2024-05-02T16:12:49.858Z

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Platz gesperrt – vor einem Jahr wurde die Saison im Amateurfußball abgebrochen.
Platz gesperrt – vor einem Jahr wurde die Saison im Amateurfußball abgebrochen. – Foto: Foto: Tobias Hase/dpa
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Ein Tag für die Geschichtsbücher

Vor einem Jahr kam der Amateursport wegen der Corona-Pandemie zum Stillstand – Zweite Unterbrechung hält an

Ravensburg / sz - Erst die Handballer, dann die Fußballer, dann die Volleyballer – gleich drei Sportverbände verkündeten an jenem denkwürdigen Donnerstag, 12. März 2020, die Unterbrechung beziehungsweise den sofortigen Abbruch ihres Spielbetriebs. Zwei Tage zuvor war schon die Eishockeywelt zum Stillstand gekommen. Der Grund: die Ausbreitung des Coronavirus. Was zu diesem Zeitpunkt nach einer nur wenige Wochen dauernden Pause aussah, wurde für den Amateursport zu einer Belastungsprobe, die auch ein Jahr nach diesem Tag für die Geschichtsbücher anhält.

"Die Lage ändert sich gefühlt jede halbe Stunde", sagte Fabian Hummel, Manager des Fußball-Oberligisten FV Ravensburg, vor genau einem Jahr, und beschrieb damit treffend die große Verunsicherung, die bei den Vereinen herrschte. Hummels Aussage vom Donnerstagmorgen war am Nachmittag überholt. Denn da tat sich Entscheidendes und beendete die vorherigen Spekulationen und Unsicherheiten. Der Württembergische Fußballverband (WFV) setzte den Spielbetrieb aus – zunächst bis einschließlich 31. März. "Endlich übernimmt der Verband Verantwortung", reagierte Hummel damals erleichtert.

Seit einem Jahr ist im Amateurfußball keine Normalität zurückgekehrt. "Ich habe die komplette Mannschaft Ende Oktober beim Spiel in Göppingen zum letzten Mal gesehen", sagt Steffen Wohlfarth, Trainer und Sportlicher Leiter des FV Ravensburg. Der Ex-Profi hat in seiner Karriere viel erlebt. So eine Krise aber noch nicht. "Wahrscheinlich hat keiner von uns jemals vier Monate lang keinen Ball am Fuß gehabt", meint Wohlfarth. Verletzungen ausgenommen. Über Onlinemeetings und Telefonate blieben der Trainer und seine Spieler in Kontakt. Das Gefühl, zusammen auf dem Platz zu stehen, zu trainieren und um Punkte zu spielen, das fehlt aber allen. "Wir wollen wieder gemeinsam Spaß haben", sagt Wohlfarth. Statt um Trainingsarbeit und Spieltagsvorbereitung ging es bei den Vereinen um Themen wie Kurzarbeit. Schließlich sind viele Clubs wie der FV Ravensburg auch kleine Unternehmen. "Bei 60 bis 70 Angestellten sind wir gar kein so kleines Unternehmen mehr", sagt Präsident Roland Reischmann. Wohlfarth und Co. hoffen zwar, dass die Saison doch noch beendet werden kann – acht Spiele hätten die Ravensburger in der Hinrunde noch. Mehr würde es nicht geben. Doch ob die Zeit selbst dafür reicht, ist ungewiss. "Ein Abbruch wäre für uns nicht so dramatisch", sagt der Trainer. Spielen würden sie aber natürlich alle viel lieber als tatenlos rumsitzen zu müssen.

Auch bei Nurik Saltik, dem Vorsitzenden des Fußballbezirks Bodensee, stellte sich an jenem Donnerstag im März 2020 irgendwann Erleichterung ein. Verantwortlich dafür war nicht zuletzt er selber. "Wir vom Bezirk Bodensee haben zu den ersten gehört, die den Spielbetrieb eingestellt haben. Es gab Handlungsbedarf", blickte Saltik auf jene Stunden zurück, in denen eine Allgemeinverfügung nach der anderen herein flatterte, die Einschränkungen wegen der Corona-Pandemie mit sich brachten und den Spielraum für die Fußballfunktionäre immer weiter verkleinerten. Noch heute ist Saltik präsent, in welch besonderen Lage er sich befand. "Ich habe mir kein Szenario für so etwas vorstellen können, außer den Dritten Weltkrieg", bringt er den plötzlichen Stillstand des Amateursports auf den Punkt.

Die Maßnahmen von damals empfindet Saltik auch ein Jahr später als richtig. Das unterstreicht er mit einem Satz zur aktuellen Situation, den er sinngemäß schon im März 2020 gesagt hat: "Die Gesundheit der Bevölkerung ist ein wesentlich höheres Gut als der Fußball." Gleichzeitig wünscht sich der Bezirksvorsitzende, dass bald wieder Sport getrieben werden kann. Die Gedanken an die Corona-Mutationen würden ihm "Bauchkrämpfe" bereiten, gibt Saltik zu. Deshalb sei nicht vorhersehbar, wie die Lage in den kommenden Wochen sein werde. Er glaube eher nicht, "dass wir die Saison noch zu Ende spielen". "Für unseren Sport würde ich mir aber wünschen, dass wir wieder spielen dürfen."

Die Sehnsucht nach der Rückkehr in den Spielbetrieb ist auch bei Patrick Mayer groß. Der Trainer des Bezirksligisten SV Beuren wünscht sich vor allem, "dass die Jungs wieder kicken können". Im Moment drohe, dass "zwei Saisons kaputtgemacht" werden. Bei der ersten Unterbrechung vor genau einem Jahr waren vor allem die Beurener hart getroffen. Denn sie standen hinter dem TSV Eschach auf Platz zwei in der Bezirksliga-Tabelle – und das nur, weil sie am Sonntag zuvor in der Nachspielzeit gegen den SV Bergatreute das 3:4 kassiert hatten. Letztlich entschied genau dieser Konter, der auf eine vergebene Beurener Chance gefolgt war, über den Aufstieg in die Landesliga. "Wir haben das relativ schnell abgehakt", sagt Mayer. Ihm sei an jenem Donnerstag vor einem Jahr, als die Unterbrechung der Saison verkündet wurde, klar gewesen, dass das den SVB den Titel kosten könnte. Trotzdem hält er die damalige Entscheidung auch heute noch für richtig, obwohl sie "hart" gewesen sei.

Ein Jahr später, angesichts der seit Ende Oktober andauernden zweiten Unterbrechung, wünscht sich Mayer, dass es bald zurück in den Trainingsbetrieb geht und die Saison mit einer sportlichen Entscheidung endet – und nicht wieder mit dem Taschenrechner. "Wir würden uns freuen, wenn es weitergeht. Irgendwann muss es ja wieder anfangen. Es ist aber natürlich brutal schwierig zu beurteilen, was richtig ist", sagt Mayer.

Aufrufe: 011.3.2021, 16:54 Uhr
Schwäbische ZeitungAutor