2024-04-25T14:35:39.956Z

Ligabericht
Engagiert und lauffreudig: Aykut Öztürk (rechts), hier im Duell mit Homburgs Stefano Maier, feiert ein ordentliches Punktspieldebüt für den FC.	Foto: Ben
Engagiert und lauffreudig: Aykut Öztürk (rechts), hier im Duell mit Homburgs Stefano Maier, feiert ein ordentliches Punktspieldebüt für den FC. Foto: Ben

Eine Niederlage, auf der sich aufbauen lässt

RL SÜDWEST: +++ FC Gießen zeigt deutliche Reaktion auf Startdebakel / Mit etwas Glück ist sogar ein Punkt möglich +++

GIESSEN. „Aus und vorbei“ lautete die Eröffnung des Gießener Anzeiger zur Partie des FC Homburg beim SC Teutonia Watzenborn-Steinberg am letzten Spieltag der Saison 2016/17: Durch die 2:4-Niederlage hatte der Vorgängerverein des FC Gießen auch die letzte theoretische Chance auf den Klassenerhalt in der Regionalliga Südwest verspielt. Am Samstag zog der FCG auch mit zwei Toren Differenz den Kürzeren, aber eben im zweiten Match der Saison. Deshalb war von Tristesse bei den Hausherren verständlicherweise nichts zu spüren: Es bleibt Zeit, die nötigen Punkte einzufahren.

Die Mannschaft zeigte die geforderte Reaktion auf das Debakel in Elversberg und wehrte sich mit allem, was sie hatte – davon zeugen auch die sieben gelben Karten. Spielerisch ist noch einiges an Luft nach oben, wenngleich die Saarländer nicht der Maßstab sind. Und so setzte sich die Erkenntnis durch: Der Anfang ist gemacht. Auf der anderen Seite wird klar, warum es immer wieder heißt, der Sprung von der Oberliga in die vierte Liga sei, als würde man eine Klasse überspringen.

Personelles und Taktik: Wie erwartet brachte Trainer Daniyel Cimen in der Anfangsformation mit Vaclav Koutny, Nico Rinderknecht und Aykut Öztürk drei neue Spieler. Draußen blieben die Außen Marko Koch und Jann Bangert (nicht im Kader) sowie Rechtsverteidiger Ricardo Antonaci, der in der Hessenliga-Runde unumstrittener Stammspieler gewesen war. Dort verteidigte Kapitän Koutny und in der Zentrale Rinderknecht, sodass der FCG mit einer Fünferkette begann, um defensiv kompakt zu stehen und Sicherheit zu gewinnen.

„Homburg war am Anfang überlegen“, konstatierte Coach Cimen auf der Pressekonferenz und begründete die Umstellung zurück zur Viererkette im Verlauf der ersten Hälfte: „Dulleck hat bei Homburg fast wie ein Zehner gespielt. Dadurch waren wir hinten ein Mann zu viel und haben deswegen Nico Rinderknecht weiter nach vorne geschoben. In der zweiten Halbzeit haben wir es im 4-1-4-1 gut gemacht, da konnten wir die Homburger im Spielaufbau sehr gut stören.“

Körperlich präsent, laufstark, spielstark: Der 21-Jährige Rinderknecht deutete an, dass er im Mittelfeld defensiv wie offensiv eine wichtige Figur sein wird. Kapitän Koutny dazu: „Nico ist sehr ruhig am Ball, das ist wichtig für uns, auch weil wir manchmal zu hektisch sind. Zudem hat er durch die dritte Liga einiges an Erfahrung. Wir bauen auf ihn.“

20 Minuten vor dem Ende gab der erst Mitte der Woche verpflichtete Dimitrios Ferfelis seinen Einstand. Der 26-Jährige hatte keine Großchance zu verzeichnen, dennoch war ersichtlich, dass der 1,95 Meter-Hüne an der Seite der schnellen, beweglichen und flexiblen Offensivleute den Typus Angreifer verkörpert, der den Gießenern noch gefehlt hat.

