2024-04-25T14:35:39.956Z

Ligabericht
– Foto: Thies Meyer

Eine Entscheidung für die Familie

KOL WEST & KLA WETZLAR: +++ Deniz Günes sorgt mit seinem Wechsel von der SG Oberbiel zum FC Amedspor Wetzlar für Staunen +++

Wetzlar. Die erste große Aufgabe für seinen neuen Verein hat Deniz Günes am Dienstag erfolgreich hinter sich gebracht. Ein Foto-Shooting mit der gesamten Mannschaft samt Einzelbilder für die neue Saison stand auf dem Programm. Kein Problem für einen jungen Mann, der beim Pressegespräch im feinen weißen Hemd, edler karierter Hose und stilvollen Sandalen erscheint. In knapp sechs Wochen tauscht der 27-Jährige dann sein Outfit in Stutzen, kurze Hose, Trikot und Fußballschuhe ein. Dann nämlich soll die neue Saison starten – und für Deniz Günes beginnt endgültig ein neues Kapitel.

Denn der Linksfuß hat sich dazu durchgerungen, den Kreisoberligisten SG Oberbiel zu verlassen und eine Klasse tiefer bei Aufsteiger FC Amedspor Wetzlar sein Glück zu versuchen. Die schwerste Entscheidung seines Lebens, wie er selbst sagt. Ein Beschluss, den er auch für seine Familie getroffen hat. Egal, ob seine Mutter, sein Vater oder deren Verwandtschaft: Sie alle sind Anhänger der Domstädter. Das war schon immer so. Sein Onkel Hüseyin Akbalik rückt zur neuen Saison sogar in den Vorstand auf. „Mein Herz gehört der SG Oberbiel, aber mein Heimatverein ist nun mal Amedspor“, sagt Deniz Günes und fügt mit einem Grinsen noch an: „Mein Onkel will doch seinen Neffen spielen sehen.“

Immer wieder buhlte der Club in der jüngsten Vergangenheit um die Offensivkraft. Immer wieder sagte er ab. Bis zum Winter, als er mehr Zeit zum Nachdenken hatte. Doch mit dem Ja zu Wetzlar folgte zwangsläufig das Nein zu den Solmsern. „Mir war es wichtig, es meinen Jungs in Oberbiel selbst zu sagen“, betont Deniz Günes. „Seine Jungs“, das sind vor allem Spielertrainer Florim Gash und Flamur Helshani. Beide gehören zu seinen besten Freunden. Aber auch den Rest der Mannschaft sowie die gesamte SGO bedeuten dem 27-Jährigen viel. „Ich kann diesen Club kaum mit Worten beschreiben. Ich wurde damals aufgenommen, als gehörte ich schon immer dazu. Wir sind wie eine Familie. Das habe ich bei noch keinem anderen Verein erlebt.“ Den Aufstieg traue er seinen Ex-Kollegen zu, definitiv würden sie zu den besten drei Mannschaften in der Kreisoberliga gehören.

Deniz Günes dagegen backt erst einmal kleinere Brötchen. Der FC Amedspor Wetzlar kam in der B-Liga auf Rang zwei, musste „dank“ Corona keine Aufstiegsspiele bestreiten und schaffte es dadurch in die A-Liga.

Nun sei der Klassenerhalt das erste Ziel. Ein Ziel, das vor allem nach der Verpflichtung des 27-Jährigen mehr als realistisch ist. Druck möchte sich der Stürmer, der bei der SG Oberbiel im offensiven Mittelfeld zum Einsatz kam, aber nicht machen. „Leute in der Stadt sprechen mich an und verlangen 20, 30 Tore von mir. Ich sage ihnen dann immer, dass ich das nicht alleine schaffen kann und wir nur als Team erfolgreich sein können.“ Doch kein Zweifel: Gerade mit Güven Polat und eben Deniz Günes verfügen die Domstädter insbesondere in der Offensive über große Qualität. „Mit Güven verstehe ich mich seit dem ersten Training. Er könnte locker höherklassig spielen“, glaubt Deniz Günes.

