2024-04-16T09:15:35.043Z

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Dreierketter? Viererkette? FVLB-Coach Ralf Moser mag beide Variationen | Foto: Grant Hubbs
Dreierketter? Viererkette? FVLB-Coach Ralf Moser mag beide Variationen | Foto: Grant Hubbs

Dreier- oder Viererkette? Kampf der Systeme

Die Dreierkette ist wieder in: Welche Spielsysteme bevorzugen die Landesligisten von Weil bis Laufenburg?

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Viererkette, Fünferkette, Fahrradkette: Spielsysteme im Fußball werden überbewertet, sagen viele Trainer. Wenn es an Einstellung, Hingabe und Teamgeist hapere, helfe keine Systematik. Dennoch wird getüftelt, verschoben und konzipiert. Die Spielstruktur variiert. Auch bei den Landesligisten am Hochrhein.
SV Weil
Trainer Maximilian Heidenreich kann sich auf die Schulter klopfen. Im Grunde ist der Ex-Profi ein echter Vorreiter. Lange Zeit bevor die Fußball-Trainer bei der Euro 2016 die Dreierkette aus der Mottenkiste hievten, hatte der Weiler Coach seine Viererkette längst um ein Glied verkleinert. Dabei schien die Kette als Quartet, die mit Ernst Happels Zeit bei der niederländischen Nationalmannschaft ihren Anfang nahm und später von Arrigo Sacchis AC Mailand verfeinert wurde, als Weisheit letzter Schluss. Sie war unantastbar. Heidenreich sieht sich nun aber auch nicht als Reformator. „Alles wurde schon mal gespielt“, sagt er.. „So viel Innovation ist da nicht dabei.“ Die Dreierkette bringe aus seiner Sicht „größtmögliche Flexibilität“, man könne „nominell offensiv beginnen“ und im Laufe des Spiels nach Bedarf besser nachjustieren als bei anderen Grundformationen. Zudem sei das Spiel mit Dreierverbund „ideal zum Aufbau“, wie Heidenreich findet. Er hat die Erfahrung aus 166 Bundesligapartien. „Ich habe als Spieler sehr gerne so gespielt.“ Einst beim SC, als er unter der Freiburger Trainer-Legende Volker Finke ein großartiger Libero war. Aber: „Jedes System ist letztlich nur so gut, wie es umgesetzt wird“, sagt Heidenreich. Sein Grundprinzip: „Die Spieler möglichst dort einsetzen, wo sie sich am wohlsten fühlen.“

FV Lörrach-Brombach
Die taktische Komponente, da ist sich FVLB-Coach Ralf Moser sicher, spielt in der Landesliga eine wichtige Rolle. Die Teams seien mittlerweile noch variabler geworden, gerade durch die Wiederentdeckung der Dreier- beziehungsweise Fünferkette. Auch für Moser ist das eine ernsthafte Option. Schon in der Vorbereitung auf die vergangene Saison „haben wir das intensiv trainiert.“ Doch es griff nicht umfassend, so dass Moser zur bewährten Viererkette zurückkehrte. Eingemottet hat er die Dreier-Variante deshalb nicht, auch in dieser Saison ließ er seine Elf die Umstellung einstudieren. In den Spielen variiert Moser bisher zwischen 4-2-3-1 und 4-1-4-1. Zwei Faktoren spielen für die Ausrichtung eine Rolle. Zuvorderst das eigene Personal. „Welcher Spieler hat auf welcher Position seine Stärken?“ Außerdem: der jeweilige Kontrahent. „Welches System passt zum Gegner“, sucht der FVLB-Coach nach positiven Effekten der richtigen Taktik. Zudem lägen nur Nuancen zwischen diesen beiden Systemen. „Diese kleinen Unterschiede lassen sich leichter trainieren.“

SV 08 Laufenburg
Taktik? Ein elementarer Bestandteil im Fußball, diese Meinung vertritt zumindest der neue Übungsleiter des SV 08 Laufenburg, Stefan Scheuble. „Nur Leidenschaft bringt nichts, wenn die Vorgaben auf dem Platz nicht eingehalten werden“, sagt der erfahrene Coach. Eine Mischung aus beidem sei das optimale Rezept, „es können schließlich nicht alle wild nach vorne rennen“. Scheuble setzt dabei in seinem 4-4-2 auf eine stabile Defensive, mit einer Viererkette und zwei Sechsern davor, die beiden äußeren Mittelfeldspieler sind hingegen eher offensiv orientiert, dazu eine hängende Spitze. „In der vergangenen Rückrunde funktionierte das bei uns sehr gut“, und brachte letztlich den Nullachtern den frühzeitigen Klassenerhalt. Die Diskussion über die Dreierkette bezeichnet Scheuble als „Modeerscheinung“, denn eigentlich sei das System ja nicht neu. „Mich erinnert es sehr an den früheren Libero, und auch bei der Viererkette sieht es ja oft ähnlich aus, da lässt sich der Sechser zwischen die beiden Innenverteidiger fallen und die Außen agieren hoch.“

