2024-05-02T16:12:49.858Z

Allgemeines

"Es bringt nichts, die Menschen zu verbiegen"

Torhüter, Schiedsrichter und Nachwuchs-Coach Nico Hannemann im Interview mit FuPa Brandenburg

Während sich das Landesliga-Team des SC Energie Prenzlau weiter in großartiger Manier im obersten Abschnitt ihres Klassements tummelt, schliddert die "Zweite“ des Clubs eher in gefährlich dünnem Abstand am Abgrund in der Uckermarkliga herum. Wie geht es weiter mit dem Team aus der nachrückenden Energie-Reihe? Wir fragten nach bei Torhüter, Schiedsrichter und Nachwuchs-Coach Nico Hannemann.
Die (sportliche) Situation rund um die „Zweite“ des SC Energie scheint zwar noch nicht prekär, dennoch aber dürfte sie kaum den Erwartungen und Hoffnungen des vergangenen Sommers entsprechen. Platz elf und knappe drei Zähler vor dem Abstieg können nicht genügen. Wie klingt Dein persönliches Winter-Fazit zur absolvieren Hinrunde in der Uckermarkliga?

Für mich ist es schwierig, ein Urteil über die erste Saisonhälfte zu fällen. Da ich als A-Junioren-Trainer und auch als Schiedsrichter unterwegs bin, kann ich nur bei wenigen Spielen dabei sein. Das ist zum einen natürlich schade, andererseits bin ich vor dieser Saison als Referee in die Uckermarkliga aufgestiegen. Von daher war mir relativ schnell klar, dass ich diese Chance wahrnehmen möchte. Mit dem Schiedsrichtervorstand war es abgesprochen, dass ich für diesen Fall das Spielen einschränke und nur für den Notfall als Torwart einspringe. Aber nichtsdestotrotz können wir mit der Punkteausbeute nicht zufrieden sein. Da waren zu viele, unnötige Punktverluste dabei. Jeder sollte sich über den Ernst der Lage im Klaren sein. Das wird noch eine lange Saison, gerade in dieser Situation zählen keine Ausreden mehr. Jeder muss mit 100% bei der Sache sein und alles möglich machen, um dem Team helfen zu können. Wir haben endlich ein junges Team, dass da natürlich Lernprozesse stattfinden, ist völllig normal. Ich bin mir sicher, dass die Rückrunde erfolgreicher wird. Was die Mannschaft kann, hat sie vor allem am Anfang der Saison und im Pokal gezeigt. Daran gilt es anzuknüpfen!

Satte 40 Gegentore in bislang 14 Spielen sprechen nicht gerade für eine stabile Defensive! Ist die drittschlechteste Abwehr der Liga das „Hauptproblem“ und falls ja: lässt sich aus Deiner Sicht daran kurz- und mittelfristig etwas ändern? Was wären ggf. Deine (strategischen) Vorschläge?

Es ist immer einfach, die Schuld auf die Abwehr zu schieben. Natürlich waren da hohe Niederlagen dabei, die so nicht passieren dürfen. Aber die Verteidigung beginnt ja bereits vorne. Ich bevorzuge, sowohl als Torwart sowie auch als Trainer, ein frühes Anlaufen der gegnerischen Verteidiger. Das Angriffspressing erfordert aber natürlich eine gute Fitness und hohe Konzentration aller Spieler. Wir sollten den Mut haben, das Spielsystem dementsprechend durchzuziehen und nicht wieder nach ein oder zwei Rückschlägen alles umzukrempeln. Für mich ist das Hauptproblem nicht die Defensive. Es funktioniert nur als Team, als eingeschworene Einheit. Und das wiederum geht nur, wenn jeder den anderen respektiert. Man muss nicht mit allen privat gut auskommen, aber auf dem Platz sollten wir als eine Einheit über 90 Minuten alles geben. Wenn wir das tun, dann haben wir definitiv nichts mit dem Abstieg zu tun. Die Qualität ist ganz sicher vorhanden!

Mit 26 eigenen Treffern hingegen rangiert Ihr bislang immerhin im mäßigen Mittelfeld – verteilt aber auf schon zehn Torschützen spricht auch dies wieder eher gegen einige Konstanz – hier in der Offensive. Ist die vergleichsweise hohe „Streuung“ tolerabel – gar gewollt? Auch die insgesamt bereits 29 eingesetzten Spieler (Vorjahr insgesamt 34!) lassen eher wenig Raum für die gewünschte Bildung eines Mannschaftskerns mit verlässlichen Routinen, Systemen und Taktiken, an die die Trainer verstärkt junge Athleten heranführen könnten. Ist diese erneut fast überbordende Kaderbreite eher die Folge eines üppigen Spielerpools, oder doch aus einiger –z.B. zeitlicher– Not geboren?

