2024-04-25T14:35:39.956Z

Ligabericht
– Foto: Björn Franz

»Keine Delikatesse für Fußballfans«

RL SÜDWEST: +++ TSV Steinbach bezwingt FC Gießen mit 2:1, zeigt die eigenen Stärken aber zu selten / Diskussionen um Elfmeter +++

Haiger. Die Restrunde der Fußball-Regionalliga Südwest läuft für beide Clubs unter dem Titel: Aufholjagd. Aufstiegsanwärter TSV Steinbach Haiger wird Primus 1. FC Saarbrücken mit einem Dreier auf den Fersen bleiben, während der stark abstiegsbedrohte FC Gießen sich an anderer Stelle die Punkte holen muss, um über den Strich auf Rang 14 zu klettern.

Das war die allgemeine Haltung vor dem Liga-Restart mit dem direkten Duell vor 1480 Zuschauern am Haigerer Haarwasen. Und die Prognose erfüllte sich am Samstagnachmittag auch. Als klare Angelegenheit erwiesen sich die 90 Derby-Minuten für die Steinbacher dabei aber keineswegs. Der 2:1 (2:0)-Erfolg des TSV ging letztlich in Ordnung, gleichwohl schnupperten die couragiert auftretenden Gießener Gäste insbesondere in der Schlussphase an einem Bonuspunkt im Abstiegskampf. „Das war keine Delikatesse für Fußballfans, es war ein verkrampftes Spiel“, meinte Dennis Wegner, Steinbachs Torschütze zum frühen 1:0. In der Tat zeigte Steinbach kein fußballerisches Feuerwerk mit der feinen Klinge, das aber hatte Trainer Adrian Alipour auch nicht von seinen Schützlingen erwartet: „In einem Derby kommt es nicht auf die Tabellenkonstellation an, sondern in erster Linie darauf, den Derbycharakter anzunehmen, es kommt auf Mentalität an. Entscheidend ist gewesen, dass wir uns in die Partie reinkämpfen wollten. Wir sind nicht davon ausgegangen, alle Situationen spielerisch lösen zu können. Wir haben uns ans Hinspiel erinnert, da hatten wir extreme Probleme, uns durchzusetzen.“ Die Gießener knüpften in der Tat an die Vorstellung vom damaligen 0:1 an, als der FCG defensiv als Kollektiv überzeugen und vorne den einen oder anderen Nadelstich setzen konnte. „Definitiv“ sei ein Zähler drin gewesen, sagte ein enttäuschter Keeper Frederik Löhe bei der Rückkehr an seine alte Wirkungsstätte: „Spielerisch habe ich heute von Steinbach nichts gesehen, der einzige Unterschied war, dass da mehr Qualität im Abschluss war als bei uns.“ FCG-Angreifer Aykut Öztürk pflichtete bei: „Als Außenstehender hätte man nicht sagen können, wer ist oben und unten in der Tabelle. Steinbach darf sich nicht beschweren, wenn es am Ende 2:2 heißt.“

Beide Teams starteten im 4-2-3-1-System, wobei die Platzherren mit Benjamin Kirchhoff, David Al-Azzawe, Nico Herzig und Michael Schüler gleich vier Innenverteidiger ersetzen mussten. Adrian Alipour beorderte Sechser Sören Eismann, der seine Sache richtig gut machte, ins Abwehrzentrum neben Philipp Hanke, der eigentlich auf der rechten Außenbahn zu Hause ist und über die volle Spielzeit letztmals im August eingesetzt worden war. „Wir haben das über die Woche so trainiert, dass ich wusste, was ich da zu tun hatte. Ich finde, dass ich es gut gemacht habe für das erste Mal“, so Hanke. Bei den Gießenern, die in der Vorbereitung mit offensiveren taktischen Varianten herbe Schlappen gegen Elversberg und Alzenau kassiert hatten, baute Coach Daniyel Cimen auf Bewährtes. Seine Schützlinge arbeiteten im Verbund konsequent gegen den Ball.

Gleichwohl schoss Wegner seine Farben, mit Fortuna im Bunde, in der achten Minute in Front. „Das ist kurios entstanden, aber wenn du unten bist, hast du ein bisschen dieses Pech“, haderte Cimen mit jener Szene, in der die Kugel aus kurzer Distanz von Gießens Ricardo Antonaci zurück zu Wegner prallte, der Löhe überwand. Der FCG verzeichnete seinerseits zwei durchaus gefährliche Situationen. Auf Zuspiel von Timo Cecen prüfte Aykut Öztürk Tim Paterok (14.) ebenso wie Johannes Hofmann nach einer halben Stunde. „Zum psychologisch perfekten Zeitpunkt“, so TSV-Trainer Adrian Alipour, nämlich unmittelbar vor dem Pausenpfiff, mündete ein weiterer Konter im 2:0. Alipour erkannte „eine überragende Umschaltsituation mit Hinterlaufweg“, als sich Serhat Ilhan über links auf die Reise begab, von Gießens Hofmann nicht gestoppt wurde, und auf Steinbachs Manuel Hoffmann passte. Bei dessen kluger Vorarbeit in den Rückraum zu Dino Bisanovic waren dann gleich vier Gießener in der Box nicht im Bilde, sodass der 29-Jährige FCG-Keeper Löhe unbedrängt mit einem überlegten Flachschuss ins Eck bezwang.

„Wir haben dem Gegner wenig Platz zum Spielaufbau gegeben und hatten die Kontrolle“, so Alipour zum Verlauf der zweiten 45 Minuten, in denen für seine Elf lange nichts anzubrennen schien. Bis in Minute 77 Cem Kara nach einem Eckstoß in den Boden trat, Schiedsrichter Wlodarczak das als Foul des eingewechselten Florian Bichler wertete und fälschlicherweise auf den Kreidepunkt deutete. Öztürk nutzte das Geschenk und verkürzte auf 1:2. Zwar verpasste Hofmann 60 Sekunden darauf bei einer nahezu hundertprozentigen Gelegenheit das 3:1, in der Folge jedoch wackelte der TSV-Sieg. Öztürk hatte im Gewühl aus sieben Metern die Chance zum 2:2, sein Seitfallzieher jedoch flog zu zentral auf Paterok (86.). In der Nachspielzeit schieden sich die Geister am Zweikampf zwischen Hanke und Gießens Kevin Pezzoni. „Zu 100 Prozent kein Elfmeter“, befand Hanke, dessen Abwehrkollege Eismann einräumte: „Da hatten wir Glück, dass es nicht den zweiten Strafstoß gab.“ Für Cimen war es „ein glasklarer Elfmeter“. Alles in allem war der FCG-Coach mit der Leistung seiner Truppe „einverstanden“. TSV-Übungsleiter Alipour freute sich über die Belohnung für die sechswöchige Vorbereitung.



Aufrufe: 023.2.2020, 21:02 Uhr
Thomas Suer (Gießener Anzeiger)Autor