, neun Punk­te gab es erst aus elf Spielen.

Am Training und am Trainer liegt es nicht, da ist sich der Abteilungslei­ter sicher. Auch wenn bereits die ers­ten Mitglieder einen Trainerwechsel ins Gespräch bringen - Michael Lauth, der neue Coach, ist für Schae­fer unantastbar. „Von denen, die meckern“, sagt er, „war noch nie jemand im Training dabei.“ Der Trai­ner und ehemalige Torwart leiste her­vorragende Arbeit. Auch am Sonntag war das wieder so, als Lauth in der Pause sogar eine kurze Brandrede hielt. „Als der Trainer rausging“, sagt Schaefer, „ist aber niemand aufgestan­den und hat gesagt: So geht’s nicht weiter. Es war so still wie in der ersten Kirchenbank. Wir treten auf wie eine Beerdigungsgesellschaft.“

17 Neuzugänge, kein Anführer

17 Neuzugänge haben sie geholt. Ein Anführer war nicht dabei. „Die wollen Kohle, die haben wir in Stein aber nicht“, sagt Schaefer. Er ist über­zeugt, dass die Mannschaft das Zeug hat, um die Bezirksliga zu halten. „Die Arbeit des Trainers trägt noch nicht die Früchte, die sie verdient.“ Der Knoten soll platzen, egal wie. „Sonst“, sagt Dirk Schaefer halb im Spaß, „holen wir mal einen Psycholo­gen.“ Den braucht er bald selbst: „Mir macht die Situation sehr zu schaffen.“ Sollte keine Besserung eintreten, sagt Schaefer, hat er schon mit dem Gedan­ken gespielt alles hinzuwerfen. „Mich kostet das alles Nerven, ich bin gefrus­tet - aber dann? Das bringt uns auch nicht weiter.“ Also wird Dirk Schaefer auch kom­mende Woche wieder am Rand stehen und seinen Jungs zuschauen. Viel­leicht kann er das Spiel dann endlich mal 90 Minuten lang genießen. Voraus­gesetzt, die Spieler verstehen endlich, worum es geht. Und der Club spielt nicht zeitgleich.

Aufrufe: 013.10.2015, 11:49 Uhr
Christoph BeneschAutor