2024-05-02T16:12:49.858Z

Vereinsnachrichten
F: Zimmer
F: Zimmer

FC Gütersloh - Chaotische Folge von finanziellen Krisen

FC Gütersloh 2000: Chronik im Spiegel der NW-Schlagzeilen. Wie der neue Verein nach der Insolvenz des FCG von 1978 e.V. schon bei der Geburt zu kämpfen hatte und nie auf einen grünen Zweig kam

Verlinkte Inhalte

Ob der FC Gütersloh noch eine Zukunft hat, bleibt vorerst offen. Um die gegenwärtige Situation zu verstehen, hilft die Erinnerung an die Vergangenheit. Nach der Insolvenz des alten FC Gütersloh von 1978 am 14. Februar 2000 verlief schon die Geburt des neuen Vereins nicht ohne Probleme. Wie es danach mit dem FCG 2000 weiterging, zeigen die Schlagzeilen in der Neuen Westfälischen zu markanten Stationen der 17 Jahre. Sie spiegeln eine Geschichte wieder, die abseits des sportlichen Geschehens vor allem aus einer chaotisch anmutenden Aneinanderreihung finanzieller Krisen besteht.
„FC Gütersloh 2000 gegründet“ - 18. Februar 2000
In einer Stimmung voller Euphorie schaffen 150 Mitglieder die Voraussetzung für ein „Wunder“. Mit dieser Vokabel bezeichnet Dr. Rainer Schils das Gelingen seines juristisch umstrittenen Plans, den höherklassigen Fußball trotz der Pleite des FC Gütersloh zu retten. Aus der Taufe gehoben wird dazu im Brauhaus um 18.54 Uhr unter Riesenbeifall der „FC Gütersloh 2000“. Zum Gründungsvorstand wählt die Versammlung Frank Welsch und Reinhard Beckord. „FCG 2000 strebt die Landesliga an“ - 23. März 2000
Die Mitglieder machen die Fusion des alten und des neuen Vereins formal perfekt. Der geplante Start in der Oberliga scheitert an den vom DFB einzutreibenden Beitragsschulden in Höhe von mindestens 780.000 Mark für die Verwaltungsberufsgenossenschaft, größtenteils verursacht durch die vom Regionalliga-Spielbetrieb abgemeldete „Profimannschaft“. Der FCG 2000 hofft, die Einstufung in die Landesliga zu erreichen, indem er sich zur Übernahme der 100.000 Mark verpflichtet, die nicht der alten 1. Mannschaft zuzuordnen sind. „In vorletzter Minute“ - 18. Mai 2000
Das Präsidium des westfälischen Verbandes stimmt dem kurz vor Toreschluss eingereichten Fusionsantrag des FCG 2000 zu und gestattet ihm den Start in der Oberliga. Der neue Verein hatte sich zuvor verpflichtet, sämtliche vom alten FCG nicht bezahlten Beiträge zur
Verwaltungsberufsgenossenschaft an den DFB zu entrichten, insgesamt rund 900.000 Mark. „Bestätigung für den FC Gütersloh“ - 10. Juli 2000
Über 1.000 Zuschauer kommen zur offiziellen Saisoneröffnung ins Heidewaldstadion, wo Trainer Georg Kreß einen Kader von 24 Spielern präsentiert, darunter mit Ralf Lewe, Dirk Konerding und Andreas Jakobtorweihen auch drei aus dem ehemaligen Zweitligaaufgebot. „Traumstart vor 3.500 Zuschauern“ - 14. August 2000
