2024-04-23T06:39:20.694Z

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Architekten des Erfolgs: die Trainer Klaus (links) und Benjamin Gallmann | Foto: Patrick Seeger
Architekten des Erfolgs: die Trainer Klaus (links) und Benjamin Gallmann | Foto: Patrick Seeger

Kein Platz für Zweifel beim FC Neustadt

Verbandsliga-Aufsteiger beendet die Herbstrunde auf einem Nichtabstiegsplatz – das soll im Frühjahr so bleiben

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Als Benjamin und Klaus Gallmann Kinder waren und im Sommer tagtäglich auf dem Bolzplatz in Riedern (Gemeinde Ühlingen-Birkendorf) gekickt haben, kamen die Brüder nicht immer gut miteinander aus. Anders ausgedrückt: Es gab öfters Streit. "Wir sind beide schlechte Verlierer und deshalb kam es zu Streit, wenn wir in verschiedenen Mannschaften waren", erzählt Benjamin Gallmann. Mittlerweile sind sie älter und reifer, sie haben den gleichen Beruf und ihre Fußball-Philosophie ist annähernd deckungsgleich. Und sie ziehen am gleichen Strang.
Seit dem Sommer wirken sie als Trainerduo beim Verbandsliga-Aufsteiger FC Neustadt, den Klaus Gallmann als Trainer-Jungspund mit 26 Jahren allein in die höchste südbadische Spielklasse geführt hat. Die neue Konstellation als Trainergespann, die andernorts schon oft scheiterte, hat sich vor allem in der schwierigen Anfangsphase als Glücksfall erwiesen. Die Blauen bekamen in den ersten Spielen die Hucke voll, dann folgte eine Serie unglücklicher Niederlagen - nach acht Spieltagen stand der Aufsteiger immer noch ohne Punkte da. "Eine schwere Hypothek", sagt Benjamin Gallmann. In dieser schwierigen Phase gab der eine Bruder dem anderen Halt. Sie stützten sich auch gegenseitig, derartige Turbulenzen lassen sich gemeinsam besser ertragen als allein.

"Fehler sind erlaubt, aber dieselben darf man nicht immer wieder machen."
Trainer Benjamin Gallmann

Trainer und Mannschaft waren mit großen Erwartungen im August in der neuen Spielklasse angetreten. "Es ist absolut traumhaft, in dieser Liga dabei sein zu dürfen. Es sind andere Gegner und andere Spielstätten - einfach traumhaft", findet Klaus Gallmann. Der FC Neustadt hat sich länger auf den Saisonstart als jede andere Mannschaft im 19er-Feld vorbereitet - und dann das: 0:4 in Denzlingen, 2:4 gegen Kehl, 2:4 in Kuppenheim und 0:4 gegen Stadelhofen. Trainer müssen Zuversicht und Optimismus ausstrahlen, immer und überall, aber nach der Niederlage gegen Stadelhofen bekam Klaus Gallmanns Zuversicht kleine Risse. Die Brüder sehen in Mitaufsteiger Stadelhofen einen potenziellen Konkurrenten im Kampf um den Ligaverbleib, deshalb sollte in diesem Spiel der Knoten aufgehen. Unbedingt. Ging er aber nicht, das tat Klaus Gallmann richtig weh: "Wir hatten große Erwartungen, umso größer war die Enttäuschung, als es nach 45 Minuten schon 0:4 stand. Es war für mich die enttäuschendste Leistung, seit ich Trainer beim FC Neustadt bin." Bruder Benjamin Gallmann sagt: "Viele werden es mir nicht glauben, aber ich hatte nie Zweifel, dass wir die Kurve kriegen. Wenn ein Trainer zweifelt, ist das der Anfang vom Ende. Zweifel haben in meinen Gedanken keinen Platz." Er sah in der wöchentlichen Trainingsarbeit, wie sich die Spieler reinhängten, wie sie schufteten und wie sie sich quälten. Einer der Leitsätze des ehemaligen Verbandsligaspielers ist: "Wer hart und akribisch arbeitet, wird irgendwann dafür belohnt."

Die Defizite des Aufsteigers waren allerdings offenkundig: Der FC Neustadt hatte Probleme mit dem deutlich höheren Spieltempo in der Verbandsliga; die Organisation funktionierte noch nicht reibungslos, ebenso die Abstimmung der Mannschaftsteile; das Umschaltspiel in beide Richtungen war zu behäbig, die Entschlossenheit in den Zweikämpfen steigerungsfähig. Doch kein Lernen ohne Lehrstunde, der FC Neustadt nahm gleich einige davon. "Fehler sind erlaubt", sagt Benjamin Gallmann, "aber dieselben darf man nicht immer wieder machen und es muss ein Reifeprozess erkennbar sein".

