2024-04-24T13:20:38.835Z

Interview
– Foto: FuPa Lüneburg

„Es wäre völlig fehl am Platz, der Profi-Zeit nachzutrauern“

Clemens Schoppenhauer im Interview

Clemens Schoppenhauer hat seine Karriere als Profi im Sommer beendet. Ganz vom Fußball kommt der aus Loxstedt stammende Innenverteidiger jedoch nicht los: Als Kapitän bringt der 28-Jährige seine unter anderem bei Werder Bremen, dem FC St. Pauli, den Würzburger Kickers und zuletzt dem Chemnitzer FC gesammelten Erfahrungen beim Regionalliga-Aufsteiger FC Oberneuland ein. Über die starke Saison des Bremer Stadtteilclubs, die Auswirkungen von Corona auf den Amateurfußball und seine berufliche Neuorientierung spricht der in Lilienthal lebende Familienvater im Interview mit Dietmar Rose.

Clemens, Sie erleben zum zweiten Mal in diesem Jahr den Lockdown. Kocht da Ihre Fußballer-Seele oder nehmen Sie es mit Blick auf die Zwänge der Pandemie gelassen? Ich nehme das schon noch gelassen hin. Mein Blickwinkel hat sich ja auch geändert, weil Fußball nicht mehr mein Beruf ist, sondern mein Hobby. Natürlich würde ich lieber weiterspielen, weil wir gerade einen guten Lauf hatten.

Was ist an Training noch möglich, es war von einer Lauf-App die Rede, die die FCO-Spieler nutzen sollen? Laufen ist im Moment so ziemlich das Einzige, was möglich ist. Jeder kann sich sicher auch einen Ball schnappen und ein bisschen rumkicken. Krafttraining kann man auch alleine machen. Ich glaube, es gibt immer Mittel und Wege, wie man eine solche Zeit überbrücken und sich fit halten kann. Das muss von einem selbst kommen, intrinsisch in einem drin sein: Was willst du und was bist du bereit, dafür zu tun?

Der Trainingsaufwand ist bei einem Regionalligisten wie dem FCO wahrscheinlich deutlich geringer, als er bei einem Drittligisten wie dem Chemnitzer FC, Ihrer letzten Profi-Station, gewesen ist? So groß sind die Unterschiede gar nicht. Wenn nicht gerade Corona-Pause ist, trainieren wir viermal in der Woche. Dazu kommt das Spiel am Wochenende. Das ist für einen Nebenberuf nicht ohne. Die Belastung ist für mich höher, als wenn ich nur Fußball spielen würde. Ich ziehe den Hut vor den Jungs, die dieses Pensum seit Jahren auf sich nehmen.

Wie sehen Sie das, dass die U23-Teams von Werder Bremen und vom VfL Wolfsburg als Profi-Teams im November weitertrainieren dürfen, während andere Regionalligisten wie der FCO sich individuell fit halten müssen? Darin kann man schon eine leichte Wettbewerbsverzerrung sehen. Aber für mich ist das der Unterbau der Profis. Die U23 ist auch eine Profi-Mannschaft, das ist deren Beruf. Dann muss man ihnen auch die Gelegenheit geben, diesen Beruf auszuüben. Da spricht von meiner Seite aus nichts dagegen. Wir müssen auf uns schauen und wie wir uns fit halten und nicht darauf, was andere dürfen oder nicht dürfen.

Gehen Sie davon aus, dass in diesem Jahr noch Punktspiele stattfinden werden? Das kann ich mir nicht vorstellen. Meine Vermutung ist, dass die Staffeln abgebrochen werden. Man wird versuchen, die Spiele nachzuholen, die noch ausstehen, damit jeder auf einem Stand ist. Danach kann man abbrechen und in die Auf- und Abstiegsrunde gehen. Damit würde das Konzept des Norddeutschen Fußball-Verbandes optimal aufgehen.

Oberneuland war zuletzt in der Saison 2012/2013 in der Regionalliga. Dem Aufsteiger ist wenig zugetraut worden. Sind Sie mit dem bisherigen Saisonverlauf einverstanden? Absolut. Die Mannschaft hat unheimlich schnell angenommen, was die Regionalliga und auch ich eingefordert haben. Wir sind in den meisten Spielen auf Augenhöhe oder sogar besser als der Gegner gewesen. Ich denke, die wenigsten hätten uns zugetraut, dass wir in der Hinrunde zwölf Punkte holen würden. Der eine oder andere Punkt hätte es sogar mehr sein können, aber wir können zufrieden sein.