Im ersten Oberligaspiel feiert der FCG im Heidewald mit dem 1:0-Sieg über Westfalia Herne ein wahres Fußballfest. Schütze des historischen Treffers in der 46. Minute ist Michael Lorenz. „Kampagne mit Blecheimer und Ei“ - 22. September 2000
Die Weltmeister AG aus Hamburg präsentiert einen Kinospot und Plakatwerbung für den FCG. Produzent ist der gebürtige Gütersloher Maik Nöcker. „FCG distanziert sich von Geheimfilm“ - 26. September 2000
Präsident Frank Welsch reagiert mit Ablehnung auf einen nur den Sponsoren präsentierten zweiten Werbespot, dem so genannten „Pinkel- Video“, das sich über die Gemeinde Verl und den SC Verl lustig macht. Pointe des kurzen Streifens ist die Texteinblendung: „Bald sehen wir uns wieder.“ „Höherer Etat soll gleichen Kader halten“ - 8. Februar 2001
Der FC Gütersloh plant für die neue Saison mit einem Etat von knapp 1,8 Millionen Mark. „Noch haben wir das Geld natürlich nicht, aber wir sind nach realistischer Kalkulation ziemlich sicher, dass wir es zusammenbekommen, wenn wir uns sehr anstrengen“, erklärt Welsch. Das erste Jahr werde der Verein zum 30. Juni mit einem ausgeglichen Etat von 1,5 Millionen Euro abschließen. „Siege für Stiftung und den FCG“ - 5. Juli 2001
Zur Freude von Liz Mohn verfolgen 11.500 Zuschauer im Heidewald den Auftritt der „No Angels“ und feiern den 3:2-Sieg des FCG über den Bundesligisten FC Schalke 04. Die Einnahmen des Benefizspiels kommen der Schlaganfallstiftung zugute. „Drastische Maßnahmen gegen drohendes Loch“ - 5. Dezember 2001
Bis zum Saisonende soll durch rigorose Sparmaßnahmen und außerplanmäßige Einnahmen eine ansonsten drohende Deckungslücke im Etat in Höhe von 500.000 Mark verhindert werden. „Ich bin überzeugt, dass wir das schaffen“, sagt Frank Welsch. Was passiert, wenn es nicht gelingt? Welsch nennt das zwar eine „theoretische Frage“, fügt aber hinzu: „Letztendlich würde ich den Laden abschließen.“
„Gelbe Karte vom Verband“ - 23. Mai 2003
Der FLVW bezeichnet den Oberligisten als „überschuldet“ und erteilt Zulassung für die neue Saison „nur mit großen Bedenken und Bauchgrimmen“, so Siegfried Hirche, Vorsitzender des Fußballausschusses. Die unabhängige Prüfungskommission hatte empfohlen, die Spielgenehmigung nicht zu erteilen. Das vom FCG vorgelegte Zahlenwerk beurteilt Hirche sehr kritisch. „Wenn der Verein in der nächsten Saison zum Insolvenzrichter gehen muss, wird das auf uns zurückfallen.“ „Ich will Oberligafußball billiger machen“ - 9. April 2004
Im Interview gesteht Präsident Frank Welsch finanzielle Fehlentscheidungen in der Vergangenheit ein und kündigt für die nächste Saison einen auf 550.000 Euro reduzierten Etat an.
