2024-03-18T14:48:53.228Z

Querpass
Taxifahren gefährdet ihre Geldbörse!
Taxifahren gefährdet ihre Geldbörse!

Die Kruse-Krise

Über die Kunst, Privates und Berufliches zu trennen

Es gibt Zeiten im Leben, da läuft alles wie am Schnürchen. Alles, was man anfasst, scheint zu Gold zu werden. Jedes Unternehmen gelingt und das daraus entstehende positive Gefühl und die Zuversicht trägt und überträgt sich auf die folgenden Aktionen. Das Selbstbewusstsein wächst! Man hat einen richtigen Lauf! Einen solchen Lauf erlebt gerade der Vfl-Profi und frisch gebackene Ex-Nationalspieler Max Kruse - nur in die falsche Richtung. Quasi die Antithese des Flows. Der Endgegner des Glücks!

Jüngst ließ Bundestrainer Löw angesichts des bevorstehenden Fahrplans der deutschen Nationalmannschaft Kruse aus dem 27-köpfigen Kader streichen. Seine Begründung: Er sei seiner Vorbildrolle nicht nachgekommen und habe sich unprofessionell verhalten. Was war passiert?

In der Tat häuften sich die Vorfälle in Kruses Privatleben, die in Löw Zweifel säten, ob er sich genügend auf die Spiele für die EM vorbereite.

Das Drama um Kruse beginnt im Oktober 2015, obwohl erst einen Monat später bekannt wird, dass er eine gehörige Summe Bargeld (75.000€) im Taxi nach einer Pokernacht liegen gelassen hatte. Zu allem Überfluss erstattete er (viel zu spät?!) selbst Anzeige, weil er anscheinend dem naiven Glauben aufgesetzt war, dass ihm ein ehrlicher Taxifahrer das Geld schon wiedergebe. Unter ethischen Gesichtspunkten ist diese Erwartungshaltung natürlich nachvollziehbar- kommt das Behalten des Geldes einer unberechtigten Aneignung und somit einem Diebstahl gleich. Auf der anderen Seite muss man vermuten, dass der Taxifahrer a) vllt. gar nicht wusste, wen er da chauffiert hatte oder b) sogar erst wesentlich später diesen kostbaren Fund gemacht hatte. Oder eine dritte Möglichkeit c) ist denkbar: Ein darauffolgender Passagier im Taxi hat das Geld gefunden und sich – natürlich - ohne etwas zu sagen, mit den Scheinen aus dem Staub gemacht. Vielleicht eine verständliche Reaktion zumal der unausgesprochene vereinbarte Finderlohn "nur" 10% beträgt und diese ausgezahlte Summe verglichen mit der gefundenen einen erheblichen "Verlust" darstellt. Natürlich wäre dies nur ein unberechtigtes, aber sehr wirksames Gefühl.

Unabhängig von allen denkbaren Szenarien hält sich das spontan einstellende Mitleid für Kruse schnell in Grenzen, weil diese Unachtsamkeit aus mehreren Gründen nicht mehr sympathisch, sondern einfach "zu dämlich" erscheint:

Zunächst fragt man sich ungläubig, warum in Herrgottes Namen ein Fußballspieler sich mit soooo viel Geld um 6 Uhr morgens herumtreiben muss! Dekadenz? Arroganz? Selbstvergessenheit? Angeblich purer Pragmatismus, da man sich anscheinend als passionierter Pokerspieler das bei der WM in Las Vegas gewonnene Preisgeld natürlich nur bar auszahlen lassen kann. Und da das ein hübsches, aber auch kein zu bedeutendes Sümmchen Geld ist, kann man das schon mal im Taxi vergessen. Und da die Wertschätzung des eigenen verdienten Geldes nicht so ausgeprägt zu sein scheint, kann man auch diesen Verlust einen Monat verdrängen und dann panisch und medienwirksam zur Anzeige bringen. So viel Nachlässigkeit und Unachtsamkeit gehört bestraft, dachte sich auch der Verein, der Kruse ein zusätzliches Bußgeld von 25.000€ auferlegte. Auch hier mag spontanes Mitgefühl ausbleiben, da man als Profi gewisse Erwartungen des Vereins zu erfüllen hat. Und da war wohl die Uhrzeit des Geschehens nicht die beste, um Verständnis und Nachsicht zu erregen .

Man glaubt, 100.000€ sollten selbst für einen Fußballspieler eine Lehre gewesen sein. Nicht so bei Kruse.

Zunächst geriet Kruse bei den Vereinsbossen um Allofs durch die Nutella-Affäre (http://www.stern.de/sport/fussball/max-kruse--nutella-aerger-um-wolfsburg-spieler-6747798.html) in Ungnade. Um den beanstandeten Fitnesszustand zu verbessern, beschloss Kruse, seinen 28. Geburtstag im Club "Avenue" in Berlin tanzend zu begehen. Dort wollte er wohl ungesehen bleiben und entwendete einer Dame, die 2 Uhr morgens ungefragt und unerlaubt Bilder von ihm gemacht hatte, ihr Handy und löschte die Fotos. Alles wäre wahrscheinlich unentdeckt geblieben, hätte sich besagte Frau nicht als BILD-Reporterin erwiesen, sodass am nächsten Tag reißerisch vom "wilden Kruse" die Rede war (http://meedia.de/2016/03/21/das-ist-die-bild-reporterin-die-max-kruse-in-der-disco-fotografierte/)

Löw bildete sich daraufhin seine Meinung und diagnostizierte diese Tat als unprofessionell. Was aber bitte genau konnte er daran kritisieren? Dass Kruse versucht hatte, seine Privatsphäre zu schützen? Das ist sein gutes Recht! Oder bemängelt Löw die Tatsache, auf einen spielfreien Sonntag hin feiern gegangen zu sein? Wo er sogar unalkoholisiert war!? Wie weit darf ein Verband, unter dessen Fittiche ein Spieler steht, das Privatleben eines Spielers bestimmen bzw. darauf Einfluss nehmen? Ist es nicht zunächst eine Handlungsempfehlung, die im besten Falle positive Auswirkungen auf die eigene Leistung hat?

