2024-04-30T13:48:59.170Z

Interview
Guy Lamesch bei seiner Wortmeldung zum Thema Jugendtransfers beim FLF-Kongrss 2020 -
Guy Lamesch bei seiner Wortmeldung zum Thema Jugendtransfers beim FLF-Kongrss 2020 - – Foto: www.paulmedia.lu (Archiv)

"Gute Spieler werden mit ein paar Euro zu anderen Vereinen gelockt"

Guy Lamesch, Vorsitzender des FC Red Star Merl-Belair, stand FuPa Luxemburg in einem Telefoninterview Rede und Antwort

Herr Lamesch, wieviel Stress auf administrativer Ebene hat ihnen das Corona-Jahr 2020 in ihrem Verein bereitet?

Es war auf jeden Fall eine andere Sorte Stress. Auf organisatorischer Ebene war es schwer, vernünftig zu planen, da immer wieder neue Maßnahmen in Kraft getreten waren. Als wir aber z.B. die sanitären Konzepte bei den Trainingseinheiten umgesetzt hatten, ging dies irgendwann wie von selbst. Ansonsten hatten wir eigentlich nicht so viel zu tun, da die Saison ja schnell wieder unterbrochen werden musste.


Macht sich die fehlende Planungssicherheit bei Merl-Belair in rückläufigen Neuanmeldungen oder zunehmenden Vereinsaustritten bemerkbar?

Im Jugendbereich haben wir den ganzen Sommer über trainiert. Während der Zeit hatten wir eigentlich so viele Neueinschreibungen wie in der Saison zuvor. Wir hatten auch die gleiche Anzahl an Mannschaften gemeldet, als im September die Meisterschaft wieder losging. In der Folge mussten wir aber eine Minimes-Mannschaft zurückziehen, da sich in der Kategorie einige Jungs entschieden hatten, aufzuhören. Manchen war es dann doch zu unsicher, am Training teilzunehmen. Dies war schon auch durch Covid 19 bedingt.


Denkt man darüber nach, diese Mannschaft wieder anzumelden, falls die Situation irgendwann wieder besser ist?

Wir hatten drei Minimes-Teams, jetzt haben wir also noch zwei, deshalb war das für uns nicht so dramatisch. Wahrscheinlich wird 2021 auch noch ein schwieriges Jahr für den Fußball, da niemand weiß, wie es weitergehen wird. Wenn der Spielbetrieb im September wieder normal anlaufen sollte, gehe ich davon aus, dass wieder die gleiche Anzahl an Kindern wieder Fußball spielen möchte. Ich denke nicht, dass das Interesse am Fußball verloren gehen wird, die Kinder spielen ja gerne!


Laut flf.lu hat Ihr Club 19 Mannschaften bei der FLF eingeschrieben. Ihr seid damit neben Racing der größte Verein in Luxemburg-Stadt. Reichen eure Infrastrukturen mit zwei Kunstrasenplätzen dafür überhaupt aus? Und was passiert, wenn der Nebenplatz des Stade Josy Barthel verschwindet?

Die zwei Plätze reichen nicht aus! Zeitweise trainieren zwei Mannschaften auf nur einer Hälfte eines Spielfeldes und das ist nicht ideal. Wir versuchen mit dem, was wir haben, klar zu kommen. Gegenüber anderen Vereinen aus der Hauptstadt, die weniger eingeschriebene Mannschaften haben als wir und über mehr Spielfelder verfügen, sind die Plätze nicht ganz gerecht aufgeteilt. Die Stadt hat sich in der Hinsicht noch nicht bewegt, um daran etwas zu ändern.

Wenn das Stade Josy Barthel verschwindet, haben wir aber die Garantie der Stadt, dass der Nebenplatz, über den wir ja verfügen, so lange dort bleiben wird, bis wir einen neuen, zweiten Platz bekommen haben. Die Stadt Luxemburg prüft, ob dieser neue Platz neben unserem Stade Prince Jean in Merl angelegt werden kann. Dies würde über eventuell einen Grundstückstausch möglich werden.


Wie sieht es mit dem Platz in Hollerich aus? Der liegt ja ebenfalls in eurem Einzugsgebiet.

Das wäre durchaus eine Lösung, wenn der eben erwähnte Bau eines zweiten Platzes in Merl nicht zustande käme. Hollerich ist ja eigentlich wie Merl und Belair unser Stadtteil. Aber die Priorität ist definitiv das Anlegen eines Spielfeldes in Merl und in dem Zusammenhang stehen wir regelmäßig mit der Stadt in Verbindung.


Sie und Ihr Amtskollege Jean-Marie Mossong aus Gasperich kritisieren seit drei Jahren beim jährlichen FLF-Kongress die aktuelle Praxis bei Jugendtransfers. Wo hakt es Ihrer Meinung nach?

