2024-05-02T16:12:49.858Z

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Tübinger Uni-Mannschaft sichert sich mit einem 2:0-Endspielsieg über British Columbia aus Kanada den Titel bei der Studenten-WM  Foto: privat
Tübinger Uni-Mannschaft sichert sich mit einem 2:0-Endspielsieg über British Columbia aus Kanada den Titel bei der Studenten-WM Foto: privat

Das Weltmeisterteam kommt aus Tübingen

Sindelfinger Oliver Glotzmann gewinnt mit Uni-Team den Studententitel in Peking

Horst Linsmeier stößt an seine Grenzen. „So steile Treppen bin ich noch nie gelaufen. Ich war froh und fix und fertig, als ich wieder unten war“, sagt der Physiotherapeut des FC Gärtringen. Was ihn so beansprucht, ist die chinesische Mauer, die er gemeinsam mit der Fußballauswahl der Universität Tübingen besichtigt. Der Sindelfinger Kicker Oliver Glotzmann gehört ebenfalls zu dem Team. Das Fußballteam der Uni holte sich den Titel bei der inoffiziellen Weltmeisterschaft der Studenten in Peking.

„Diese Mauer ist schon der Wahnsinn, sie ist sehr, sehr beeindruckend“, sagt Glotzmann. Gemeinsam überstehen Linsmeier und Glotzmann nicht nur den anstrengenden Ausflug zu diesem Weltwunder, sie sind auch Teil der Mannschaft, die in Peking das „World Elite University Football Tournament“ in Peking gewinnt, die inoffizielle Universitätsweltmeisterschaft der Fußballer. Linsmeier als Masseur, Glotzmann als einer der Spieler, mit acht Treffern ist er der beste Torschütze des gesamten Turniers.

Luftfeuchtigkeit bei "gefühlt 100 Prozent"

Die Bedingungen für die Fußballer sind in Peking grenzwertig. „Die Temperatur beträgt etwa 35 Grad, die Luftfeuchtigkeit ist bei gefühlt 100 Prozent“, erzählt Glotzmann. Sprich, nur wirklich gut trainierte Spieler sind in der Lage, diesen Bedingungen standzuhalten. Und Mannschaften, die taktisch klug spielen, die sich nicht zu früh verausgaben, und die im Hintergrund eine gute physiotherapeutische Abteilung haben. Das haben die Tübinger, Horst Linsmeier ist diese Ein-Mann-Abteilung. „Die Spieler konnten rund um die Uhr zu mir kommen, mein Zimmer war immer offen“, erzählt Linsmeier. Die Akteure nutzen dieses Angebot umfassend. Abends, nach den Begegnungen, dem Duschen und dem Essen beginnt für Linsmeier die Arbeit. Er knetet jeden Spieler durch, lockert die Muskulatur. „Da hatte ich immer einige Stunden zu tun. Das war ziemlich anstrengend“, sagt Linsmeier. Offenbar ist seine Arbeit aber auch effektiv, wie Glotzmann betont: „Horst war wichtig für unseren Erfolg und die Regeneration. Wäre er nicht dabei gewesen, hätten wir sicherlich den einen oder anderen Ausfall gehabt.“ So aber bleiben die Tübinger von größeren Blessuren oder langwierigen muskulären Verletzungen verschont, sie haben keinen Ausfall zu beklagen, nur wenige Verhärtungen und Verstauchungen.

