2024-04-25T14:35:39.956Z

Interview der Woche
Präsidenten-Wechsel beim WFV: Herbert Rösch (re.) und sein designierter Nachfolger Matthias Schöck Pressefoto Baumann
Präsidenten-Wechsel beim WFV: Herbert Rösch (re.) und sein designierter Nachfolger Matthias Schöck Pressefoto Baumann

"Ein VfB-Abstieg würde uns hart treffen"

Stabwechsel an der Spitze beim Württembergischen Fußballverband

Ein Abstieg des VfB Stuttgart aus der Fußball-Bundesliga würde auch den WFV hart treffen. ,,Das hätte natürlich Konsequenzen", sagt Matthias Schöck, WFV-Schatzmeister und designierter künftiger Präsident des Verbandes.
Meine Herren, Sie haben sich möglicherweise ein denkwürdiges Jahr für Ihren Stabwechsel an diesem Samstag ausgesucht. Schöck: Ich kann mir schon denken, dass Sie auf die Tabellensituation des VfB Stuttgart in der Bundesliga anspielen.
Rösch: Ich drehe den Spieß gleich mal um. Wir haben mit dem VfB, dem 1. FC Heidenheim und dem VfR Aalen drei Teams im bezahlten Fußball. Das gab es noch nie in der Geschichte des WFV. Dazu noch die Kickers, den VfB Stuttgart II und die SG Sonnenhof Großaspach in der dritten Liga.
Schöck:
Das zeigt die große Leistungsfähigkeit unseres Verbandes.
Rösch:
Wenn der VfB drin bleibt, könnte es für mich keinen schöneren Abschluss geben.
Wie sehr würde den Verband ein Abstieg des VfB treffen? Schöck: Ich zittere und bibbere mit dem VfB und drücke ganz fest die Daumen. Ein Abstieg würde auch uns hart treffen und hätte natürlich Konsequenzen.

Welche wären das konkret? Schöck: Der Grundlagenvertrag zwischen dem DFB und der Deutschen Fußball-Liga (DFL) sieht vor, dass wir als Verband an den Zuschauereinnahmen eines Erstligisten mit zwei Prozent partizipieren, bei einem Zweitligisten ist es nur ein Prozent.

Am Hungertuch müsste der WFV aber nicht nagen? Schöck: Das nicht. Wir könnten es kompensieren, zum Beispiel aus Rücklagen. Aber wie gesagt: Wir würden es spüren.

Wie würde es sich in Zahlen auswirken? Schöck: Wir haben ein Haushaltsvolumen von 4 bis 4,5 Millionen Euro. Bei einem Abstieg des VfB hätten wir einen Einnahmerückgang im niedrigen sechsstelligen ­Bereich.
Rösch:
Ein Abstieg wäre gravierend - für mich vor allem aus psychologischer Sicht. Für den Nachwuchs, für unsere Talentförderung sind Vorbilder wichtig, viele in der Region identifizieren sich mit dem VfB. Schöck: Das wird belegt durch die zuletzt so gut wie ausverkauften Heimspiele.

Herr Rösch, mit dem VfB haben Sie in Ihrer Amtszeit auch über Frauenfußball gesprochen. Rösch: Und das nicht nur einmal.
Wie sehr schmerzt Sie es, dass es in Württemberg nicht gelungen ist, einen Frauen-Spitzenverein zu etablieren? Rösch: Es schmerzt mich sehr. Wir sind bis zur U 16 sehr gut aufgestellt, danach fehlt es den Top-Talenten dann leider an der nötigen Perspektive.
Schöck:
Um eine dauerhaft stabile Organisation auf Bundesliganiveau zu schaffen, braucht es viel Idealismus in den Vereinen.
Rösch:
Oder eben bestehende professionelle Strukturen, die auf den Frauen-Bereich übertragen werden. Vereine wie der FC Bayern, der VfL Wolfsburg, der SC Freiburg oder 1899 Hoffenheim machen es vor.