Zahlt es sich aus Ihrer Sicht aus, dass der Kern der Bremen-Liga-Truppe geblieben ist und nur punktuell durch Neuzugänge wie Ihnen verstärkt wurde? Ja, das ist ein großer Vorteil, auch wenn es für den einen oder anderen eine große Umstellung war. Aber man hat ja an Atlas Delmenhorst gesehen, dass dort auf dem Transfermarkt viel gemacht worden ist, aber dass das keine Garantie für Erfolg ist. In Oberneuland ist nun mal kein Geld vorhanden. Da muss man andere Stärken ausspielen, auf die eigene Motivation setzen. Die Jungs kennen sich alle schon lange, wissen genau, was der Trainer einfordert und sind alle für die Verhältnisse fit. Das ist überragend.

Wie sieht Ihre Rolle aus, als Kapitän mit Profi-Erfahrung? Ich wurde hier super aufgenommen, das ist eine richtig lustige Truppe. Es gibt auch sicherlich mal Reibereien, weil wir verschiedene Ansichten haben. Aber ich finde, dass so was auch dazugehört. Zum einen, dass die Jungs nicht alles von mir schlucken. Zum anderen, dass ich das, was ich ihnen mitgeben möchte, auch einfordern kann. Darauf mussten sich beide Seiten erst mal einstellen, da sind unterschiedliche Ansichten aufeinandergetroffen. Aber ich finde, dass wir einen sehr guten Weg für uns gefunden haben und harmonieren. Das spiegelt sich in den Erfolgen, die wir jetzt schon feiern konnten, wider.

Dem FCO haftete in der Micheli-Ära der Ruf des Chaos-Vereins an. Hat sich das geändert und kann sich der Verein auf Dauer in der Regionalliga etablieren? Was das Image betrifft, bin ich nicht so in der Bremer Fußball-Szene vernetzt, dass ich das beurteilen könnte. Ich kann aber einschätzen, was für Arbeit hier geleistet wird. Unser Trainer Kristian Arambasic arbeitet nicht nur viel mit der Mannschaft, sondern ist auch bei allen Sachen drumherum mit großem Aufwand dabei. Das ist schon enorm. Mit Günter Herrmann haben wir einen weiteren wichtigen Mann an Bord. Ich kann mir schon vorstellen, dass wir uns als zweite Kraft neben dem Leuchtturm Werder etablieren können. Das wäre ja auch zu wünschen, Bremen ist immerhin eine Großstadt. Woanders, nehmen wir Hannover mit dem HSC und dem TSV Havelse im Umland als Beispiel, geht das ja auch.

Sie haben es angesprochen, dass Fußball nur noch ein Hobby für Sie ist. Wohin geht die Reise denn beruflich bei Ihnen? Ich bin für eine Übergangszeit, um mir einen Überblick zu verschaffen, bei Florian Wellmann (Bremer Immobilienunternehmen, Anmerkung der Redaktion) mit im Büro. Nicht als Immobilienmakler, sondern als Kundenbetreuer. Das läuft im Moment auf Minijob-Ebene. Es macht unheimlich viel Spaß, ich lerne eine Menge, das Team ist super. Für mich ist es nach dem Fußball ein toller Einblick ins Berufsleben.

Ich habe den Eindruck, dass Sie dieses neue Leben engagiert annehmen. Wehmut über das Ende der Profi-Laufbahn höre ich jedenfalls nicht raus. Ja, diesen Schritt haben wir ja auch in der Familie bewusst gewählt. Da wäre es für mich auch völlig fehl am Platz, der Zeit nachzutrauern. Ich freue mich auf das, was jetzt kommt, bin aber auch dankbar für das, was war. Diese Profi-Zeit war sehr schön, aber alles hat seine Zeit. Jetzt kommt wieder was anderes.

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Aufrufe: 019.11.2020, 09:15 Uhr
/Nordsee-Zeitung/ Dietmar RoseAutor