2024-04-25T10:27:22.981Z

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Engin Kalender kennt die Regionalliga, die Bayernliga, die Landesliga, die türki­schen Profiligen - und jetzt auch die A-Klasse 8. F: Zink
Engin Kalender kennt die Regionalliga, die Bayernliga, die Landesliga, die türki­schen Profiligen - und jetzt auch die A-Klasse 8. F: Zink

Engin Kalender: Für ein bisschen Taschengeld

Der 32-Jährige spielt mittlerweile in der A-Klasse, steigt mit dem SSV Elektra aber wohl auf

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Die Kreisklasse bekommt schon bald ambitionierten Zuwachs: Für den SSV Elektra Hellas soll der Aufstieg aus der A-Klasse nur ein Meilenstein auf dem Weg nach weiter oben sein. Dafür haben sie einige prominente Namen im Kader, einer sticht aber besonders heraus.
Auch ein großer Name schützt nicht vor Bestrafung. Nicht einmal in den Untiefen des Fußballs, in der A-Klasse 8, wo Kampf und unbeding­ter Wille meist wichtiger sind als fei­ne Technik. 80 Minuten waren zwi­schen dem SSV Elektra und dem DJK BFC gespielt, als Engin Kalen­der rot sah – in vielerlei Hinsicht.

Zunächst sah Kalender ein rotes Trikot, er sah es heranrauschen, ziem­lich rustikal sogar. „Das hätte Rot sein müssen“, sagte er kurz darauf, „der hätte auch meine Kniescheibe treffen können.“ Doch rot sah wie gesagt nur Engin Kalender, wütend war er, sehr wütend, packte seinen armen Gegenspieler am Nacken und warf ihn zu Boden. Und dann sah der 31-Jährige, für den das Prädikat Wandervogel wohl einst erfunden wurde, ein drittes Mal rot: Platzver­weis.

Welche Stellung Engin Kalender beim SSV Elektra hat, wurde anschließend deutlich. Als der Sün­der vom Platz trabte, da brandete Jubel auf, die vielen Menschen auf dem Sportplatz am Pegnitzgrund fei­erten ihn wie einen Helden. Als einen solchen haben sie ihn zwar nicht geholt in der Winterpause, wohl aber, um ihrer Mannschaft weitere Stabilität zu verleihen. Einer Mann­schaft, die im vergangenen Jahr den Aufstieg in die Kreisklasse erst in der Relegation verpasste und nun end­lich nach oben will.

Ein Jahr hatte Engin Kalender nicht mehr Fußball gespielt, seine letzte größere Station war der türki­sche Zweitligist Kahramanmaras aus Anatolien, „da sind wir aber abgestie­gen und es gab Probleme mit dem Gehalt, wir waren auch vor Gericht“.

Dimitrios Kesaris, ein findiger Geschäftsmann und Gönner des SSV Elektra, sprach seinen Kumpel an, „er hat mich gebeten, dem Verein zu helfen“. Über Geld spricht man beim Klub nicht gerne, aber wenn ein Mann vom Format Engin Kalender in die A-Klasse kommt, tut er das sicher­lich nicht aus reinem Spaß am Fuß­ball, auch wenn er genau das betont. „A bissla Taschengeld als Danke­schön“ habe er bekommen, sagt er und grinst, der Frust über den Platz­verweis ist da längst verflogen.

Offen für alles

Grund zur Freude hatten sie zuvor ja auch genug. Fünf Punkte betrug vor dem Spiel der Vorsprung auf den Zweiten, die DJK BFC, die fußballe­risch ebenfalls aus der A-Klasse her­ausstechen. Das Problem: Der SSV Elektra tut es noch viel mehr. Und so lief der Ball für diese Liga unge­wohnt flüssig über den Rasen, zur Halbzeit führte Hellas mit 3:0.

Hellas? Der 2011 gegründete FC Hellas schloss sich dem SSV an, stell­te zunächst eine Mannschaft, inzwi­schen spielen fast nur noch Griechen für den Verein. FC Hellas steht auf den Trikots, die Spieler sprechen nur von Hellas, auf dem Grill kommen neben Bratwürsten köstliche Souvla­ki. Nur der Verband, der führt sie for­mal als SSV Elektra.

Und dieser SSV Elektra hat nun gute Karten, fortan in der Kreisklas­se zu spielen, mittelfristig wollen sie in die Bezirksliga. Auch wenn Engin Kalender und seine Kollegen nach der Pause einige Gänge zurückschal­teten, fielen noch zwei weitere Tore - zweimal traf: Engin Kalender, es waren seine Tore 20 und 21, in sieben Spielen wohlgemerkt. Zwei Spiele verbleiben, einen Punkt brauchen sie noch, um den Aufstieg auch rechne­risch festzumachen. Ob Rotsünder Engin Kalender noch einmal dabei sein darf, bleibt offen.

Ob er auch weiter für den SSV Elek­tra spielt ebenfalls. Wohl fühle er sich, „ich kann hier mit dem Fahrrad zum Training fahren“. Andererseits will er sich schon bald mit einer Sportsbar selbstständig machen, erzählt er. Selbstvertrauen hat er außerdem genug, um nicht den Rest seines Fußballerlebens in der A- und Kreisklasse zu verbringen. „Ich bin offen für alles“, sagt er, „drei bis vier Jahre auf höherem Niveau traue ich mir schon noch zu.“ Sehr schön sei es in der Türkei gewesen, womöglich klingelt schon bald wieder das Tele­fon und jemand will Engin Kalender verpflichten. „Das ist im Ausland oft alles sehr spontan, ich wäre in der Winterpause auch fast in der ersten Liga im Kosovo gelandet.“

Aber eben nur fast, jetzt ist er einer der Führungsspieler eines A-Klassis­ten. Oder sollte es sein: „Wir wuss­ten, dass er ein schwieriger Charak­ter ist“, sagt Trainer Theodoros Git­sas, „um ein Team zu führen, braucht es letztlich mehr Cleverness, die Rote Karte heute beispielsweise trübt sei­ne Leistung.“ Eigentlich sollte Kalen­der menschlich und spielerisch mit gutem Beispiel vorangehen, den Takt vorgeben. Aber, seufzt Gitsas, „wenn er das mit 31 Jahren noch nicht einge­sehen hat“.

Aufrufe: 023.5.2016, 09:58 Uhr
Michael Fischer (NN)Autor