„Neue Führung greift an“ - 13. April 2005
Michael Prüfer, Geschäftsführer der Autozentrale Thiel, wird zum neuen Präsidenten gewählt. Er verspricht den Mitgliedern die Schuldenfreiheit des Vereins zum 30. Juni und kündigt den Versuch an, bis 2007 in die Regionalliga aufzusteigen. „Rote Karte für den Wirtschaftsrat“ - 11. Januar 2006
Präsident Norbert Wöstmann entlässt den gesamten Wirtschaftsrat, nachdem dessen Mitglieder es abgelehnt hatten, wie versprochen die Unterdeckung des Saisonetats in Höhe von knapp 300.000 Euro auszugleichen. „Blutgrätsche von hinten“ - 29. März 2007
Der rücktrittswillige Präsident Norbert Wöstmann findet bei der Jahreshauptversammlung nach der Schilderung der schlechten finanziellen Lage keinen Nachfolger. „Wir haben von hinten eine Blutgrätsche gekriegt für Dinge, die wir nicht zu verantworten haben“, beschreibt Wöstmann-Prokurist Hartwig Brenker die mit einem Besuch der Steuerstrafabteilung Bielefeld verbundene Nachforderung des Finanzamts in ungenannter sechsstelliger Höhe aus der Ära Welsch. Zukünftig, so Wöstmann, werde der FC Gütersloh weiter „seriös, sauber und finanziell gesund“ geführt. Ab 2008 könne der Verein dann wieder „Anlauf nehmen zu höheren Zielen.“
„Spielersuche per Stellenanzeige“ - 2. April 2007
Norbert Wöstmann sorgt mit einer in Deutschland einmaligen Aktion nach neuem Personal für die 1. Mannschaft. „Für Fußballer im Amateurbereich einer der attraktivsten und chancenreichsten Nebenjobs, die der Markt bietet“, lautet der Text in der Stellenanzeige. „Kein Taschengeld, aber auch kein Profigehalt“, heißt es zur Bezahlung. Und weiter: „Wir eröffnen Ihnen eine Fußball-Bühne, um mit uns gemeinsam eine möglicherweise große Karriere zu starten.“
„Kein Geld für Regionalligafußball“ - 15. April 2008
Der FC Gütersloh stellt abermals keinen Antrag für die Regionalliga. Die vom Verein beauftragten Wirtschaftsprüfer verweigerten das vom DFB verlangte Testat, nachdem sie erkannt haben, dass die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Vereins nicht gegeben ist. Dem Oberligisten fehlen rund 300.000 Euro. „Schnelles Ende der Ära Burghardt“ - 17. Mai 2008
Nur 25 Tage nach der Amtsübernahme und heftiger Kritik an seinem Führungsstil tritt Detlef Burghardt als Präsident zurück. „Keine Gehälter wegen Liquiditätsengpass“ - 21. März 2009
Präsident Udo Böning räumt ein, die fälligen Gehälter für den Monat Februar nicht zahlen zu können.
„Insolvenzgefahr statt Rettung“ - 28. März 2009
Der Vorstand sieht angesichts einer Verschuldung von rund 150.000 Euro die Existenz in Gefahr, nachdem Ex-Präsident Norbert Wöstmann nicht wie erhofft als Großsponsor erhalten bleibt und nur mit einem kleineren Beitrag helfen will. „Große Mehrheit für den FSV“ - 4. Juni 2009
Die FCG-Mitglieder votieren mit großer Mehrheit für die Abtrennung der Frauenabteilung.
„Paukenschlag auf Pressekonferenz“ - 7. Januar 2010
Die Vorstände von SC Wiedenbrück und FC Gütersloh teilen mit, dass sie eine sofortige Fusion anstreben. Udo Böning ist überzeugt, nur so den leistungsorientierten Fußball in Gütersloh retten zu können: „Aus eigener Kraft schaffen wir das nicht mehr.“ „Fusion geplatzt, Präsident weg“ - 18. Januar 2010
Nachdem sich eine Oppositionsgruppe um Detlef Forsch, Jörg Siekmann und Andre Niermann mit einem „Plan B“ gegen die Fusionspläne von Böning ausspricht und der SC Wiedenbrück die Verhandlungen für beendet erklärt, tritt der FCG-Präsident nach 17-monatiger Amtszeit zurück. „Von neuen Altlasten bedroht“ - 9. Juli 2010
