2024-04-25T14:35:39.956Z

Interview
Ehrlich, offen und sympathisch - so beschreibt FuPa-Reporter Dieter Rebel seinen Interviewpartner Christopher Sommerer.
Ehrlich, offen und sympathisch - so beschreibt FuPa-Reporter Dieter Rebel seinen Interviewpartner Christopher Sommerer. – Foto: Dieter Rebel

Ein Leben zwischen Himmel und Hölle

Ammerthals Torhüter Christopher Sommerer kennt nicht nur die schönen Seiten des Fußballs und des Lebens generell. Der 28-Jährige im Interview.

Torhüter und Linksaußen sind verrückte Kerle, so heißt es. Auch auf Christopher Sommerer trifft dieses hinlänglich bekannte Klischee zweifelsohne zu. Der 28-Jährige ist ein Unikat - nicht nur wegen seiner ausfälligen Tattoos am ganzen Körper. Der Keeper von Bayernligist Ammerthal hat nämlich eine Lebensgeschichte zu erzählen, die nicht alltäglich ist. Er kennt die Schatten- und Sonnenheiten des Fußballs und des Lebens generell, wie im FuPa-Interview deutlich wird. Ein Leben zwischen Himmel und Hölle

Christopher, macht ein Torwart einen Fehler, ist meist ein Tor die Folge. Ist man als Keeper tatsächlich die ärmste Sau auf dem Spielfeld?
Torwartsein ist Himmel und Hölle zugleich. Natürlich ist der Druck für einen Keeper größer als für einen Offensivspieler. Verteidiger sind da eher in einem Boot mit uns Torhütern. Machen wir einen Fehler, brennt's gleich. Macht man als Torwart einen Fehler, darf man oft sogleich hinter sich greifen und den Ball aus dem Netz holen - einen kapitalen Schnitzer pro Saison hat meiner Meinung nach jeder Kollege deshalb frei. Genauso ist es aber auch andersrum. Hält man einen Unhaltbaren, ist man der Held. Und genau diese Extreme reizen mich am Job des Keepers. Wir sind schon eine verrückte Spezies, das gebe ich zu (schmunzelt).

Wie ist es überhaupt dazu gekommen, dass Du zwischen den Pfosten stehst?
Bei mir war das relativ schnell klar. Ich habe mit dreieinhalb Jahren mit dem Fußballspielen begonnen. Ein Jahr später hat mal ein Torwart gefehlt, ich bin eingesprungen und geblieben.

Torhüter stehen nicht so im öffentlichen Fokus wie Offensivspieler, so die weit verbreitete Meinung. Wie siehst Du diese Sache?
Das ist der allgemeine Glaube, ja. Ich finde jedoch nicht, dass wir Keeper außen vor sind. Deutschland ist ein Torhüter-Land und es wird deshalb regelmäßig über uns Schlussmänner diskutiert. Klar ist ein Lewandowski mit seinen vielen Treffern praktisch allgegenwärtig in den Zeitungen. Die Diskussionen um Neuer/ter Stegen in der Nationalmannschaft und zuletzt der Transfer von Alexander Nübel zeigen aber auch, dass über die "Nummer 1" viel berichtet wird.


"Mein Ziel: Kein freies Fleckchen Haut mehr"

Auffällig an Dir sind - neben Deiner durchwegs guten Leistungen – vor allem Deine Tattoos. Erklär uns doch die Hintergründe Deines Körperschmucks.
Tattoos aller Art begeistern mich schon lange. Zunächst war es leider beruflich nicht möglich, mir welche stechen zu lassen. Erst während meiner Zeit bei Ingolstadt sind die ersten Motive auf meinen Körper entstanden. Eigentlich wollte ich mich nie komplett zupflastern lassen, doch jetzt ist es so. Einige meiner Tattoos verbinde ich mit prägenden Erlebnissen in meinem bisherigen Leben. Und, so ehrlich muss man sein, irgendwann entwickelte sich eine Art Sucht. Darüber hinaus ist meine Freundin Tatowiererin. Mein Ziel in den nächsten 5,6 Jahren: Kein freies Fleckchen Haut mehr - von der Finger- bis zur Zehenspitze.

Prägende Erlebnisse, jetzt sind wir aber neugierig.
Puh, da gibt es einige. 2012 beispielsweise habe ich mir im Sprunggelenk alles gerissen, was nur möglich ist. Diese schwere Verletzung war gleichbedeutend mit dem Ende aller Profiträume. Im selben Jahr ist zudem noch mein Vater gestorben. Das war schon eine harte Zeit.

Themawechsel - von Dir persönlich zur DJK Ammerthal. Heimlich, still und leise habt Ihr Euch zu einem Topteam gemausert. Überrascht Dich diese Entwicklung oder ist sie einfach die logische Konsequenz?
Überraschend ist das für mich nicht, nein - weil dieses Team einfach Qualität hat. Die Entwicklung war also eher die logische Konsequenz von starker Arbeit aller Beteiligter. Im Vergleich zu den Vorjahren bringen wir die PS nun auch mal auf die Straße und haben erfreulicherweise kein Verletzungspech. Das hat uns lange gefehlt. Inzwischen machen wir auch in den richtigen Momenten die Tore und gewinnen mal ein dreckiges Spiel. Das i-Tüpfelchen ist unser super Matchplan, der immer besser umgesetzt wird.

