Dass der Fußball bei Familie Mai einen hohen Stellenwert hat, sieht man auf den ersten Blick. Vater Lars war bis vor kurzem noch im Aufsichtsrat des Zweitligisten Dynamo Dresden und trat erst vor einem halben Jahr aus privaten Gründen zurück. Der ältere Sohn, Sebastian, spielte zwar jahrelang für Dynamo, konnte sich aber nicht für das Profiteam empfehlen und lief für die Reserve der Dresdner auf. Über den Chemnitzer FC und den FSV Zwickau, mit dem er 2016 den Aufstieg in die 3. Liga feierte, landete der 24-jährige beim Drittligisten Preußen Münster. Sebastian spielt auf der Position des Innenverteidigers und hat damit wahrscheinlich einen erheblichen Anteil an der sportlichen Laufbahn seines kleinen Bruders.
Lars Lukas ist zwar gute sechs Jahre jünger als sein großer Bruder, doch lebt er sportlich gesehen in einer anderen Welt. Mit seinen 17 Jahren spielt Lars Lukas, genannt Lasse, zwar auch als Innenverteidiger, doch ist sein sportlicher Tätigkeitsradius nicht vergleichbar mit dem seines Bruders. Während Sebastian zu Auswärtsspielen nach Meppen und Großaspach fährt, fliegt Lasse zu seinen Auftritten nach Paris, Doha und Neu-Delhi. Um sich auf internationaler Bühne zu präsentieren, musste Lasse viel auf sich nehmen. Als 14-jähriger zog es ihn von seinem Stammverein Dynamo Dresden ins Nachwuchsinternat des großen FC Bayern, wo er zum Juniorennationalspieler reifte.
Lars Lukas beschreibt seinen Umzug in den Süden als „einen unheimlich wichtigen Schritt“ für seine Karriere, auch wenn er die Familie in Dresden zurücklassen musste. Wie er gegenüber dem Bayern-Blog miasanrot.de erzählt, wollte Mai "immer für die Bayern spielen. Die waren einfach der größte Verein. Als ich zum ersten Mal an der Säbener Straße trainiert habe, konnte ich es kaum fassen." Dass die Nachwuchsarbeit des FCB zu dieser Zeit nicht den besten Ruf genoss, störte Mai dabei recht wenig. "Das Niveau war viel höher als zuvor in Dresden", stellte er fest. Doch die Situation veränderte sich beim FC Bayern mit dem Bau des Campus im Norden der Stadt zum Positiven, denn mit dem neu eröffneten Nachwuchsleistungszentrum schaffte der Rekordmeister viele neue Möglichkeiten was Unterkunft und Trainingsanalytik angeht.
"Hier wird alles automatisch überwacht und analysiert", schwärmt Mai über die Trainingsbedingungen am Campus. "In der Säbener Straße war das anders, da haben wir auch mal in der Basketballhalle Lichtschranken aufgebaut, um überhaupt Daten messen zu können. Mit dem Campus ist alles professioneller geworden." Doch auch Mai selbst wird als Spieler professioneller. Bei der Wintervorbereitung in Katar durfte er im Januar noch bei den Profis reinschnuppern. "Es ist schon etwas Anderes, wenn man auf einmal neben Weltmeistern und Champions-League-Siegern trainieren darf", meint Mai, der im Umgang mit den Stars anfangs noch sehr zurückhaltend war. "Als ich in den ersten Tagen noch ein bisschen schüchtern war, sind die auf mich zugekommen und meinten, dass ich mich nicht zurückhalten muss, ruhig frecher sein kann."
Bescheiden muss Mai aber nicht sein, denn wenn man seine Leistungen der letzten Saison betrachtet, war das Wintertrainingslager der verdiente Lohn für ein anstrengendes Jahr. Erst im März schied er mit der U17-Nationalmannschaft unglücklich im Elfmeterschießen gegen Spanien im Halbfinale bei der EM in Kroatien aus. Nur drei Monate später holte er als Kapitän die Deutsche Meisterschaft mit den B-Junioren. Für Mai selbst war der Sieg im Finale gegen Bremen der wohl schönste Moment. "Wie ich als Kapitän die Meisterschale übernehmen konnte, war sicher mein persönliches Highlight. Die ganze Mannschaft hat sich hinter mir aufgebaut, ich stand da ganz vorne. Da bekomme ich heute noch Gänsehaut."
Schon im Oktober flog er zur U17-Weltmeisterschaft nach Indien und spielte in jedem Spiel durch, bis das DFB-Team im Viertelfinale an den Brasilianern scheiterte. Doch auch wenn das Turnier vorzeitig endete, sieht Mai das Positive. "Die Eindrücke, die ich in Indien sammeln konnte, werde ich so schnell nicht vergessen."
In diesem Jahr steht zur Abwechslung mal kein Großturnier mit der Juniorennationalmannschaft an und Lasse kann sich in Ruhe auf seine Aufgaben im Verein konzentrieren. In der laufenden Saison ist er nicht nur im U19-Team fest eingeplant, sondern auch Teil des Regionalliga-Kaders von Tim Walter, der die Bayern Amateure nach der Meisterschaft im vergangenen Sommer übernahm. Er durfte zum Saisonbeginn sogar schon einmal über die volle Zeit in der Regionalliga ran - mit 17 Jahren.