Also geht es nur mit dem VfB? Rösch: Das war immer mein Wunsch, aber vonseiten des VfB hieß es stets, der finanzielle Aufwand sei zu hoch. Und die Kickers hatten lange ganz andere Probleme. Schade.

Sind Sie mit Ihrer Amtszeit dennoch zufrieden? Rösch: Das waren zwölf herausragende Jahre mit Höhepunkten wie dem Sommermärchen 2006, der Frauen-WM 2011, dem WM-Titel 2014. (Blickt schmunzelnd zu seinem Nachfolger) Tut mir leid für dich, Matthias, aber das wird kaum zu toppen sein.

Sie sind noch jung, Herr Schöck. (WFV-Pressesprecher Heiner Baumeister bringt sich ein): Aber nicht der Jüngste. Dr. Hans Schaible wurde 1959 im Alter von 35 Jahren zum 1. Vorsitzenden (Präsidenten) des WFV gewählt.
Rösch:
Trotzdem ist Matthias Schöck mit 41 auch noch sehr jung. Da setzen wir einen echten Kontrapunkt zum Club der alten Männer bei der Fifa. Das freut mich riesig.

Herr Schöck, ist es Ihnen als Bürgermeister in Hildrizhausen eigentlich langweilig, oder wie sind Sie auf die Idee gekommen, sich als WFV-Präsident zu bewerben? Schöck: (Lacht) Langweilig ganz sicher nicht. Der WFV kam auf mich zu, und ich habe mich mit meiner Familie besprochen. Herbert Rösch hat gezeigt, wie man es erfolgreich hinbekommen kann, wohl wissend, dass ich künftig nicht mehr bei jeder Hocketse in Hildrizhausen präsent sein kann. Rösch: Für die Gemeinde ist das auch eine Auszeichnung. Doch nur mit gutem, konsequentem Zeitmanagement ist beides machbar. Und man muss auch Nein sagen können.
Schöck:
Andere treiben aktiv Sport oder machen Musik. Ich sehe dieses Ehrenamt auch als Ausgleich zur beruflichen Belastung.

Nicht als Sprungbrett zum DFB? Schöck: Ich bin dort seit 2013 Mitglied der Revisionsstelle. Mehr ist derzeit nicht geplant.

Herr Rösch, Sie dürfen ein bisschen loben: Was schätzen Sie an Ihrem Nachfolger? Rösch: Er ruht in sich, hat einen klaren Verstand, ein sympathisches Auftreten, er kann sich in andere hineinversetzen, und er bringt den Fußball-Stallgeruch mit.

Im Gegensatz zu Ihnen. Rösch: Ich war in der Jugend linker Läufer beim TSV Meckenbeuren. Im Ernst: Der Rhythmuswechsel ist ganz bewusst gewählt. Mein Vorgänger Dr. Alfred Sengle war ein alter Hase im Fußball. Ich war ein Quereinsteiger, der den unbelasteten, distanzierten Blick hatte. Jetzt kommt nach zwölf Jahren wieder ein Fußballer. Das passt wunderbar.

Herr Schöck, Sie haben früh mit dem Kicken begonnen? Schöck: Dazu gibt's eine nette Anekdote. Der Trainer der E-Jugend des SV Mötzingen ging an unserem Garten vorbei, in dem ich als Fünfjähriger Tag und Nacht kickte. Er fragte, ob ich nicht in den Verein kommen wollte. Ich weigerte mich zunächst mit dem Argument, dass ich lieber ,,Sesamstraße" schaue. Wenig später ging ich doch ins Training.

Sie standen immer im Tor. Schöck: Ja, ich spielte tatsächlich keine einzige Minute im Feld. Wahrscheinlich liegt es an den Genen. Schon mein Vater stand zwischen den Pfosten.