Sollte man aber bei aller Kritik aber nicht auch darauf achten, selbst ein gutes Vorbild zu sein (man erinnere sich an die Führerschein Affäre von Löw, s. http://www.abendzeitung-muenchen.de/inhalt.wm-2014-nach-horror-trainingslager-bedingt-titelbereit.5c5698a4-059e-4201-ba35-fbc418aab82d.html) oder im Fall anderer Verfehlungen ähnlich hart vorzugehen?

Erinnern wir uns an zwei prägende Skandale im DFB Team, die in jederlei Hinsicht ungeahndet blieben. Verglichen damit hat sich Kruse "dieses Mal nur" eine Lappalie geleistet, bei der quasi mit Kanonen auf Spatzen geschossen wurde. Und dort, wo die Kanonen zum Zuge hätte kommen müssen, gab es wohl unerfindliche Ladehemmungen: Denn: Reus und Podolski durften bleiben- aber warum?

Reus geriet damals in den Fokus der Aufmerksamkeit, weil ebenfalls durch zahlreiche Lücken im System viel zu spät publik wurde, dass er zwischen 2011 und 2014 zahlreiche Bußgeldbescheide sammeln konnte, obwohl er gar keine Fahrerlaubnis besaß. Eine solche bewusste Gefährdung der allgemeinen Bevölkerung und das Umgehen klarer "Zertifikate", schlichtweg Betrug genannt, ist natürlich vorbildlich genug, dass das den eigenen Verbleib in der Nationalmannschaft nicht gefährden könnte (s.http://www.focus.de/sport/videos/gute-nachrichten-fuer-bvb-star-so-glimpflich-endet-die-fuehrerschein-affaere-fuer-marco-reus_id_4906274.html).

Mit 540.000€ hatte der junge Bursche natürlich genug Lehrgeld gezahlt. Auch Podolskis Fehltritt, in einem Länderspiel vor laufender Kamera Instruktionen seines Mannschaftskapitäns Michael Ballack mit einer Ohrfeige zu quittieren, ist selbstverständlich kein schwerwiegender Grund, das Engagement des von Jahr zu Jahr mehr verblassenden Stürmers zu beenden.(s. https://www.youtube.com/watch?v=Ya2WY8hjP7M).

Der Kredit sei laut Löw zwar danach aufgebraucht gewesen, aber jeder habe eine zweite Chance verdient. Nur Kruse nicht! Das ist natürlich unverzeihlich! Somit stellt sich hier die Frage: Ist Kruse nur ein Bauernopfer oder dient diese Sanktion als Zeichen für den Rest des Teams, als ein klares Verfahren, Beratungsresistenz seitens der Profis nicht länger hinzunehmen?

Vielleicht mag ihm der Umstand, noch nicht allzu viele Spiele für die Nationalmannschaft bestritten zu haben, zum Nachteil gereichen, sodass er quasi noch verzichtbar erscheint. Erinnern wir uns zurück: Kruse war schon im November 2013 aus dem DFB-Team zeitweise „suspendiert“ worden, weil er angeblich Damenbesuch im Teamhotel empfangen hatte, was ihm letztlich die Teilnahme an der WM 2014 gekostet hat. Vielleicht nutzt Löw aber auch diese Gelegenheit, persönliche Differenzen mit dem VfL- Profi auf diese Weise aus dem Weg zu gehen. Vielleicht ist er auch zutiefst verletzt, dass ihn Kruse nicht aus seinem Nutella-Gläschen hat naschen lassen. Was es auch sein wird, die Gründe des Jogi Löw sind unauffindbar.

Interessant und spannend zu beobachten ist, dass bei diesem ganzen Tumult um Kruse eine Person sich öffentlich für ihn stark macht: Kevin Großkreutz, der nach seiner Pinkel – Affäre in einer Hotellobby und seinen Heimwehallüren in der Türkei bei Löw keine Berücksichtigung mehr gefunden hatte. Drängt sich auch hier die Frage auf, ob Querdenker und Großmäuler nicht zum Saubermann-Image des Schwiegermutterlieblings Löw passen. Andererseits müssen eben Profis (schmerzhaft) lernen, den Spagat zwischen den geforderten Erwartungen und Handlungsanweisungen, die das Leben als Person des öffentlichen Interesses mit sich bringen, und dem Wahren und Ausbilden einer authentischen „vertretbaren“ Persönlichkeit zu schaffen. Und da wäre es hilfreich, keine virtuellen Nebenschauplätze zu eröffnen, sondern wieder positiv in den Fokus der Berichterstattung zu gelangen. Und das geht nur, wenn man sich auf die schönste Nebensache der Welt konzentriert- den Fußball!


Aufrufe: 026.3.2016, 14:37 Uhr
Romina BurgheimAutor