2024-03-18T14:48:53.228Z

Interview
Claus-Dieter Wollitz.  F: Bock
Claus-Dieter Wollitz. F: Bock

"Ich mache meine Entscheidung nicht von der Liga abhängig"

Teil 2 des großen FuPa Brandenburg-Interviews mit Energie-Cheftrainer Claus-Dieter Wollitz

Energie Cottbus startet am kommenden Sonntag mit der Partie gegen Chemie Leipzig wieder in die Regionalliga Nordost. In der zweiten Hälfte des zweiteiligen FuPa Brandenburg-Interviews erklärt FCE-Cheftrainer Claus-Dieter Wollitz, wie er mit der Verletztenmisere umgeht und welche Punkte für ihn wichtig sind für die Verlängerung seines im Sommer auslaufenden Vertrages.

Herr Wollitz, was hat sich im Vergleich zu Ihrer ersten Amtszeit vor einigen Jahren bei Energie verändert?

Erstmal natürlich die Liga und die Möglichkeiten. Und ich glaube, dass viele glücklicher und dankbarer wären, wenn der Verein sportlich höher spielen würde. Viele waren damals nur auf die Bundesliga aus. Ich habe aber immer klar gesagt, dass Cottbus kein Standort für die 1. Liga ist. Das habe ich aber nicht gesagt, weil ich da nicht hinwollte. Im Gegenteil: Ich hätte auch gerne mal so ein Jahr wie Braunschweig, Greuther Fürth oder Darmstadt gehabt. Aber haben die sich gehalten? Kaiserslautern steht mit seiner Tradition und dem WM-Stadion am Rande des Ruins. Cottbus hatte immer die Vorstellung: Wir sind ein Bundesligist. Nein. Energie Cottbus hätte immer ein Standort sein und dafür alles tun müssen als sehr ordentlicher Zweitligist. Daraus wird sich irgendwann auch mal eine Mannschaft entwickeln, die den Sprung schafft. Aber sie können es nicht planen. Ich habe hier fantastische Spieler hergeholt: Junge, deutsche Spieler mit Perspektive. Ob die Kirschbaums oder Adlungs. Warum die anschließend weggeschickt wurden, kann ich nicht beurteilen. Das lag nicht mehr in meinem Aufgabenbereich. Ich weiß nur, dass ich Ende 2011 meine Konsequenzen gezogen und gesagt habe, dass ich nicht der Trainer bin, der hier den Anspruch 1. Liga erfüllen kann.

Aktuell läuft es blendend. Allerdings trübt etwas die Verletzung von Spielmacher Maximilian Zimmer die Stimmung. Fühlen Sie sich in den letzten Wochen und Monaten manchmal wie das berühmte Murmeltier aufgrund der vielen Ausfälle im Offensivbereich?

Nein, denn Verletzungen und Formschwankungen gehören dazu. Zimmer hat sich nicht verletzt wegen des Trainings. Sondern weil er am Freitag noch für die Beine trainiert hat, nach dem Training. Das hat er noch nie gemacht. Einen Tag vor den Meisterschaftsspielen gibt es Spieler, die ein Programm für die Beinmuskulatur im Kraftraum absolvieren. Da ist Zimmer mitgegangen und seine Muskulatur ist übersäuert. Das passiert. Der Muskelfaserriss ist klein und den können wir reparieren. Das ist natürlich ärgerlich A für ihn und B für unsere kreative Zone. Uns war klar, dass wir die Kreativität erhöhen mussten, wenn wir erfolgreich und besser werden wollen, weil wir unfassbar viel Ballbesitz haben. Die Gegner wollen uns bekämpfen, was mehr als legitim ist. Aber dann benötige ich spielerische Ansätze. Ich brauche nicht Kampf gegen Kampf. Das ist für mich eine Grundvoraussetzung. Da brauche ich gerade kreative Köpfe, die sportlich ambitioniert Aufgaben umsetzen können. Das haben wir mit der Verpflichtung von Maximian Zimmer und Marcelo de Freitas Costa gemacht. Deswegen können wir den Ausfall jetzt auch kurzfristig ersetzen.

