2024-05-08T14:46:11.570Z

Interview
Simone Laudehr bekommt häufiger mal was auf die Beine. Foto: dpa
Simone Laudehr bekommt häufiger mal was auf die Beine. Foto: dpa

Eine Kämpferin über Haare, Hund und ein Foto

Die Regensburger Nationalspielerin Simone Laudehr im Interview mit MZ-Autorin Inga Radel

Das Interview entstand in der Lobby des deutschen Mannschaftshotels in Montréal, dem Le Centre Sheraton, dem offiziellen Fifa-Hotel. Dort sind auch die Französinnen untergebracht.
Simone Laudehr, viele kennen Ihr Foto, nach ihrem WM-Siegtor 2007 in China, auf dem Ihre Bauchmuskeln zu sehen sind. War dieses Bild für Sie eher Fluch oder Segen?
Ach ja, das Foto. Ich darf's immer noch häufig unterschreiben, das wird mich auf ewig verfolgen. Jedes Mal wenn ich dieses Bild sehe, denke ich ,Mein Gott, wieso immer dieses Foto?' Nur weil ich da mein Trikot hochgezogen habe... Andersherum ist es auch eine schöne Erinnerung an eine coole, aber auch harte Zeit.

Inwiefern hart?
Ich war ganz neu, ich stieß erst zur WM-Vorbereitung zur Nationalmannschaft. Dann fährst Du plötzlich zur WM, dann gewinnst Du das noch und dann schießt Du auch noch das 2:0. Puh, das war alles krass.

Wenn man Sie googelt, kommt ganz oben “Simone Laudehr Verletzung”. Sie sind gewissermaßen die Schmerzensfrau im deutschen Frauenfußball. Zuletzt beim 4:1-Achtelfinalsieg gegen Schweden zeigte die Zeitlupe auf der Leinwand, wie ihr Fuß im erschreckenden Winkel umknickte. Ein Raunen ging durchs Stadion...
Nach 20 Jahren des Um-knickens merkt man das irgendwann nicht mehr. Es muss schon wirklich etwas passieren bis ich mich auswechseln lasse. Zum Beispiel wenn ich merke: Wenn ich jetzt weiterspiele, würde es richtig knallen in meinen Bändern. Aber als Außenspielerin, die viel in Laufduelle geht, ins Eins-gegen-Eins... Da können mich viele nur mit Trikotziehen oder Umboxen bremsen. Das ist meistens die Lösung der Gegenspielerinnen. Da muss man auch einstecken können.

Sie sind von der Leidensfähigkeit her ihrem Vorbild Bastian Schweinsteiger, dem blutverschmierten WM-Helden, nahe?
Er ist auf jeden Fall mein Vorbild, er spielt zwar nicht dieselbe Position, aber seinen Kampfgeist, sein Immer-Weiter und seine Ruhe im Spielaufbau mag ich gern. Sehr gut gefällt mir auch Andres Iniesta. Und Arturo Vidal, der sogar noch mehr Kampfschwein ist.

Sie gehören mit fünf weiteren Spielerinnen zur “Generation Neid”. Welche prägenden Erinnerungen haben Sie an elf Jahre mit der Bundestrainerin Silvia Neid?
Unglaublich viele Titel, unglaublich viel Koffer-Einpacken und Koffer-Auspacken, viel Training, viel Spaß, viele neue Länder und eine gute Weiterentwicklung persönlich und sportlich. Wir haben alle gemeinsam Tiefs überstanden und das hat zusammengeschweißt.

Nach Olympia 2016 in Rio tritt Silvia Neid zurück. Was hat sie über all die Jahre ausgezeichnet?
Naja, Silvia ist 34 Jahre im deutschen Fußball, als Spielerin hat sie alles an Titeln abgeräumt, als Trainerin alles abgeräumt. Sie ist sehr ehrgeizig, sie kann nicht verlieren, ich mag's auch nicht, aber sie gleich doppelt nicht. Fachlich ist sie eine sehr, sehr gute Trainerin, aber vor allem ist es ihr Ehrgeiz nach immer mehr Titeln, der sie auszeichnet.

