2024-04-25T14:35:39.956Z

Kommentar

EINWURF: Was zählt, ist die Marke

Aus Traditionssportstätten werden Sponsoren-Arenen.

Villingen, die hübsche Schwester der über die Spätzlegrenze hinweg entstandenen Doppelstadt, ist ein Hort der Tradition. Der Narro, das prominenteste Holzgesicht der alemannischen Fasnet, springt hier seit mehr als 400 Jahren über die Gass. Wer auf die Idee käme, den Narro mit einem Werbeaufkleber (Bäpper) zu verunstalten, nur weil er die Narretei finanziell unterstützt oder die Ikone der Fasnet umzubenennen (Holzhansel powered bei Wild Wings), der würde mit Fasnetentzug auf Lebenszeit bestraft.
Keinen Spaß versteht der Villinger auch, wenn es um den berühmtesten Sportklub der badischen Doppelstadthälfte geht, den altehrwürdigen FC 08. Der residiert seit seiner Gründung jenseits der historischen Stadtmauer im mehr oder minder sanierungsbedürftigen Friedengrund-Stadion. Dem größten Mäzen und Förderer des Vereins haben die Nullachter mit der Paul-Riegger-Tribüne ein mittlerweile verwittertes Denkmal auf der Gegengeraden gesetzt - doch der Name des Stadions blieb unantastbar.

Jetzt ist die Tradition geschleift: Weil eine in St. Georgen ansässige Firma die klammen Nullachter, die in zähem Ringen einen 500 000 Euro hohen Schuldenberg abgeschmolzen haben, mit namhaften Zahlungen in ungenannter Höhe unterstützt, wurde aus dem Friedengrundstadion das ebm-papst-Stadion. Das macht eingefleischte Nullacht-Fans, wie jene Gruppe Endsechziger, die sich jüngst beim Spiel des Bundesligisten Schalke 04 gegen die Villinger Amateurkicker erzürnten ("des isch und bleibt de Friedegrund"), fassungslos. Die Aufregung verpufft. Die Villinger Stadion-Umbenenner sind schließlich keine Trendsetter, sondern spät dran. Wer zahlt, benennt, diese Faustregel gilt längst. Tradition ist da nur hinderlich. Der einstige Eishockeytempel Bauchenbergstadion ist in Schwenningen längst der Helios-Arena gewichen. In Lenzkirch wurde aus dem Schliechtstadion das Atmos-Stadion, in Freiburg mutierte das Dreisamstadion zum Badenova-Stadion und schließlich zum Mage Solar-Stadion. Fortsetzung folgt.

Die Red-Bullisierung im Sport ist nicht aufzuhalten. So aggressiv wie der österreichische Koffeinbrausehersteller, der Teams von der Formel 1 bis zur Eishockey-Bundesliga seinen Namen voranstellt und einen Werbepropheten aus dem Weltall zur Erde stürzen ließ, sind nur wenige Firmen.

Was mit Sportstätten geschieht, hat bei den Berufsradfahrern hundert Jahre Tradition. Im Team Telekom, bei den Mappeis, den Once-Cyclisten. Und auch auf groben Stollen. Dass sie aus Kirchzarten, St. Märgen oder Breitnau kommen, ist bei den Sportlern des Lexware-Rothaus-Teams, powered by HTG, zweitrangig. Was zuerst zählt, ist die Marke.
Aufrufe: 010.7.2013, 00:00 Uhr
Johannes Bachmann (BZ)Autor