Die in der FLF-Satzung festgelegten Transfersummen und Ausbildungsentschädigungen reichen einfach nicht aus, um die Arbeit, die man investiert hat, abzudecken. Und am Ende verliert man seine eigenen Spieler. Uns erging es so, als wir 2017 die „Coupe FLF“ gewonnen hatten. Damals hatten wir etliche junge Eigengewächse in unserer Mannschaft. Zwei Jahre später war keiner der sechzehn Spieler mehr bei uns in Merl! Die Ablösesummen, die wir für diese Abgänge erhielten, waren einfach lächerlich! Man bekommt nie das zurück, was man an Arbeit investiert hat! Das ist eines unserer größten Probleme im Verein, da wir eine große Jugend haben und einen Großteil auch in die Ausbildung stecken. Am Ende sehen wir aber kaum ein Ergebnis, da die guten Spieler mit ein paar Euro zu anderen Vereinen gelockt werden.

Unsere erste Mannschaft profitiert somit nicht von der Vorarbeit, die über Jahre geleistet wurde. Neben dem Erhöhen der Ablösesummen fordern wird auch schon seit längerem die Einführung einer „JT“-Regelung (d.Red.: eine Begrenzung transferierter Spieler) im Jugendbereich. Heute ist man ja bis zum Alter von 23 Jahren kein „JT“ und diese Regelung hilft uns in Merl ebenfalls nicht. Die Konsequenz ist, dass diese jungen Spieler von anderen Clubs verpflichtet werden, um das Kontingent der sieben Erstlizenzierten aufzufüllen. So hängt alles zusammen. Es ist aber auch schwierig, mehrere Vereine an einen Tisch zu bekommen, da unser konkretes Problem in Merl eines ist, das die meisten Clubs selber nicht haben. Wenn ich richtig informiert bin, gibt es nämlich nur 24 Vereine, die Jugendspieler in sämtlichen Kategorien von den Bambinis bis zu den Junioren ausbilden.


Wir sprachen jetzt vom oberen Ende der Pyramide. Herr Mossong forderte eine Transfersperre für das untere Ende, nämlich die Bambinis und Pupilles. Wäre eine solche überhaupt realistisch umzusetzen?

Was Herr Mossong meinte ist wohl, dass andere Clubs schon früh, eben bei den Bambinis oder Pupilles, anfangen, Spieler zu transferieren. Oft werden dann die Eltern angesprochen und diese sind dann froh, wenn ihr Kind dann bei einem größeren Verein spielen kann. Das Wichtigste für die Kinder sollte ja sein, dass sie in ihrem Freundeskreis bleiben und mit ihren Freunden Fußball spielen. Es gilt sich zu überlegen, ob man dann eben eine solche Transfersperre bis z.B. einschließlich Poussins einführt und Jugendspieler erst ab Minimes wechseln dürfen. Das wäre auch sinnvoll da sie in dem Alter auch von der Grundschule ins Lyzeum wechseln, wo sie dann oft auch neue Freunde kennenlernen.


Es geht also hauptsächlich um Spieler, die bereits in jungen Jahren von anderen Clubs abgeworben werden. Ist das ein Hinweis darauf, dass Vereine oft nur als Dienstleister wahrgenommen werden oder gibt es für Sie noch andere Gründe, weshalb sich Eltern für einen Vereinswechsel ihrer Kinder entscheiden?

Dafür gibt es viele Gründe. Die wirklichen Vereinsmenschen findet man aber immer seltener. Von verschiedenen Leuten werden Sportvereine als eine Art Kindertagesstätte angesehen. Anderen reicht es dann nicht, bei einem Club wie dem Red Star Merl-Belair zu spielen, da muss es dann schon ein großer Name wie Hesperingen oder Racing sein, um nur zwei Beispiele zu nennen.


Gibt es noch andere Lösungsansätze, die sie vorschlagen?

Eine optimale Lösung gibt es wahrscheinlich nicht. Der Verband müsste aber unbedingt eine Diskussion mit den Vereinen anfangen, das hatte ich in meiner Rede beim letzten Kongress auch schon angeregt. Es muss über das Thema gesprochen werden! Bei einem solchen Brainstorming kämen ja bestimmt viele Ideen auf die Tapete, mit denen man arbeiten könnte. Doch die Jugendkommission der FLF ist ja quasi inexistent! Die kümmern sich nur um ihre Jugendauswahlen und damit hat es sich. Über die Probleme in der Jugendausbildung der Vereine wurde dagegen noch nie gesprochen! Es sieht so aus, als sei dieses Thema dem Verband bisher relativ egal gewesen. Zumindest hat Herr Philipp angedeutet, dass er sich jetzt darum kümmern wolle.


Spiegelt ihre Aussage das wider, was Sie beim FLF-Kongress angesprochen hatten, nämlich, dass Sie auf taube Ohren stoßen?

Das war bisher in der Tat der Fall. Wir haben unsere Anliegen ja regelmäßig vorgetragen um darauf aufmerksam zumachen. Unser Verein wurde auch zwei- oder dreimal zu einer Unterredung zum Verband gerufen. Dort konnten wir zwar alles, was uns auf dem Herzen liegt, nochmal individuell darlegen. Aber man hatte den Eindruck, als würde man uns nicht richtig zuhören.


Herr Lamesch, vielen Dank für das ausführliche Gespräch!


Aufrufe: 09.1.2021, 10:00 Uhr
Paul KrierAutor