2024-04-30T08:05:46.171Z

Allgemeines
Kleinlindener Frauen jubeln bei der Kreismeisterschaft. 	Foto: Seva
Kleinlindener Frauen jubeln bei der Kreismeisterschaft. Foto: Seva

»Du spielst Fußball?«

FRAUEN/JUGEND: +++ Stollenschuhe, blaue Flecken und Fouls / Ein Erfahrungsbericht aus dem Mädchenfußball +++

giessen. Meine ersten Fußballschuhe haben kein Jahr gehalten, auch mein zweites nicht viel länger. Seit fast fünf Jahren bin ich für den FC Gambach am Ball. Für mich ist Fußballspielen etwas selbstverständliches. Aber wir spielen Fußball, nicht explizit Frauenfußball. Ob Frauen oder Männer kicken, macht doch keinen Unterschied. Natürlich sind unsere Leistungen nicht mit denen von gleichaltrigen Jungs zu vergleichen, aber Zweikämpfe, Fouls, Rumgebrülle und blaue Flecken gehören genauso zu unseren Spielen dazu.

Im Frauenfußball sind die Unterschiede gegenüber den Männern riesig. In der Bundesliga verdienen die meisten Spielerinnen nur um die 1000 Euro, wie auf der Seite „gehaltsvergleich.de“ nachzulesen ist. Aber auch lokal haben Frauen- und Mädchenmannschaften es oft schwerer. Allein dabei, eine Mannschaft zusammenzubekommen. Wie viele Spiele aufgrund von zu wenigen Spielerinnen abgesagt oder verschoben wurden, lässt sich bei uns in der Kreisoberliga (leider) nicht an einer Hand abzählen.

Zu Spielen müssen wir meist 45 Minuten oder mehr fahren, auch zum Training muss ein Großteil der Spielerinnen fahren oder gefahren werden. Anders geht es nicht. Ohne Spielgemeinschaft und Zweitspielrecht könnten wir kaum den Spielbetrieb aufrechterhalten.

Gerade für eher schüchterne oder zurückhaltende Mädchen und junge Frauen ist ein Mannschaftssport aber gut. Das Selbstbewusstsein wird gestärkt, Freundinnen werden gefunden. Kommentare wie: „Echt, du spielst Fußball?“ oder „Mädchen können keinen Fußball spielen“ sind aber immer noch zu hören, ruinieren den Sport und hindern junge Mädels daran, mit dem Kicken anzufangen. Besonders, als ich das die ersten Male hörte, hat mich das ziemlich getroffen. Ich habe mich zuerst tatsächlich auch dafür geschämt, als Mädchen Fußball zu spielen – und das auch noch in einer reinen Mädchenmannschaft. Aber heute denke ich, dass man darauf stolz sein kann, wie auf jeden Sport, den man macht. Egal, ob man verliert oder gewinnt, im Regen oder bei Sonnenschein, tanzt oder reitet, als Mädchen oder Junge, als Mann oder Frau, es geht um den Spaß.

Mir ist es mittlerweile egal, wenn mir gesagt wird, ich solle keinen Fußball spielen. Aber es hat einige Zeit gedauert, bis mir klar geworden ist, dass ich als Mädchen Fußball spielen kann und weiterhin ich und ein Mädchen bin. Ganz unbegründet waren die Bedenken aber nicht, für manche, die das hören, gilt man gleich als härter, taffer, sogar teilweise als (zu) männlich. Ein Sport an sich verändert aber nichts. Für mich ändert mein Hobby nichts daran, ob ich High Heels oder Stollenschuhe trage. In beiden fühle ich mich wohl, kann lachen und ich selbst sein. Beides trage ich gerne.

Fußball ist ein toller Sport für Mädchen und Jungs, für Frauen und Männer. Nach meiner Erfahrung kann ich nur sagen, dass Mädchen, egal, wie schüchtern sie sind, auf dem Platz früher oder später ihr Ding machen und rumbrüllen. Einfach Fußball spielen.

Dabei hilft es ziemlich, wenn der Verein seine Mädchenabteilung genauso unterstützt wie seine Jungs. Auch unser Trainer macht alles dafür, damit wir Fußball spielen können, da geht der Rest seiner Freizeit oft mit drauf. Das ist keinesfalls selbstverständlich, von vielen wird Frauenfußball ja immer noch nicht als ernst zu nehmender Sport gesehen. Dabei ist Fußball doch einfach nur Fußball.

Anna Mühlenbruch (15) absolvierte gerade ein Praktikum in der Sportredaktion . Und schreibt über ihre Erlebnisse. Seit fast fünf Jahren spielt sie beim FC Gambach „auf der Sechs“ Fußball. Mit viel Freude, wie man lesen kann.



Aufrufe: 014.2.2019, 11:00 Uhr
Anna Mühlenbruch (Gießener Anzeiger)Autor