2024-05-02T16:12:49.858Z

Spielvorbericht
Heute in London gefordert: Melanie Behringer. F: Leifer
Heute in London gefordert: Melanie Behringer. F: Leifer

Melanie Behringer: Die Seele des Spiels

CL-Duell gegen Chelsea

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Melanie Behringer ist als Führungskraft der Bayern-Frauen beispiellos unverzichtbar – auch am Donnerstag in der Champions League gegen Chelsea muss sie vorangehen.

Die Fußballfrauen des FC Bayern hatten ihr Erweckungserlebnis in Paris schon ein paar Monate, bevor Carlo Ancelotti in der französischen Hauptstadt bei den Männern seine denkwürdige Abschiedsvorstellung gab. Im Frühjahr zerschellten sie im Viertelfinale der Champions League förmlich an St. Germain. 0:4 lautete das Endresultat, womit das solide 1:0 aus dem Hinspiel sorgfältig pulverisiert war. Im Frauenbereich herrschen andere Verhältnisse; dort ist Paris St. Germain bereits jene Großmacht, die es auch bei den Herren der Schöpfung sein möchte, während die Münchnerinnen noch lange nicht zu Europas Beletage zählen.

Heute Abend treten die Bayern-Frauen in der ersten K.o.-Runde der Champions League beim FC Chelsea an. Den Namen nach begegnen sich da zwei große Namen, doch auch hier gilt es die besonderen Verhältnisse dieser Sparte zu berücksichtigen. In England beginnen die großen Klubs gerade erst, ihre weibliche Seite zu entdecken. Chelsea schickt sich an, eine große Nummer zu werden. Aktuell aber sind die Briten im Aufbaustadium. Wie die Bayern. Allerdings, und hier liegt die Krux: mit anderen Mitteln.

Wie im Männerbereich erreichen die international kursierenden Summen auch bei den Frauen absurde Ausmaße. Beim FC Bayern zögern sie, für das weibliche Personal mitzuhalten, man reißt ja gerade schon beim Werben um die Neymars dieser Welt bedenklich ab. Nach dem Debakel gegen Paris im Frühjahr gab es eine Zäsur: Es war klar, will man zu St. Germain aufschließen, muss man was unternehmen. Den Sommer über wurde dann mal wieder ein Umbruch eingeleitet. Allerdings wie immer mit überschaubarem Finanzaufwand.

In der Bundesliga hat sich das runderneuerte Team stabilisiert, doch für Europa ist Chelsea die erste Reifeprobe. Neulich, beim 0:1 gegen den SC Freiburg, trat die große Problematik der Bayern-Frauen offen zutage. Es gibt in jeder Mannschaft Führungskräfte, die unverzichtbar sind. Doch der Stellenwert, den Melanie Behringer in München hat, sucht seinesgleichen. Der ganze Auftritt des Teams ändert sich, wenn die Kapitänin auf dem Platz steht. Melanie Behringer ist die Seele des Bayern-Spiels. Ohne sie trudelte ihre Elf der Niederlage haltlos entgegen. Als sie eingewechselt wurde – sie saß wegen einer Verletzung zunächst draußen –, wäre die Wende fast geglückt.

Gut ist, so eine Frau überhaupt in seinen Reihen zu haben. Schlecht ist, wenn keine zweite vergleichbare Führungskraft in Sicht ist. Melanie Behringer wird Mitte November 32, und auch sie kann nicht ewig voranmarschieren. „Wir brauchen Persönlichkeiten auf dem Platz, die in ihre Fußstapfen treten“, sagt Trainer Thomas Wörle. Das Casting läuft; und Sensibilität ist dabei gefragt. Die Thronfolgerinnen müssen sich entwickeln, ohne die bestehende Hierarchie zu gefährden. Eine Erbfolge zu moderieren, ist heikel, bei Männern wie Frauen. Es geht ja nicht darum, sich auf Teufel komm’ raus zu emanzipieren. Sondern miteinander zu reifen.

Gefragt sind neben Simone Laudehr, die willens ist, voranzugehen, Melanie Leupolz, Sara Däbritz, Verena Faißt, Leonie Maier – gestandene Nationalspielerinnen, die aber alle in letzter Zeit zu viel mit sich selber beschäftigt waren. Man konnte das beim 0:1 gegen Freiburg schon erleben, bevor Melanie Behringer überhaupt eingewechselt war.

Als ihre Kolleginnen zur Pause mit hängenden Köpfen in die Kabine schlichen, rannte sie ihnen von der Bank aus entgegen, ging von einer zur anderen, um sie aufzumuntern. „Man hatte schon vorher gemerkt, es wird immer ruhiger auf dem Platz. Keine will einen Fehler machen. Aber wenn man so denkt, geht es komplett in die falsche Richtung“, erklärte sie später ihre Aufbauhilfe. „Wenn man den Kopf hängen lässt, sieht man ja nichts.“ Dem Team fehle noch „das Coachen auf dem Platz, dass eine auf dem Rasen mal sagt: ,Ich regle das!’ Wir versuchen, die Jungen da hinzubringen. Das geht aber nicht von heute auf morgen.“ Spiele wie jetzt gegen Chelsea könnten bei diesem Reifeprozess helfen.

Aufrufe: 04.10.2017, 11:15 Uhr
Andreas Werner - Münchner MerkurAutor