In jungen Jahren war der 28-Jährige auf dem Sprung in den Profibereich. Unser Archivbild zeigt Sommerer als Keeper von Ingolstadt II.
In jungen Jahren war der 28-Jährige auf dem Sprung in den Profibereich. Unser Archivbild zeigt Sommerer als Keeper von Ingolstadt II. – Foto: Michael Wagner

Du warst schon 2013/14 bei der DJK, ehe Du nach Amberg gewechselt bist. Über Neumarkt bist Du wieder in Ammerthal gelandet. Was hat sich getan, während Du weg warst? In Deiner ersten Zeit war die DJK ein Abstiegskandidat...
Was sich in Ammerthal in dieser Zeit getan hat, ist schlichtweg unglaublich. Ich habe den Verein fast nicht wiedererkannt. Das Umfeld und in die Infrastruktur haben sich enorm weiterentwickelt. Ein Beispiel: Inzwischen ist rund um das Spielfeld gepflastert, vorher war da nur Matschwiese. Das ist zwar nur eine Kleinigkeit, aber gerade solche Nuancen sind unendlich wichtig.

Und wie hast Du Dich persönlich verändert?
Ich war Ammerthal 2013 sehr, sehr dankbar, dass sie mich nach eineinhalb Jahren Verletzungspause überhaupt genommen haben. Die DJK hat mir die Chance gegeben, mich zurück zu kämpfen. Anfangs war nur angedacht, dass ich mich hier fit halte. Es ging jedoch schneller als erwartet und ich habe ein paar Spiele bestritten, ehe das Angebot von Amberg, damals in einer Hochphase, gekommen ist. Der FC war zu diesem Zeitpunkt ein sehr interessantes Projekt. Nachdem ich aber wieder Schmerzen am Sprunggelenk hatte und ich damals selbstständig war, habe ich nach nur wenigen Monaten entschlossen, meine Karriere zu beenden. Ich habe fast zwei Jahre nicht mehr gespielt, bevor ich einen Einsatz für Neumarkt hatte und dann nach Ammerthal zurückgekehrt bin.


"... das ist das Beste für mein Leben"

Wie kam es zu diesem Comeback?
Anlass war wiederum ein prägendes Erlebnis. Meine Frau hat sich von mir scheiden lassen, hat mich samt Kind verlassen. Zudem ist meine Firma Pleite gegangen. Mein ganzes Leben wurde von Hier auf Jetzt auf den Kopf gestellt. Ich wollte mit dem Fußball in Ammerthal eigentlich nur den Kopf frei bekommen und schauen, ob ich wieder an das Bezirksliga-Niveau herankomme. Weil sich die damaligen Kollegen in Neumarkt allesamt verletzt haben, habe ich in Absprache mit Ammerthal dort ausgeholfen. Ich bin also plötzlich wieder im Bayernliga-Tor gestanden - ohne Training. Der Rest der Geschichte ist bekannt. Inzwischen bin ich wieder Stammtorwart im Dienste der DJK und dem Verein ohne Ende dankbar. Ich bin hier unendlich glücklich. Ich habe einen Fünfjahres-Vertrag, was das Beste für mein Leben ist.

Zu Deinen Ex-Teams zählen auch der FC Ingolstadt und Jahn Regensburg, Profiklubs also. Ist es (noch) Dein Ziel, Profifußballer zu werden?
Nein. Ich war im Geschäft drin, habe alles dem Fußball untergeordnet. Es war eine schöne Zeit, die ich nicht missen möchte, die aber auch vorbei ist.

Wie würdest Du heute auf Deine fußballerische Ausbildung zurückblicken? Musstest Du wegen des runden Leders auf viele andere Dinge verzichten? Würdest Du es heute anders machen?
Von Verzicht spricht man ja nur, wenn man die andere Seite kennt. Wenn man ab dem 12. Lebensjahr im Leistungsbereich Fußball spielt - mein Papa hat mich damals jeden Tag 70 Kilometer einfach ins Training gefahren - , war es für mich einfach die Erfüllung, Profi zu werden. Auch wenn ich Großteile meiner Jugendzeit im Auto verbracht habe, blicke ich gerne zurück. Ich habe einen riesen Spaß für harte Arbeit entwickelt und auch fürs Leben gelernt.

In Ammerthal hat der Torhüter seine sportliche Heimat gefunden.
In Ammerthal hat der Torhüter seine sportliche Heimat gefunden. – Foto: Dirk Meier

Zurück zur DJK Ammerthal: Was ist noch möglich mit den Oberpfälzern? Die Regionalliga?
Wir müssen realistisch bleiben. Meiner Meinung nach sind wir gut beraten, wenn wir das Ziel ausrufen, das Bayernliga-Niveau zu halten.

Die Ammerthaler Verantwortlichen gelten als ruhig, zielstrebig und fleißig. Kannst Du das über Dominik Haußner und Tobias Rösl bestätigen?
Absolut. Ich habe höchsten Respekt vor den Verantwortlichen - auch und vor allem vor denjenigen, die nicht immer an vorderster Front kämpfen. (überlegt) Ruhig? Dominik Haußner? (lacht). Domi hat mehrere Persönlichkeiten. Während der Spiels ist er sehr emotional, ansonsten ein sehr umgänglicher Typ (lacht).

Treffen diese Eigenschaften auch auf Dich zu?
Ich war nicht das größte Talent und musste deshalb immer fleißig sein - fleißiger als die anderen. Auch heute brauche ich noch zusätzliche Einheiten, um mein Niveau halten zu können. Also, denke ich, bin ich schon fleißig. Und zielstrebig muss man als Bayernliga-Spieler ohnehin sein, das ist eine Grundvoraussetzung, um in dieser Spielklasse überhaupt mithalten zu können.

Ehrliche Worte. Danke für das Gespräch. Und alles Gute für die Zukunft.
Aufrufe: 010.2.2020, 10:45 Uhr
Dieter RebelAutor