Einen üppigen Spielerpool haben wir eher nicht zur Verfügung. Wir sollten nicht vergessen, dass die „Zweite“ zumindest unseres Vereins ursprünglich dafür da ist, junge Spieler zu integrieren und auf die erste Mannschaft mit vorzubereiten. Da es lediglich ein Hobby ist und jeder nebenbei natürlich noch Familie und Arbeit hat, kommt es zwangsweise zu Veränderungen. Da rutschen dann auch ´mal A-Junioren oder Reserve-Spieler der „Ersten“ in den Kader. Selbstverständlich gerät es daraus dann schwieriger, einen festen Kern zu bilden, ungewöhnlich oder gar unmöglich gestaltet sich dies nicht.

Wir kennen speziell Dich selbst als tollen Schlussmann, aber auch als treffsicher im Offensivbereich. Letzteres jedoch kam in der Hinrunde nicht vor. Bei Deinen insgesamt lediglich drei Liga-Einsätzen als Torwart mit sechs Gegentoren… - zählst Du Dich selbst zum Stamm der Lemcke-Elf? Welche Position spielst Du am liebsten im Team?

Aus den verschiedensten Gründen bin ich inzwischen nur noch selten dabei. Ein paar mehr Einsätze waren es schon, im Pokal z.B. stand ich im Tor. Ich versuche, wenn ich dabei bin, der Mannschaft mit einer offensiven Interpretation der Torwart-Position Sicherheit zu geben. Die Position selbst ist mir aber eigentlich egal. Wenn ich dabei bin, spiele ich da, wo der Trainer mich aufstellt und versuche mein Bestes zu geben. Aktuell denke ich, dass ich als Keeper besser tauge, das wird in der Rückrunde aber auch nicht oft der Fall sein. Mit Kai Michalak oder Udo Burmeister haben wir aber auch andere sehr gute Torhüter, die auch gern einspringen. Außerdem haben wir ja noch Pascal Warnke, der aus der Auswahl unserer A-Junioren gerne einspringt. Da bin ich mir sicher.

Ein oft behandeltes Thema ist die Zusammenarbeit im Club zwischen „Erster“ und „Zweiter“ Mannschaft sowie der Junioren-Abteilung. Auffällig ist dabei, dass der interne Wechsel als Ergänzung, wie auch als Aushilfe eher karg ausfällt. Täuscht der Eindruck? Wie gut funktionieren die Schnittstellen zwischen den einzelnen Teams im Verein? Wie wichtig z.B. ist für Euch und speziell damit Dich das Nachrücken aus den in dieser Saison vergleichsweise tollen A-Junioren? Was funktioniert schon toll und woran fehlt es noch diesbezüglich?

Also die Zusammenarbeit zwischen unserem Chefcoach der Männer, Heiko Stäck, und mir klappt bisher gut. Wir sind regelmäßig, mindestens wöchentlich im Austausch. Mein Ziel ist es, die A-Junioren auf den Männerbereich vorzubereiten. Dabei haben wir ähnliche Vorstellungen vom Spielsystem. Einige der Jungs konnten im Sommer auch schon ´mal in Testspielen ´reinschnuppern und können bereits im Männerbereich mittrainieren. Man muss aber aufpassen, dass man die Jungs nicht zu früh „hochzieht“. Das Niveau in der Männer-Landesliga ist natürlich viel höher, als das in der Landesklasse der Junioren. Aber reißt man aus der A-Jugend einige Spieler des älteren Jahrgangs komplett heraus, wirkt sich das negativ auf die verbleibende Mannschaft aus, denn schließlich sind sie die Leistungsträger der Mannschaft. Dieser gravierende Fehler wird in vielen Mannschaften gemacht. Daher bin ich zufrieden, dass unser Austausch unter den Trainern gut funktioniert und die Jungs, die momentan schon bei der „Ersten“ dabei sind, auch regelmäßig unser A-Team unterstützen. Auch mit meinem Trainer der „Zweiten“, Andreas Lemcke, tausche ich mich öfter aus. Sei es um Gegner auszuwerten, Spieleraushilfen oder um Meinungsaustausch der Spielweise und ähnlichen Dingen. Man sollte versuchen, die „Zweite“ als Stütze der Ersten aufzubauen. Dafür benötigt es aber auch die Jugend, die den Weg über die „Zweite“ geht. In unserer Region natürlich schwierig, aber Gespräche mit meinen Jungs stehen an. Es geht um die Planung der nächsten Saison. Wir wollen natürlich aus dem ´98er-Jahrgang möglichst viele in den Männerbereich integrieren!