Er muss es wissen. Immerhin hat der 27-Jährige schon das Kunststück fertig gebracht, von der Hessenliga bis zur A-Liga auf seine Einsätze zu kommen. Vor allem in der Gruppenliga hinterließ er während seiner Station bei der U 23 des SC Waldgirmes großen Eindruck. Eine Klasse, die er sich, sofern er ein paar Kilos abnehme, immer noch zutraut. „Die Kreisoberliga ist aber perfekt für mich“, sagt Deniz Günes, der seine Stärken im Strafraum sieht und vor allem mit seiner körperlichen Präsenz und seinem Kopfballspiel auffällt, aber in der Arbeit nach hinten noch Luft nach oben sieht.

Von der Kreisoberliga möchte er aber nicht sprechen. Zunächst einmal sei es wichtig, den FC Amedspor Wetzlar in der A-Liga zu etablieren.

Vor allem auf das Duell mit Cermik Wetzlar, das mit der Verpflichtung von Sergen Rüzgar ebenfalls einen Coup landete („Ihn kenne ich persönlich sehr gut, das wird ein heißes Aufeinandertreffen“), freut er sich. „Da kommen immer viele Zuschauer“, glaubt er. Die Brisanz um dieses Spiel, das schon einmal in einer Massenschlägerei endete, hat er mitbekommen. Dennoch sagt er: „Ich glaube nicht, dass es Probleme gibt. Leider sind es immer wieder die Anhänger beider Lager, die aus dem Rahmen fallen. Wir Spieler sind dafür verantwortlich, dass es auf dem Platz ruhig zugeht.“

Er selbst möchte seinen Teil dazu beitragen. Vor allem in der vergangenen Runde überzeugte er bei der SG Oberbiel mit fünf Toren und 13 Vorlagen. „Ich hatte in der Vorbereitung so viel gearbeitet wie noch nie und war fit“, sagt Deniz Günes. Hartes und umfangreiches Training darf es nun auch beim FC Amedspor Wetzlar sein – das Foto-Shooting mit der Mannschaft gehört da sicherlich noch zu den einfacheren Aufgaben.



Reus, Galatasaray und die Frage nach dem größeren Talent

Deniz Günes wohnt in Wetzlar- Er ist türkischer Staatsbürger, möchte aber auch den deutschen Pass beantragen. Seine Eltern stammen aus Diyarbakır, der zweitgrößten Stadt Südostanatoliens in der Türkei. Aufgewachsen in Rechtenbach, fing er in der Jugend beim FC Reiskirchen mit dem Fußball an. Sein Vater Hasan stellte den Kontakt her. Sein jüngerer Bruder Ömer (25) geht für den TuS Naunheim auf Torejagd. „Er hat mehr Talent. Zumindest sagen das diejenigen, die mich ärgern wollen“, sagt er mit einem Lachen. Weitere Stationen von Deniz Günes bei den Junioren waren die SG Oberwetz, der RSV Büblingshausen und der SC Waldgirmes. Bei den Lahnauern machte der 27-Jährige seien ersten Spiele bei den Aktiven. „Hier habe ich das erste Mal gelernt, nach hinten zu arbeiten“, berichtet Deniz Günes, der bei der Firma Schunk in der Produktion arbeitet. Nach seiner Zeit beim SCW wechwelte er zum SV Volpertshausen und stieg mit dem Club in die Kreisoberliga auf. „Ich habe dort viele nette Menschen kennengelernt, aber irgendwie hat es fußballerisch nicht gepasst“, sagt der Linksfuß ehrlich. In den vergangenen drei Spielzeiten zeigte er bei der SG Oberbiel sein Können. Der Stürmer ist Fan von Eintracht Frankfurt und Galatasaray Istanbul. Sein Lieblingsspieler ist Marco Reus. Er selbst möchte noch spielen, bis er 60 ist. Dann bei den Alten Herren. „Fußball ist mein Leben“, betont Deniz Günes, der in seiner Freizeit gerne Zeit mit seiner Lebensgefährtin und seinen Freunden verbringt. (tis)

Aufrufe: 023.7.2020, 15:07 Uhr
Tim Straßheim (WNZ)Autor