Hadert man trotzdem etwas wegen der vielen Verletzten? Das zieht sich seit dem Herbst schon durch.

Wir haben die Aufgabe ohne Stürmer auch angenommen. Aber es wurde klar, dass das Spiel dann etwas anders sein wird. Das ist aber nicht schlimm, weil es dazu gehört. Das zeigt dann gerade, ob eine Mannschaft gefestigt und zusammengewachsen ist. Wenn ich hadern würde, würde ich immer denken: Warum immer wir? Das ist der falsche Ansatz. Wenn du verlierst, suchst du immer nach Ausreden. Ich habe den Spielern gesagt: Sucht nicht nach Ausreden, sondern nach Lösungen, dass es das nächste Mal nicht wieder passiert. Dieser Ansatz ist mir wichtiger als alles zu verfluchen.

Bei einigen Spielern laufen im Sommer die Verträge aus oder verlängern sich nur beim Aufstieg. Kann das in der Rückrunde zum Problem werden?

Nach einem halben oder auch schon anderthalb Jahren wissen die Spieler inzwischen, was sie an Cottbus haben und welche Bedingungen der Verein erfüllen kann. Bei den meisten sind die Verträge klar definiert, sowohl für die Regionalliga als auch den Aufstieg. Aber zu sagen, woanders ist sowieso immer alles besser und da könnte ich mich besser entwickeln, das halte ich für sehr fragwürdig. Gewisse Spieler brauchen gerade so ein Umfeld und vielleicht auch Sozialverhalten des Trainers. Deswegen mache ich mir da grundsätzlich keine Sorgen. Wenn es dann aber am Ende so kommt, das ein kompletter Umbruch stattfinden muss, muss man neu überlegen. Die Freundschaftsspiele haben es jetzt nochmal gezeigt, dass bei einigen die Erwartungshaltung schon viel zu hoch ist. Da glaube ich nicht, dass ein Umbruch nochmal so erfolgreich geschafft werden könnte. Grundsätzlich stände ich erstmal dafür nicht zur Verfügung. Ich will aber nichts ausschließen. Man müsste aber sehen, welche Rahmenbedingungen man zur Verfügung hat. Die müssten auf jeden Fall besser sein als vor 1,5 Jahren. Ich habe aber keine Angst davor, dass so viele Spieler den Verein verlassen werden.

Was müsste sich verbessern?

Natürlich kann man woanders 500 Euro mehr verdienen, das erlebe ich jeden Tag. In der 3. Liga gibt es aber bei vielen Vereinen ein neues Stadion. Wo ist hier etwas passiert? Das Land Brandenburg ist nicht bereit, Energie Cottbus in der Hinsicht zu unterstützen. Das muss man ganz klar so sagen. In Zwickau, Chemnitz, Aue, Magdeburg, Rostock, Halle oder bald auch in Jena gibt es überall neue Stadien. Wo hat das Land Brandenburg dafür gesorgt, dass der Standort Cottbus eine andere Nachhaltigkeit bekommt? Das ist alles nur Blabla und deswegen ist es schwieriger. Für das über lange Jahre Aushängeschild von Brandenburg und der Stadt Cottbus hätte viel mehr Unterstützung entstehen müssen. Das wurde Energie an den anderen Standorten vorgemacht. Wir haben ein Stadion mit zwei Mal Blech, die Westtribüne ist sehr alt und die neue Osttribüne wurde nicht so sinnvoll gebaut, wie es nötig gewesen wäre.

Das Stadion gehört dem Verein, für den es aber wegen der hohen laufenden Kosten zu einer erheblichen finanziellen Belastung geworden ist.