Stimmt es, dass Sie mit 28 Jahren aufhörten, weil die Rückpassregel eingeführt wurde? (Lacht) Nein, ich war zwar immer Torwart und nicht Torspieler, aber ich habe aufgehört, als ich Bürgermeister wurde.

Was wollen Sie als WFV-Präsident erreichen? Schöck: Die drei großen Themen sind die Flexibilisierung des Spielbetriebs, die Rolle des Verbandes als Partner und Dienstleister sowie die Außendarstellung.

Was sind dabei die Knackpunkte? Schöck: Die Vereine kommen zu uns mit vielen Fragen. Wir müssen die Kommunikation untereinander verbessern, schnellere, präzisere Antworten liefern. Wir wollen auch zu unseren Vereinen gehen, um von ihnen zu lernen, und nicht von ihnen verlangen, dass sie immer zu uns kommen. Wir werden unser Angebot an dezentraler Aus- und Fortbildung ausbauen.
Rösch:
Wir müssen die Vereine coachen, ihnen auch helfen, über den Tellerrand hinauszublicken. Fußball ist doch viel mehr als ein 1:0, Fußball hat so viele Facetten. Menschen aus unterschiedlichen sozialen Schichten, aus unterschiedlichen Kulturen finden zusammen - in welchem Bereich gibt es denn das heutzutage noch? Da hat der Sport fast ein Alleinstellungsmerkmal. Ich finde das klasse.

Wenn es nicht gerade zu wüsten Keilereien kommt? Rösch: Es gab im Vorjahr 140 Abbrüche bei 130 000 Spielen. Das relativiert das Ganze ein wenig. Doch die Gewaltexzesse waren sicher die Tiefpunkte meiner Amtszeit. Wenn Ehrenamtliche in der Klinik liegen, dann zeigt der Fußball sein hässliches Gesicht.
Schöck:
Leider hat die Intensität zugenommen, auf am Boden liegende Spieler wurde früher nicht eingeschlagen. Wir werden weiter beharrlich versuchen, das Bewusstsein gegen Gewalt zu schärfen. Unsere Aktionen wie das Anti-Aggressions-Training zeigten zuletzt durchaus Wirkung.

Noch ein sportpolitischer Blick in die Zukunft: Wann kommt der gemeinsame baden-württembergische Fußballverband? Rösch: Ich bin ja wahrlich ein Spezialist im Zusammenführen. Als Oberbürgermeister in Ostfildern habe ich es 1975 geschafft, aus vier Dörfern eine Stadt zu machen. Diese Erfahrung wollte ich im Fußball einbringen und habe alles versucht. Doch der letzte Schritt klappte einfach nicht.

Sie haben resigniert? Rösch: Es ist die Wahrnehmung der Wirklichkeit, leider. Denn mit einer Million Mitglieder hätte ein baden-württembergischer Verband viel größeres politisches Gewicht.

Wird Futsal als Hallenfußballvariante ohne Bande vorgeschrieben? Schöck: Für die WFV-Meisterschaften, ja. Wir müssen die offiziellen DFB- und Fifa-Regeln schließlich übernehmen. Die Regelungen für alle anderen Hallenturniere werden wir dagegen sehr flexibel handhaben.
Rösch:
Wir streben einen sanften Übergang an. Wenn die Kinder mit Futsal aufwachsen, stellt sich die Frage irgendwann nicht mehr.

Was wünschen Sie Ihrem Nachfolger? Rösch: Er hat eines der schönsten Ehrenämter, das es gibt. Mein tiefster innerer Antrieb war es immer, für die Ehrenamtlichen da zu sein. Dabei wünsche ich Matthias viel Freude - und natürlich, dass ihm der VfB Stuttgart als Bundesligist erhalten bleibt und die Kickers aufsteigen. Schöck: Im Fußball hat man schon verrücktere Dinge erlebt. Ich hoffe jedenfalls weiter.
Aufrufe: 05.5.2015, 17:00 Uhr
Stuttgarter Nachrichten / Jürgen FreyAutor