2024-05-08T14:46:11.570Z

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Auch wenn das WM-Aus Italiens schmerzt –  Enzo Minardi hat das Lachen nicht verlernt. | Foto: Daniel Fleig.
Auch wenn das WM-Aus Italiens schmerzt – Enzo Minardi hat das Lachen nicht verlernt. | Foto: Daniel Fleig.

Auggens Trainer Enzo Minardi zum Ausscheiden Italiens

„Endlich ’ne Pizza bestellen bei der WM“

Calcio, der Fußball, eignet sich im Land des Stiefels glänzend dazu, allen wirtschaftlichen, politischen und sozialen Problemen Italiens einen herzhaften Fußtritt zu verpassen. Diesen eskapistischen Wert hat Calcio für die Italiener verloren, seit die Krise selbst die Squadra Azzurra mit dem Scheitern in der WM-Qualifikation gegen Schweden zum Wochenbeginn traf. Was sagt ein italienischer Fußballfachmann aus dem Markgräflerland zu diesem Scherbenhaufen? Matthias Kaufhold sprach mit Enzo Minardi, dem langjährigen Trainer des Verbandsligisten FC Auggen.

BZ: Herr Minardi, was denken Sie wohl, weshalb ich anrufe?
Minardi: Ne kleine Vorschau oder so.BZ:

Vorschau? Auf die kommende Weltmeisterschaft?
Minardi: (lacht) Jetzt stand ich ziemlich auf der Leitung, oje, oje.

BZ: Ich sage nur: Montag in Mailand ...
Minardi: … oje, oje, eine Tragödie, eine Katastrophe ...

BZ: Wir haben Sie das Rückspiel gegen Schweden erlebt?
Minardi: Ich habe kürzer trainieren lassen und damit vor dem Fernseher nur die ersten zwei Minuten verpasst. Ab der 60. Minute war mir klar, die schießen kein Tor mehr, das geht 0:0 aus. Es ging nicht mehr kontrolliert nach vorne, nur noch mit der Brechstange, alles sehr traurig.

BZ: Schimpfend ins Bett?
Minardi: Schimpfend nicht, aber sehr wütend. Und sehr schnell nach dem Abpfiff. Ich hatte auf nichts mehr Lust.

BZ
: Die Lust auf Fußball ist Ihnen aber nicht vergangen, oder?
Minardi: Ach was. Dafür liebe ich dieses Spiel zu sehr. Ich werde bei der WM zwar nicht jedes Spiel angucken, aber die interessanten auf jeden Fall. Natürlich fehlt da jetzt ein bisschen das Flair, ohne Italien, ohne Holland, ohne die Türkei. Ich will gar nicht wissen, was da im Achtelfinale für Spiele rauskommen.

BZ: Also kein einmonatiger Sommerurlaub auf den Fidschi-Inseln?
Minardi: Nee, der Frust war da, doch ich werde mich nicht verkriechen.

BZ: Was sagen Ihre Söhne dazu?
Minardi: Mit denen konnte ich noch gar nicht richtig darüber sprechen. Die haben bestimmt wie ich jede Menge SMS zu dem Thema gekriegt.

BZ: Alles Beileidsbekundungen?
Minardi: Nein, man hat sich über das Ausscheiden eher lustig gemacht. Jetzt könne man sich endlich ’ne Pizza bestellen während der WM, solche Scherze.

BZ: Das verärgert Sie nicht?
Minardi: Quatsch, ist doch lustig und nicht ernst gemeint. Ich hab den Spielern, die mich da hochnehmen wollten, schon angedroht: Ich lass’ Euch im Training laufen und setz’ euch im Spiel auf die Bank.

BZ: Wo muss der italienische Fußball ansetzen, um diese Talsohle zu verlassen?
Minardi: Es gibt doch viele Talente, in der U21 sind wir ganz stark. Doch diese Talente werden in den Vereinen nicht richtig gefördert und weiterentwickelt. Die bleiben in der Versenkung. Um Riesenjungs wie Insigne oder Florenzi muss in der Nationalelf jetzt eine neue Hierarchie entstehen. Es muss einen Umbruch geben, so wie bei den Deutschen nach der Europameisterschaft 2000.

BZ: Und bei der Spielweise?
Minardi: Ich weiß, das ist schwierig, ich bin ja Italiener. Doch ich verstehe nicht, warum nicht mehr Vereine modernen Fußball spielen lassen mit hohem Pressing, viel Tempo und mehr Eigeninitiative. Vorbildlich arbeiten in dieser Hinsicht eher die kleinen Klubs wie Atalanta Bergamo, im Moment Zehnter der Serie A.

Aufrufe: 017.11.2017, 13:30 Uhr
Matthias Kaufhold (BZ)Autor