Anders, als in der „Ersten“, standen bislang 14 durchweg ungleiche Startaufstellungen auf den Plätzen, keine wiederholte sich. Mit einem Durchschnittsalter von nur 25,8 Jahren ist die Mannschaft trotz (oder gerade wegen?) des breiten Kaders deutlich jünger, als ihr Pendent aus der Landesliga. Angesichts der bislang abgelieferten Leistungen – wie gilt ist dies für Dich? Eher als ein Indiz für „zu viel Jugend“ und damit mangelnde Erfahrung im Team oder könnte der stabilere und stetigere Einsatz junger Spieler nicht nur deren fortgesetzte Ausbildung, sondern auch Pflichtbewusstsein, Ehrgeiz und Zusammenhalt in Training und Spiel fördern? Wie siehst Du diesen Weg gerade auch vor dem Hintergrund Deiner A-Junioren?

Das ist der absolut richtige Weg! Wozu bilden wir die Jungs denn sonst aus? Natürlich werden wir nicht alle Jungs in den Männerbereich bekommen, weil einige z.B. aufgrund der Arbeit andere Wege einschlagen werden. Aber nur so geht es. Außerdem ist es für die jüngeren Spieler doch viel einfacher, in ein Team zu kommen, in dem möglichst Gleichaltrige dabei sind, die sie seit Jahren kennen oder mit denen sie im Idealfall auch seit Jahren zusammenspielen. Dass dadurch natürlich einige Spiele auch mal wegen mangelnder Erfahrung verloren gehen, ist nachvollziehbar. Ich persönlich würde mir gar einen noch jüngeren Durchschnitt wünschen! Wir haben gute Jungs in den Junioren. Schaffen wir es, einen Großteil zu halten, mache ich mir überhaupt keine Sorgen.

Grundsätzlich gilt die „Zweite“ des Vereins ja nicht als „Abschiebe-Sektion“ im Herren-Sektor, wäre aus Deiner Sicht und angesichts des doch vermeintlich üppigen Kaders gar die Neugründung einer „Dritten“ eine Idee, um z.B. vereinsinterne Konkurrenz aufzubauen? Inwieweit empfindest Du den eigentlichen „Reserve-Charakter“ der „Zweiten“ zugunsten der „Ersten“ heute noch zeitgemäß bzw. gar erfüllt?

Nein, definitiv nicht. Dafür haben wir gar nicht die Anzahl der Spieler. Wir haben in der „Ersten“ und „Zweiten“ auch einige ältere Spieler, die in den nächsten Jahren nicht mehr zur Verfügung stehen werden (oder wenn, dann nur unregelmäßig). Von daher sollten wir die „Zweite“ weiter als sekundäres Standbein aufbauen.

Aktuell stehen noch 14 Pflichtspielpartien auf der Agenda 2017 – was meinst Du, wo prangt des Energie-Logo der „Zweiten“ am 17. Juni? Was geht ggf. noch nach oben zumal der drohende Abstieg in die ungeliebte Kreisliga noch im Sommer als gänzlich ausgeschlossen galt?

Ich erwarte einen einstelligen Tabellenplatz. Wichtig sind vor allem die direkten Begegnungen gegen die Tabellennachbarn. Wenn wir dann noch ein oder zwei Überraschungen schaffen, sollte dies ein realistisches Ziel sein.

Dein „Hauptjob“ im Verein hat sich längst auf die Trainerarbeit im Juniorenbereich verlagert. Was reizt Dich mehr – Coach oder Spieler? Wo siehst Du die „Zweite“ und wo Dich selbst als ausgebildeter Coach sagen wir im nächsten Winter 2018?

Ganz klar als Trainer! Die Arbeit mit den Jungs macht einfach nur riesig Spaß und ich lerne täglich hinzu. Dadurch, dass mir der Verein die B-Lizenz-Ausbildung ermöglichte, kann ich noch strukturierter vorgehen und den Jungs noch mehr vermitteln. Die „Zweite“ sehe ich im nächsten Winter im Mittelfeld der Liga, sollten wir es schaffen, einige der ´98er-Junioren einzubauen. Wo ich selber dann als Trainer bin, kann ich momentan nicht sagen. Ich konzentriere mich jetzt voll und ganz auf die Rückrunde und die Ausbildung der Jungs in der A- und auch B-Jugend. Auf der nächsten Trainerkonferenz ist es mir wichtig, konzeptionelle Dinge anzusprechen, wie z.B. eine klare Ausrichtung für unsere Jugend – nur so geht es. Natürlich werden die Verantwortlichen Pläne haben, wo und in welcher Rolle sie mich in der nächsten Saison sehen. Ich werde es mir anhören und sodann entscheiden. Momentan fühle ich mich im A-Bereich gut aufgehoben und hoffe, dass die Jungs auch mit mir zufrieden sind. Alles was künftig kommt, sehen wir dann.