Im ersten Spiel ein 16:0-Kantersieg

Zwölf Mannschaften sind in der ersten Runde in vier Dreiergruppen eingeteilt. Die letzte Mannschaft einer Gruppe scheidet aus, die anderen qualifizieren sich für das Viertelfinale. Die Tübinger schlagen in ihrer ersten Partie das Team der University of California hoch mit 16:0. „Nach diesem Spiel hatten wir ein wahnsinniges Selbstvertrauen. Die anderen Mannschaften hatten sofort einen großen Respekt vor uns“, so Glotzmann. In der zweiten Partie der Gruppenphase steht Tübingen der Renmin University of China gegenüber, dem Titelverteidiger. Glotzmann: „Wir wussten, dass die Chinesen siebenmal in der Woche trainieren und fit sind. In den ersten 20 Minuten haben sie richtig gut zusammengespielt.“ Tübingen hält dem Wirbel aber stand, und bei den Chinesen brennen langsam die Sicherungen durch. Erst kassiert Glotzmann einen Schlag auf die Nase, dann kassiert der Übeltäter die Rote Karte. „Danach haben sich die Chinesen komplett zurückgezogen. Das war für mich unverständlich“, sagt Glotzmann. Die Tübinger gehen in Führung, die Chinesen sammeln noch zwei Feldverweise ein, letztlich siegt die deutsche Mannschaft 4:0. Im Viertelfinale schlagen Glotzmann und seine Mitstreiter die Hochschule aus Melbourne 6:0, im Halbfinale Cambridge 2:0. Im Endspiel schließlich behalten die Tübinger gegen das Team der kanadischen Hochschule British Columbia mit 2:0 die Oberhand. „Wir wollten von Anfang an mit dem Pokal nach Hause kommen. Das haben wir geschafft, das ist einfach sensationell“, betont Glotzmann. Im Team standen mit Landesliga-Torjäger Jonas Frey (TSG Tübingen) und Philipp Badke vom SV Pfrondorf weitere gestandene Aktivenkicker.

"Wir waren sofort eine Einheit"

Horst Linsmeier sieht in dem „überragenden Zusammenhalt“ des Teams den entscheidenden Grund für den Titelgewinn. „Das war eine richtige Mannschaft. Jeder hat jedem geholfen. Auf dem Feld, aber auch außerhalb. Da gab es keine Grüppchenbildung. Ich bin von Anfang an von allen akzeptiert worden.“ Oliver Glotzmann ergänzt: „Wir waren sofort eine Einheit. Es hat einfach super gepasst.“

Horst Linsmeier lobt den Zusammenhalt der Studenten-Truppe Foto (Archiv): Schmidt

"Man hat sich fast wie ein Profi gefühlt"

Die Siegerehrung ist der Höhepunkt des Turniers. Zunächst stehen die Tübinger wie in der Champions League für den Zweitplatzierten Spalier, dann laufen sie auf das Podest, um Pokal und Medaillen entgegenzunehmen. Goldflitter darf natürlich nicht fehlen. Nach der Übergabe stürmen zahlreiche Fotografen auf die Tübinger zu, sie stehen im Mittelpunkt des Interesses. „Man hat sich fast wie ein Profi gefühlt“, sagt Glotzmann. Generell sei das Interesse an dem Turnier im Stadion nicht so groß gewesen. Glotzmann schätzt, dass etwa „700 Zuschauer beim Endspiel zugeschaut haben. Dafür wurde der Livestream intensiv genutzt“. Die Tübinger haben zudem einen besonderen Anhänger: Kevin. Der Junge im Grundschulalter kam nach dem ersten Spiel mit seiner Mutter auf die Tübinger zu und sprach sie an. Er stammt aus Deutschland und lebt nun mit seiner Familie in China. Glotzmann: „Er war bis zum Schluss immer bei unseren Spielen dabei.“ Kevin wird also zum Maskottchen der Tübinger, offenbar mit Erfolg.

Glotzmann schwebt "noch etwas in einer andere Welt"

Ihren Finalsieg feiern die Tübinger intensiv in einer Bar. Die letzten Spieler kommen gerade noch rechtzeitig im Hotel an, um die Taschen zu packen und den Bus Richtung Flughafen zu erwischen. Nach der Landung in Frankfurt geht es per Zug weiter nach Stuttgart, dort trennen sich die Wege des Teams. Glotzmann, der Mathematik und Sport studiert und Lehrer werden will, sitzt bereits am Dienstag wieder in der Universität, schwebt aber „noch etwas in einer anderen Welt“. Neben ihm als bester Torschütze werden noch zwei weitere Kicker der Tübinger ausgezeichnet: Marcel Binanzer als bester Torhüter, Pirmin Glück als bester Spieler. Dr. Robert Schreiner und Dennis Murr werden als beste Trainer geehrt.
Die Tübinger hätten auch noch einen Titel als „bestes Bollwerk“ verdient gehabt, kassieren sie doch während des Turniers keinen Gegentreffer. Sie sind in der Abwehr so stabil wie die chinesische Mauer. Bei dieser Defensive stoßen die Gegner an ihre Grenzen.

Aufrufe: 08.7.2017, 13:44 Uhr
Thomas Oberdorfer Autor