Tatsächlich gab es anschließend einige zaghafte Signale, dass sich der Patient auf dem Weg der Besserung befindet. In Bad Dürrheim hielt die Mannschaft lange ein 0:0, ebenso gegen den FC Auggen - beide Spiele gingen durch späte Gegentore mit 0:1 verloren. Nach acht Niederlagen wurde der Tabellenletzte FC Neustadt als erster Absteiger gehandelt, sogar der Prügelknabe der Liga, der FC Bötzingen, der in Villingen zweistellig verlor, hatte mehr Punkte als das Team aus der Wälderstadt.

Das Spiel bei Solvay Freiburg brachte die Wende. Nach schwachen ersten 45 Minuten und einem 1:2-Rückstand nahmen die Trainerbrüder ihre Spieler in der Halbzeitpause ins Gebet. Eine Ansprache mit Wirkung: Die Blauen gewannen 4:3 und sicherten sich die ersten Punkte. "Da hat die Mannschaft gesehen, dass etwas geht in dieser Liga. Die acht Niederlagen zuvor waren für den Entwicklungsprozess jedoch notwendig. Wir und die Spieler haben daraus die richtigen Schlüsse gezogen", sagt Klaus Gallmann.

25 Punkte hat die Mannschaft seit dem neunten Spieltag angehäuft, das sind fast zwei Punkte pro Spiel. "Das ist nicht die Bilanz eines Absteigers", sagt Benjamin Gallmann, "die Entwicklung der Mannschaft ist herausragend". Nach dem letzten Pflichtspiel des Jahres in Stadelhofen (0:0) steht die Neustädter Mannschaft erstmals in dieser Saison auf einen Nichtabstiegsplatz. "Wir sind mit dem Erreichten zufrieden. Wir haben uns 25 Punkte bis zur Winterpause zum Ziel gesetzt. Die haben wir erreicht, auch wenn nicht absehbar war, dass es zu so einer krassen Zweiteilung von Misserfolg und Erfolg kommt."

Schlüsselspiele waren die Siege gegen Rielasingen-Arlen (2:0) und Linx (2:1), die beide den besseren Verbandsligateams zugerechnet werden. Die Neustädter Mannschaft hat in diesen Duellen erkannt, dass sie über einen Do-it-yourself-Baukasten verfügt, um auch personell besser besetzte Verbandsligisten in die Knie zu zwingen: Das Spiel gegen den Ball hat sich extrem verbessert und bildet das Fundament. Ballsicherheit, Handlungsschnelligkeit und Spielintelligenz haben sich ebenso deutlich erhöht wie Laufbereitschaft und Aggressivität. Zudem verfügt die Mannschaft über ein ausgeprägtes Wir-Gefühl. "In schwierigen Phasen zeigt sich der Charakter einer Mannschaft und da können wir vor unserem Team nur den Hut ziehen", sagt Benjamin Gallmann.

"Wir setzen alles daran, dass wir wieder in dieser Liga mitmachen dürfen."
Trainer Klaus Gallmann

Eine unerschütterliche Teammoral demonstrierte die Neustädter Mannschaft auch im letzten Heimspiel vor der Winterpause gegen den SV Kuppenheim. Der Gegner glich in der Schlussphase zum 3:3 aus und bekam einen Elfmeter zugesprochen, obwohl der FC Neustadt schon 3:0 enteilt war. Torwart Simon Gantert wehrte den Strafstoß ab, die Blauen, die fast schon am Boden lagen, standen wieder auf und gewannen mit 5:3.

Vier Wochen Pause gönnt sich der Schwarzwälder Verbandsligist und steigt am 14. Januar wieder ins Training ein. Benjamin Gallmann prophezeit im Kampf um den Klassenerhalt "ein Herzschlagfinale", die Teams im hinteren Mittelfeld liegen eng beisammenliegen. "Wir werden aber alles daransetzen, dass wir auch in der nächsten Saison wieder in dieser Liga mitmachen dürfen", verspricht Klaus Gallmann. Denn schlechte Verlierer sind sie noch immer.
Aufrufe: 013.12.2016, 00:00 Uhr
Jürgen Ruoff (BZ)Autor