Sie selbst haben eine überragende, sehr konstante Saison mit dem Champions-League-Sieger 1. FFC Frankfurt gespielt. Was haben Sie verändert?
Nach meiner Knieoperation vor der EM 2013 war ich total froh, dass ich überhaupt wieder Fußball spielen kann. Das war eine 50:50-Chance. Es gab auch mal eine Situation bei einem Arzt. Ich musste dort etwas länger warten, weil es ein Problem gab, und letzten Endes war es so, dass ein Mann gerade die Information bekam, dass er in fünf Monaten sterben wird. Das hat in dem Moment mein Leben umgekrempelt. Ich habe einen anderen Blick für mein Leben und den Sport bekommen. Wie toll es überhaupt ist, was wir hier machen dürfen. Ich habe versucht, meine positive Denkweise auch auf den Fußball zu übertragen, zufriedener zu sein. Das war viel Einstellungssache.

Wer kümmert sich derzeit eigentlich um ihren Jack Russell Terrier?
Ha, mein Hundi “Merlin, der Zauberer” wird in allen Interviews erwähnt! Der ist schon berühmter als ich. Er ist gerade bei meinen Eltern (Tegernheim, d. Red.), da geht's ihm sehr gut, da ist das Buffet reichlich eröffnet. Der isst total gern Karotten. Ich habe ihn nicht als Welpen, sondern als Fünfjährigen bekommen, er war bis dahin viel mit Pferden unterwegs. Und jedes Mal, wenn ein Pferd ein Stück Karotten hat fallen lassen, ist er da hingerast.

Wie schaffen Sie Ihren Fußballerinnenalltag mit Hund?
Ach, das geht schon, ich nehm' den auch mit zum Training. Mein Trainer Colin Bell in Frankfurt sagt schon immer: “Ja, wo ist denn der Merlin, wo ist er denn?”

Sie gelten auch als modeinteressiert. Was bedeutet für Sie Mode?
Wenn ich shoppen gehe, dann gern ausgiebig. Mir ist es schon wichtig, mit der Mode zu gehen, aber ich probiere auch gern mal selbst Sachen aus und schwimme gegen den Strom. Ich mag zum Beispiel gern Aladin-Hosen.

Sie waren in Ottawa und Montréal auch schon shoppen. Was genau?
Ich habe mir mal neue Flip-flops geholt, ein paar lässige T-Shirts, ein Jeanshemd, ein bisschen Pflegecreme für die Haare. Damit ich jung und dynamisch bleibe.

Ach so, Sie tragen doch den Anja-Mittag-Dutt, oder?
Nein, nein, Anja Mittag hat meinen Dutt, sagen wir es mal so! Meine Mutter meinte schon zu mir: “Manchmal feuere ich dich an und dann sehe ich, Mensch, du bist es gar nicht, das war Anja, na egal, ich feuer' auch Anja an.”

Wer hat den besten Style im Team?
Werde ich für die Antwort gehängt?

Nein, keine Sorge...
Also, ich würde sagen, die Schweden sind mit der Mode immer etwas voraus. Und Anja, die ja länger in Schweden war, hat einen coolen Style, aber Lena Goeßling trägt auch ein paar coole Teile. Die zwei Zimmerpartnerinnen sind unsere Stilikonen.

Wie entspannen Sie am liebsten? Gibt es Ihr Motorrad noch?
Das Motorrad gibt's noch, wird aber verkauft nach der WM, weil ich nicht mehr so intensiv fahren möchte. Wegen meines Studiums habe ich nicht mehr so viel Zeit. Wie ich entspanne? Ich gehe gern in die Sauna, spiele mal Basketball, trinke Kaffee auf meiner Terrasse und gehe mit dem Hundi raus. Das entspannt mich total.

Aufrufe: 027.6.2015, 12:00 Uhr
Peter SeltenreichAutor