Stand jetzt ja. Aber in der 2. Liga war es dennoch richtig, um Kosten zu sparen und mehr Geld unter anderem in Infrastruktur und den Nachwuchs des Vereins zu stecken. Zumindest zu Bundesligazeiten hätte doch das Land dafür sorgen müssen, dass es eine Landesbürgschaft und ein neues Stadion gibt. Schon aus Respekt gegenüber dem, was der Verein mit seinen Möglichkeiten alles geleistet hat. Was passiert denn, wenn Erfurt absteigt? Die haben in der 3. Liga ein Stadion für 60 Millionen Euro bekommen. In Zwickau wurde der Umbau in der Regionalliga begonnen. Warum wird aber Energie Cottbus so stiefmütterlich vom Land Brandenburg begleitet? Das kommt alles nur aus dem Inneren des Vereins heraus. Jetzt steht man vor dem Dilemma: Hohe Kosten und trotzdem ist das Stadion nicht auf dem neuesten Stand.

Von dem Stadion wird sich aber kein neuer Spieler abschrecken lassen?

Da muss man unterscheiden: Wenn der Verein die Bedingungen erfüllt, die haben schon ein neues Stadion, die Mannschaft ist auch gut, der Preis stimmt und du bist näher an deiner Heimat, dann haben wir schon ein Problem. Wenn du nur die Mannschaft und nicht die Infrastruktur aufrecht erhälst, fällt das irgendwann weg. Aber wie lange ist die noch haltbar. Das Land Brandenburg hätte diesen Verein schon zu 1. und 2. Liga-Zeiten viel mehr unterstützen müssen. Das ist einfach nur traurig. Wir haben in jedem Regionalliga-Spiel etwa 5 bis 6.000 Zuschauer. Halle hat vergangene Woche einen Aufruf gemacht, dass mehr Fans ins Stadion kommen sollen. Und sie hatten am Ende einen Minusrekord.

Ihr Vertrag läuft im Sommer auch aus. Sind das Punkte, die mit in Ihre Entscheidungsfindung einfließen?

Klar, das spielt alles eine Rolle. Aber das ist nicht die Hauptrolle für diesen Moment. Ich möchte insgesamt wissen, wie es im Verein weitergehen soll? Wie der Fußball sich darstellen soll? Natürlich habe ich einen Vertrag, wenn wir aufsteigen. Aber man muss nicht grundsätzlich glauben, nur weil wir aufgestiegen sind ist alles gut. Ich würde mich nicht für Mittelmaß oder den Abstiegskampf in der 3. Liga zur Verfügung stellen. Kurzfristig ja, aber mittelfristig habe ich den Anspruch mir selbst gegenüber, Trainer einer höherklassigeren Mannschaft zu sein. Ich bin damals im Abstiegskampf der 3. Liga aus tiefster Verantwortung zurückgekommen. Ich habe gesagt, ich mache die fünf Spiele und versuche mit dem Team alle mit ins Boot zu nehmen, um das Unmögliche möglich zu machen. Da wollte ich den Verein einfach nicht im Stich lassen. Aber damals war mir schon klar, dass ich das eigentlich nicht machen darf, weil die Regionalliga ein kompliziertes Unterfangen ist. Das hat sich letztendlich auch bestätigt. Cottbus wird gesehen als Verein mit zigtausend Möglichkeiten. Das stimmt aber nicht. Wirtschaftlich müssen wir wirklich kämpfen. Wir können mal nicht eben sagen, dass wir jetzt keine Miete im Stadion bezahlen, weil wir der Eigentümer sind. Ich hatte aber nicht den Mut zu sagen, ich mache es nicht. Und dann haben wir uns da reingebissen und reingekämpft. Wir tun Tag und Nacht alles dafür, um am Ende Erster zu werden und in der Relegation erfolgreich zu sein. Dann werden wir sehen. Ich mache meine Entscheidung nicht von der Liga abhängig. Ich möchte die Gewissheit haben, dass die Leute verstehen, dass der Verein nochmal eine andere Unterstützung verdient hat, als er von vielen Mitgliedern und Sponsoren bekommt. Dafür sind wir nicht nur dankbar, sondern stolz drauf. Aber jetzt ist auch das Land Brandenburg gefragt. Ich bin es leid, dass Energie Cottbus das Aushängeschild ist und nichts dafür bekommt.

Mit Energie-Cheftrainer Claus-Dieter Wollitz sprach Sven Bock.

Hier gibt es zum Nachlesen den ersten Teil des Interviews!

Aufrufe: 025.1.2018, 13:10 Uhr
Sven BockAutor