Der neue Präsident Dr. Bernd Ruhnke berichtet in einer außerordentlichen Mitgliederversammlung von einer Nachforderung der Rentenversicherung in Höhe von 92.000 Euro aus der Ära Wöstmann. „Ruhnke kündigt Rücktritt an“ - 22. Juni 2013
Bei der Jahreshauptversammlung kündigt der noch bis Mitte 2014 gewählte Präsident seinen vorzeitigen Ausstieg für Dezember 2013 an. Angesichts der fortwährenden finanziellen Probleme fordert er „mehr Rückhalt in der Öffentlichkeit und stärkere Unterstützung aus der heimischen Wirtschaft.“ Sein Plan für die neue Saison: „Es wird nur so viel Geld ausgegeben, wie definitiv vorhanden ist.“ „Klares Votum für den Niermann-Kurs“ - 2. Juli 2014
Die Mitglieder wählen Andre Niermann zum neuen Präsidenten. Erklärtes Ziel des Unternehmers ist die von Landrat Sven-Georg Adenauer initiierte Kooperation mit den Regionalligisten SC Verl und SC Wiedenbrück, um höherklassigen Fußball im Kreis Gütersloh zu ermöglichen. „Alleine können wir das nicht stemmen“, erklärt Niermann: „Wir müssen die sportlichen, organisatorischen und finanziellen Kräfte bündeln – darin liegt die Zukunft.“ „Niermann-Pläne stoßen auf Ablehnung“ - 3. Juli 2014
SC Verl und SC Wiedenbrück zeigen sich überrascht von den öffentlichen Äußerungen des FCG-Präsidenten und lehnen eine Zusammenarbeit ab. „Wir haben das Thema ad acta gelegt und sind nicht im geringsten an einer Fusion interessiert“, sagt SCV-Präsident Raimund Bertels. „Insolvenzantrag schockt FCG“ - 10. September 2014
Den FC Gütersloh hat wieder einmal die Vergangenheit eingeholt, und die neue Vereinsführung wird kalt erwischt. Weil der Oberligist für die ersten sieben Monate des Jahres 2014 keine Sozialversicherungsbeiträge für die in Minijobs beschäftigten Spieler und Trainer gezahlt hat, stellte die zuständige Minijobzentrale Bielefeld über ihren Versicherungspartner „Knappschaft Bahn See“ einen Insolvenzantrag. Die Forderung beläuft sich auf 23.540 Euro. „Punktabzug und Geldstrafe für den FCG“ - 1. Mai 2015
Wegen Nichtzahlung von Sozialversicherungsbeiträgen in der laufenden Saison verurteilt die Verbandsspruchkammer den Oberligisten zu einem Abzug von drei Punkten und 3.000 Euro Geldstrafe. „FC Gütersloh droht die Katastrophe“ - 26. November 2015
Niermann erwägt die Abmeldung der Oberligamannschaft in der Winterpause, weil bis zum Saisonende 70.000 Euro fehlen. „Emotional ist das für mich eine Katastrophe, aber wirtschaftlich ist es notwendig“, sagte der Präsident. Dies sei von seiner Seite aus „der letzte Hilferuf“, um den Verein am Leben zu halten. „Einstimmig für das Prinzip Hoffnung“ - 18. Dezember 2015
Der FCG entscheidet sich auf einer Mitgliederversammlung gegen die Abmeldung des Oberligateams. Präsident Nier- mann glaubt, die Saison mit höheren Zuschauereinnahmen finanziert zu bekommen und setzt auf ein professionelles Marketingkonzept.
„Ex-Spieler und Bonan warten auf ihr Geld“ - 18. August 2016
Nachdem sie lange hingehalten worden waren, gehen die ersten Spieler mit der Forderung nach Zahlung ihrer ausstehenden Gehälter an die Öffentlichkeit. „Ganz schwierige Situation“ - 10. Dezember 2016
Im Oberligakader rumort es, denn seit Oktober sind die Gehälter nicht mehr komplett gezahlt worden. Trainer Fatmir Vata zeigt sich solidarisch: „Für mich ist es unerklärlich, dass zugesagte Gelder nicht pünktlich kommen.“ „Insolvenz ist der einzige Ausweg“ - 30. Dezember 2016
Andre Niermann kündigt an, beim Amtsgericht die Zahlungsunfähigkeit des FC Gütersloh anzuzeigen.
Aufrufe: 011.5.2017, 10:00 Uhr
Uwe Kramme / FuPaAutor