FSV Rheinfelden
Welches System ist das sinnvollste, bringt den meisten Erfolg? Tobias Bächle, der Trainer des FSV Rheinfelden sieht es recht pragmatisch. „Es bringt nichts, starr an einem Wunschsystem festzuhalten.“ Entscheidend sei zunächst das Personal, das zur Verfügung steht. „Wenn die Spieler mit einem System nicht klarkommen, kann ich es auch nicht nutzen.“ Beispiel 3-5-2. Ein äußerst komplexes System, das zeitintensives Einstudieren benötige. „Das ist im Amateurbereich fast unmöglich“, sagt Bächle. Ihm sei bisher auch erst ein Team begegnet, das dieses System gut praktiziere: der SV Endingen. Bächle favorisiert daher in der Defensive die Viererkette, wechselt zwischen 4-4-2 und 4-2-3-1; in seinen Augen vergleichsweise einfach umzusetzende Systeme. Dabei bevorzugt er eine Mischung aus Ballbesitz und schnellem Umschaltspiel, würde daher auch gerne ein 4-1-4-1 oder ein 4-3-3 spielen lassen. Doch zu kompliziert. Echte Neun oder falsche Neun? Festlegen will sich Bächle hier nicht. „Gegen tiefstehende Gegner benötigt man echte Stürmer, auf die man Flanken schlagen kann.“ Flexibilität ist dem 38-Jährigen wichtig, „im Spiel muss auch mal umgestellt und auf den Gegner reagiert werden“. Am einfachsten sei dies freilich in der Halbzeitpause.

FC Zell
Im Prinzip findet Tinh Ngo das Dreierketten-Revival „gar nicht schlecht“. Der Ansatz, offensiver zu spielen, kommt schließlich immer gut an. Allerdings empfindet es der Zeller Trainer doch allzu oft als Mogelpackung, als eine verkappte Verdefensierung. Es werde von Dreierkette geredet, doch im Spiel werde es durch Verstärkung von den Außenbahnen oder durch die Sechser zu einer Fünferkette. Den Idealfall beschreibt Ngo so: „Ein situativ schneller Wechsel von der Dreierkette zur Viererkette.“ Und umgekehrt. „Dorthin werden meine Spieler geschult“, sagt Ngo, der beim FCZ, der am Sonntag im wichtigen Heimspiel gegen den TuS Efringen-Kirchen auf seine Stürmer Ralf Kiefer und Kevin Keller (privat verhindert) verzichten muss, ein 4-4-2 spielen lässt – mit dem grundsätzlichen Ziel, die Massiertheit in der Abwehr „spiegelbildlich“ nach vorne zu transportieren. Sprich: Aus einem 4-4-2 wird ein 3-3-4 und im Idealfall schließlich ein 2-4-4. Ngos Grundmotto lautet zudem: „Während des Spiels muss Flexibilität zeigen.“

TuS Efringen-Kirchen
Thomas Hauser, der einst beim FC Sunderland erste Liga spielte, hat einen Großteil seiner Inspiration aus dem englischen Fußball, wo es primär direkt und physisch zugeht. Doch der Efringer Coach, der am Sonntag beim FC Zell wohl Jonathan Arnold nach dessen Verletzungszeit wieder auf die Bank setzen kann, denkt international und orientiert sich daran, was die Gegebenheiten hergeben. Für eine offensivorientierte Dreierkette „brauche ich hinten kopfballstarke und schnelle Leute, die alles ablaufen können“. Denn ein Abwehrduo, das situationsbedingt auch mal zu einer Zweierkette schrumpfen könne, würde immer wieder überspielt werden, „und dann brauche ich Spieler mit einer gewissen Grundschnelligkeit“, sagt Hauser. Auch vor dem Hintergrund, dass der TuS in der Vorsaison nicht mit Gegentoren geizte (74), ist ein dichter Defensivverbund momentan das wichtigste. Hauser bevorzugt defensiv deshalb ein 4-5-1, „und wenn wir auf Offensive schalten, sollte es schnell ins 4-2-3-1 gehen“. Optimal wäre: größtmögliche Variabilität – auf der Grundlage zweier hochstehender Außenverteidiger sowie einem aufbauenden Sechserpaar. Allerdings, gibt Hauser zu Bedenken: Außer dem Tempo habe sich auch nach Jahrzehnten der fortgeschrittenen Verwissenschaftlichung des Fußballs eines nicht geändert: „Du kannst jedes noch so gute System in den Mülleimer werfen, wenn die Leidenschaft fehlt.“
Aufrufe: 029.9.2016, 20:05 Uhr
Uwe Rogowski, Benedikt Hecht & Matthias Konzok (BZAutor