2024-05-17T14:19:24.476Z

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Cano
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Ein Zaubertor für ein Millionen-Publikum

GESCHICHTE: +++ Pedro Cano belegte 1998 beim „Tor des Monats“ mit einem akrobatischen Hackentrick Rang zwei hinter Mario Basler +++

GIESSEN. Einmal in der „ARD-Sportschau“ auftreten, neben Bundesligastars und Nationalspielern, von Millionen von Zuschauern bundesweit bestaunt – davon träumt wohl jeder Fußballer. Pedro Cano hat es geschafft. Der in Wetzlar geborene Sohn spanischer Eltern, erinnert sich an seinem 51. Geburtstag letzte Woche gerne an das Spiel im Oktober 1998 zurück, als er in ganz Deutschland bekannt wurde.

Mit einem ebenso unglaublichen wie akrobatischen Hackentrick-Treffer, der in dem ARD-Beitrag „Tor des Monats“ ausgestrahlt wurde und nach dem Willen der Zuschauer auf Rang zwei landete. Hinter Nationalspieler Mario Basler, dessen Freistoßtor im Spiel seines FC Bayern München in Schalke in den Torwinkel beim Zuschauer-Ranking noch mehr Zuspruch als die ca. 27 Prozent von Cano bekam.

Es war das Spitzenspiel der Landesliga zwischen dem Tabellenzweiten FSV Braunfels, für den der damals 29-jährige Cano zu der Zeit stürmte, und dem Rangersten FSV Steinbach, dem Vorgänger des heutigen Hessenligisten FSV Fernwald. In einer auf hohem Niveau stehenden und spannenden Partie sorgte der Braunfelser Alexander Kessler mit einem Eigentor, als er einen Freistoß von Timo Becker unglücklich ins eigene Tor abfälschte, für die Führung des Gästeteams von Trainer Claus-Peter Zick. Marco Ketter glich zwar zum 1:1 aus, aber Oliver Dönges, der heutige Trainer der SG Kinzenbach, brachte seine Steinbacher Farben wieder in Front, bevor Cano mit seinem Zaubertor großen Jubel im mit 800 Zuschauern gut gefüllten Braunfelser Stadion entfachte. Einem strammen Distanzschuss von Thomas Sänger in den Steinbacher Strafraum sprang Cano entgegen und verlängerte das Leder aus ca. 15 Metern mit der Hacke zum Ausgleich ins obere Toreck, unhaltbar für Gästekeeper Kai Braun. „Den Ball mit der Hacke zu nehmen, war beabsichtigt, dass er so im Netz landete, war glücklich“, beurteilt der Vater zweier Töchter sein Traumtor in der 70. Minute im Nachhinein. Die Freude darüber trübte allerdings der Steinbacher Treffer von Thomas Slany vier Minuten später. Die Steven Hassler, Kai Frenz, Dirk Wallbott und Kollegen freuten sich wenig später über einen 3:2-Sieg gegen die von Udo John trainierten Schlossstädter.

Dass die Szene von Canos spektakulärem Treffer überhaupt bei der Sportschau und der Wahl zum „Tor des Monats“ landete, war Rudolf Deusing zu verdanken. Der Vater des Braunfelser Spielers Markus Deusing filmte zu der Zeit alle Spiele des FSV und reichte die gelungene Video-Aufnahme bei der ARD-Sportschau ein, um zu prüfen, ob die Szene in die Auswahl zum „Tor des Monats“ kommen könnte. Sie kam und landete auch dank vieler Anrufe aus der mittelhessischen Fußballszene auf Platz zwei.

„Das war schon eine tolle Sache, jeder hat mich auf der Straße daraufhin angesprochen“, erinnert sich Cano, der als Bauleiter einer Abrissfirma zuletzt auch im Darmstädter „Böllenfalltor“-Stadion im Einsatz war. Kleine Randnotiz: Canos Treffer hat bei Torwart Kai Braun keine deprimierende Wirkung hinterlassen, der mittlerweile 53-jährige Gießener Urologe ist immer noch aktiv. Bei den Alten Herren des FC Gießen, bei dem er auch Gründungsmitglied und Unterstützer ist, und als Keeper der Ärzte-Nationalmannschaft, mit der sogar Weltmeister wurde.

Cano, der als Fünfjähriger mit dem Kicken bei der SG Oberbiel begann und als Aktiver nach einem Gastspiel beim Spanischen SV Ale beim TSV Steindorf landete, wo er in vier Jahren die stolze Bilanz von über 100 Toren schaffte, glaubt noch heute: „Ich wäre ein besserer Torwart gewesen, aber ich war so torgeil, dass ich immer nach vorne in den Angriff wollte. Dabei war ich nicht der Edeltechniker oder ein Laufwunder, sondern hatte vor allem viel Selbstvertrauen und Motivation“, so die Selbsteinschätzung Canos. Der ehemalige Vollblutstürmer bildete anschließend beim TSV Albshausen zusammen mit Sven Helbig ein ebenso effektives Angriffsduo wie ab der Saison 1996/97 beim FSV Braunfels, der ein Jahr später in die Hessenliga aufstieg, zusammen mit Jürgen Schuster.

„Ein Vollblutstürmer, der sich und seine Gegner selten schont“: So lautete einst eine Schlagzeile über Cano in der „Wetzlarer Neuen Zeitung“. Und sein Trainer Udo John bezeichnete ihn als „einen sehr ehrgeizigen Spieler, der immer alles gibt und schonungslos zu seinem Körper ist“. Vielleicht ergibt sich daraus das unglaubliche Verletzungspech des glühenden Fans vom FC Barcelona mit vier Kreuzbandrissen und insgesamt elf Knieoperationen mit zum Teil tragischer Dramaturgie. Nach dem ersten Kreuzbandriss und 18-monatiger Pause 1990/91 wollte Cano sogar schon die Fußballschuhe an den Nagel hängen. 1999 folgte der nächste Kreuzbandriss am anderen Bein zwei Minuten vor Schluss des Braunfelser Spiels in Burkhardsfelden. Diesmal verzichtete er auf eine Operation. Als Cano nach zehn Wochen Pause ein Comeback in der FSV-Reserve versuchte, erwischte es ihn in der ersten Partie nach drei erzielten Treffern erneut kurz vor Spielende: alle übrigen Bänder am Knie gerissen. Da bekommt Canos Erkenntnis – „Ich bin im Spiel dahin gegangen, wo es weh getan hat, auch wenn es nicht immer klug war“ eine besondere Bedeutung. Anschließend versuchte er sich zeitweise als Spielertrainer und Coach bei Braunfels II, Oberbiel und Steindorf sowie bei der Jugend in Steindorf, Oberbiel/Albshausen und Burgsolms, erkannte aber: „Als Trainer habe ich kläglich versagt, meine Erwartungen an die Spieler waren immer zu hoch.“

Die Verbindung zum geliebten Fußball blieb mit Einsätzen in der von Ricardo Perez initiierten „Legenden-Elf“, wo Cano zusammen u.a. mit Leif Langholz, Steffen Röder, Daniel Vier und Gino Parson ab und zu kickte. Ansonsten hat er die Liebe zum kleineren Ball entdeckt und ist nach eigener Einschätzung „nur noch dem Golfsport verfallen“. Wahrscheinlich erfolgreich, denn einlochen konnte er ja schon immer sehr gut.

Aufrufe: 01.12.2020, 18:15 Uhr
Rolf Birkhölzer (Gießener Anzeiger)Autor