Ganz bitter verlief der Nachmittag derweil für einen anderen Einwechselspieler. Marko Koch fand überhaupt keine Bindung zum Spiel, leitete mit einem Ballverlust fast das 0:2 ein und wurde 16 Minuten später bereits wieder ausgewechselt.

Effizienz: Mit etwas Glück wäre für die Gießener sogar ein Punkt drin gewesen. Im Blickpunkt bei drei Aktionen war dabei Noah Michel. Einmal wurde er, allein auf Keeper Salfeld zulaufend, im letzten Moment in einem Zweikampf auf Biegen und Brechen gestoppt. „Wenn ich falle, gibt die Schiedsrichterin vielleicht Elfmeter. Aber ich wollte weitermachen und dachte, ich kann ihn reinschieben“, meinte Michel selbst zu dieser Szene. Neben dem Pfosten-Kopfball haderte der 24-Jährige mit jener Szene, als ihn Aykut Öztürk aussichtsreich freigespielt hatte. „Da muss ich einen Tick eher abschließen“, gab Michel zu. „Da musst du direkt gegen die Laufrichtung des Keepers schießen“, befand Daniyel Cimen, „das klappt, wenn du das Selbstvertrauen hast.“ Der FCG muss lernen, seine Einschussmöglichkeiten besser zu nutzen, noch zumal gegen die Spitzenteams.

Atmosphäre im Waldstadion: Es braucht Zeit, um eine echte Fankultur aufzubauen. Beim FC Homburg hat sie sicherlich seit dem bereits über 30 Jahre zurückliegenden Abstiegs aus der Bundesliga gelitten, trotzdem zeigten die mitgereisten Fans im Kleinen, wie das aussehen kann. Nahezu über die volle Spielzeit unterstützten sie ihr Team mit lautstarken Gesängen – und zwar unabhängig vom Geschehen auf dem grünen Rasen. Davon ist der FCG, mit Ausnahme der „Supporter Gießen“, noch ein ganzes Stück entfernt.

Die Mannschaft hat mit ihrer couragierten, kämpferischen Vorstellung einen Schritt in die richtige Richtung gemacht. Die Zuschauer waren präsent, wenn der Funke vom Spielfeld auf sie übersprang. So beispielsweise bei Michels langem Lauf auf Torhüter Salfeld. Ansonsten entsprach die Kulisse von rund 2700 Zuschauern in etwa den Erwartungen des Clubs. Unter den Besuchern auf der Haupttribüne waren auch Eintracht Frankfurts Trainerlegende Dragoslav „Stepi“ Stepanovic und Hessens Ministerpräsident Volker Bouffier.

Drumherum: FCG-Abteilungsleiter Andreas Heller, zuständig für die Abläufe rund um die Heimspiele, tippte vor den 90 Minuten auf einen 2:1-Erfolg der Gießener. Dieser Wunsch ging zwar nicht in Erfüllung, dafür lief alles in Hellers Einflussbereich glatt. Polizei und Ordnungsamt zeigten sich zufrieden und hatten keinerlei Beanstandungen zu vermelden. Der ein oder andere mag sich für das erste Heimspiel die Offenbacher Kickers als Gegner gewünscht haben, aber für die Premiere waren die Saarländer gerade richtig. Ein namhafter Ex-Bundesligist, für die heimischen Fußballfans in jedem Fall interessant, der immerhin auch etwa 120 Anhänger mitbrachte, aber eben nicht im hohen dreistelligen oder gar vierstelligen Bereich, wie es bei den Kickers der Fall sein dürfte. Konfliktpotenzial, wie es in dem Hessen-Derby womöglich zu erwarten steht, war keines vorhanden, sodass Heller und Co anhand dieses Gradmessers in aller Ruhe analysieren und gegebenfalls Optimierungen vornehmen können.



Aufrufe: 04.8.2019, 21:00 Uhr
Thomas Suer (Gießener Anzeiger)Autor