Gerade Deine fundierten und altersklassen-übergreifenden Kenntnisse sowohl als Spieler, wie auch als Trainer, weisen Dich als intimen Kenner der Amateurszene aus. Deinem Coach der „Zweiten“ und Freund, Andreas Lemcke, Tipps zu geben, verbietet sich (zumindest öffentlich) von selbst. Könntest Du Dir hier eine intensive vereinsinterne Zusammenarbeit auf Trainerebene vorstellen? Welche Bedingungen gäbe es Deinerseits ggf. dafür?

Also so würde ich mich nicht bezeichnen. Ich bemühe mich und investiere sehr viel Zeit in die Arbeit mit „meinen“ A-Junioren, aber das ist ja völlig normal und das haben sie sich auch verdient. Andreas und ich sind häufiger im Austausch. Er fragt mich auch ab und an, wie meine Sicht der Dinge ist. Ich bin aber auch so ehrlich und spreche Dinge an, wenn ich etwas anders sehe – das passt alles sehr gut. Wir sind alle keine Profis und haben den Fußball nicht erfunden. Wenn ich Spieler bin, höre ich auf das, was er sagt. Selbst wenn ich mal eine andere Meinung habe. Dafür tauschen wir uns dann ´mal im Training aus. Außerdem bin ich mit 23 Jahren nun auch (noch) nicht sonderlich erfahren und kann von ihm so noch vieles lernen!

Vielleicht noch eine eher „regional-politische“ Frage: in der Presse läuft derzeit ein ziemlich intensives und nur höchst bedingt logisch-verständliches Hick-Hack rund um den Verein und seinen Präsidenten. Inwieweit ficht Dich und Euch als Sportler all das an? Kapselt Ihr Euch da eher ab oder nehmt Ihr aktiv teil an dieser sogenannten „Diskussion im Glauben an die Pressefreiheit“? Interessiert speziell Dich das ganze Thema überhaupt?

Natürlich bekommt man das mit. Ich finde aber, dass es eine Privatsphäre gibt und dazu gehört das Privatleben von jedem! Wir sind alle nicht fehlerfrei. Es gibt für alles immer zuständige Instanzen, damit müssen die sich dann beschäftigen. Logischerweise bildet man sich auch Meinungen, dazu stehe ich. Im Vordergrund steht aber das Training der Jungs. Sie beginnen ihre Ausbildungen, kommen in die Abiturphase. Sie entwickeln sich menschlich weiter, müssen immer selbstständiger werden und ganz nebenbei spielen wir ja auch noch Fußball. Das ist mir alles viel wichtiger, als irgendwelche persönlichen Fehden von Herrn Schulze und unserem Vorstand.

Angenommen, Du hättest gleich zweimal drei Wünsche frei – zum einen speziell für Dich im Verein und Dein Team und andererseits privat, sozial usw. – was würdest Du Dir wünschen wollen?

Ich wünsche meinen Jungs viel Erfolg in der Schule und im Arbeitsleben, Gesundheit und dass sie sich stets selbst treu bleiben. Jeder ist auf seine eigene Art und Weise super, ich komme mit allen sehr gut aus. Sportlich wünsche ich uns natürlich eine erfolgreiche Rückrunde, aber das steht hinter all dem anderen. Ich bin momentan glücklich. Ich habe eine tolle Familie, eine Freundin, die alle hinter mir stehen und mich, wo es nur geht, unterstützen. Dafür möchte ich einfach ´mal Danke sagen! Ich möchte auch meinen Jungs danken für all das, was ich mit Ihnen bisher erleben durfte und noch erleben darf!

Was würdest Du gerne ´mal loswerden, was sollte aus Deiner Sicht endlich ´mal gesagt und/oder wiederholt werden?

Wir sollten die Spieler nicht nur als Spieler sehen, sondern zuerst als Menschen – jeder ist unterschiedlich. Klar muss man sich an Normen und Regeln halten. Aber es bringt nichts, die Menschen zu verbiegen. Wir sollten die Charaktere so akzeptieren, wie sie sind. Wir machen das alle als Hobby – eine offene Kommunikation auf Augenhöhe bringt viel mehr, als irgendwelche Vorgaben durchzudrücken. Jeder hat seine eigene Meinung, Wünsche und Fähigkeiten. Ich bedanke mich einfach bei meinen Jungs, den Eltern und allen Unterstützern. Ich freue mich auf die Rückrunde als Trainer und wieder unvergessliche Momente mit dieser völlig positiv verrückten Truppe! Ich bin stolz auf das bisher Erreichte von jedem Einzelnen!

Aufrufe: 022.2.2017, 16:00 Uhr
Ulrike SchwahnAutor