2024-04-25T14:35:39.956Z

Allgemeines
F: Thomas Rinke
F: Thomas Rinke

"Dialog zwischen Verein und Zuschauer"

Interview mit Jürgen Kreyer, dem Vizepräsidenten des Fußballverbandes Niederrhein, zu den gehäuft aufgetretenen (oder wahrgenommenen) Gewaltdelikten gegen Ende der Hinrunde

Jürgen Kreyer, inzwischen Vizepräsident des Fußballverbandes Niederrhein, weiß, was auf den Fußballplätzen los ist. Denn er kommt aus der Schiedsrichterei und kennt die Nöte, die viele Unparteiische an den Wochenenden haben, aus eigener Anschauung. Deshalb sprachen wir mit ihm über die Gewaltdelikte gegen Ende der Hinrunde, und ob der Eindruck einer Häufung vielleicht nur täuscht.

In den Spätphase der Hinrunde haben sich die Berichte über Spielabbrüche und Gewaltakte am Niederrhein deutlich gehäuft. Ist das auch objektiv so, oder hat das Ganze für Sie keine neue Qualität?

Jürgen Kreyer Statistisch betrachtet haben sich die Vorfälle nicht gehäuft. Bei wöchentlich 3.500 Spielen am Niederrhein haben wir in der Hinserie 2014/2015 bei ca. 35.000 Spielen 74 gemeldete Gewaltdelikte gehabt.

Gibt es aus Ihrer Sicht einen Grund dafür, dass wir so etwas zuletzt nahezu jede Woche erlebt haben?

Kreyer Es gibt Wochenenden, an den die Anzahl hoch ist und Wochenenden, an denen gar nichts passiert. So können wir statistisch diese Wellenbewegungen gut analysieren.

Wenn man der einen oder anderen Spruchkammersitzung folgt, so ist dort neuerdings häufiger von rassistischen Hintergründen die Rede, was sich inzwischen ja auch im Spielbericht ankreuzen lässt. Liegt darauf vielleicht jetzt aus diesem Grund auch nur einfach stärker der Fokus?

Kreyer Wir haben die Kreis-Konflikt-Beauftragten im FVN sensibilisiert. Zudem möchten wir gerne das Meldesystem auf 100 Prozent der Vorfälle bringen. Somit werden mit Beginn der Hinserie 2014/2015 alle Vorfälle erfasst und entsprechend verfolgt. Wir sehen jedoch mehr Diskriminierungsvorfälle als Rassismusdelikte, welche beide getrennt erfasst werden. Die Anzahl ist jedoch deutlich geringer als die Gewaltdelikte.

Ein Schiedsrichter beklagte neulich, er habe ein Spiel wegen fortwährender rassistischer Beleidigung von außen abgebrochen, wie es die FIFA im Prinzip auch gutheißt. Nach der Schiedsrichterordnung wurde ihm dann aber vorgeworfen, nicht alles für eine Spielfortsetzung getan zu haben. Ist das ein Widerspruch?

Kreyer Natürlich sind solche Delikte ist keinster Form zu akzeptieren. Dennoch ist jeder Einzelfall getrennt zu bewerten. Die rechtssprechenden Stellen haben die Aufgabe, dies neutral zu bewerten und entsprechend zu urteilen. Dies könnte wie in Ihrem geschilderten Fall zu einem Urteil mit Spielneuansetzung führen.

Wie soll ein Schiedsrichter denn aus Ihrer Sicht reagieren, wenn es durch derart massive Unruhe von außen kommt? Wie wichtig ist die Unterstützung des gastgebenden Vereins dabei, welche Rolle spielen die Zuschauer?

Kreyer Dies ist genau der Unterschied. Im Amateurfußball haben die Vereine einfacheren Zugriff auf ihre Zuschauer. Dort sind die Vereine gefordert, direkt auf ihre Zuschauer einzuwirken. Ziel sollte es sein, dass die Zuschauer dies unterlassen oder die Platzanlage verlassen. Hier ist der Dialog zwischen Verein und Zuschauer gefordert.

Was kann man Vereinen generell empfehlen, um einer Gewalt-Problematik im Vorfeld entgegenzuwirken?

Kreyer Es gibt im FVN eine Qualifizierungsmaßnahme Gewaltprävention. Diese können alle interessierten Vereine kostenlos in Anspruch nehmen. Bei dieser Qualifizierungsmaßnahme werden Vereinsvertreter in Schlüsselfunktionen sowie interessierte Mannschaften im Umgang mit dieser Thematik geschult.

Im Kreis Grevenbroich-Neuss hat sich Delhoven zuletzt entschieden, bei einer von der Kammer angesetzten Neuauflage des Spiels gegen den SVG Grevenbroich nicht anzutreten. Kann das Nichtantreten aus Ihrer Sicht eine Option sein?

Kreyer Nein, dies ist überhaupt keine Lösung. Hier sind die nun qualifizierten Kreis-Konflikt-Beauftragten der Kreise mit ins Boot zu nehmen. Der Verein kann mit diesen über Lösungen sprechen und diese werden dann gemeinsam erarbeitet. Somit können wir den Spielbetrieb sicherstellen.

Inwieweit kann man als Verein den Verband zur Hilfe rufen, wenn man vor einem Spiel Bedenken hat, das etwas passieren könnte?

Kreyer Grundsätzlich kann jeder Verein mit seinem zuständigen Fußballausschuss Kontakt aufnehmen, um Bedenken zu äussern. Der Kreisfußballausschuss wird sich dieser Thematik stellen und Lösungen anbieten. Die Kreisgremien sind auch Verbandsgremien. Sollte der Kreis die Unterstützung anderer im Verband benötigen, so wird diese sichergestellt.

Wie geht der Verband mit Problem-Teams um, die schon mehrfach auffällig geworden sind?

Kreyer Die abgeschlossenen Qualifizierungsmaßnahmen mit den Kreis-Konflikt-Beauftragten sorgen nun dafür, dass diese mit den Vereinen Vorfälle aufarbeiten und Präventionsmaßnahmen speziell für diese Vereine erarbeiten. Dies sollte dazu führen, dass keine weiteren Vorfälle passieren.

Sind die Konsequenzen nach gewalttätigen Zwischenfällen so, wie Sie sich das wünschen würden, sowohl im Umgang mit den Mannschaften als auch mit den individuellen Übeltätern?

Kreyer Ich würde mir wünschen, dass auch die Medien nach einiger Zeit über die Maßnahmen, die der Verein eingeleitet hat, berichten. Viele Vereine sind in diesen Angelegenheiten positiv unterwegs, was allerdings nicht wahrgenommen wird. Zusätzlich bin ich der Meinung, dass wir mit dem Konflikt-Beauftragten in Zukunft verstärkt in den Spielklassen unterwegs sein werden, wo wir gefordert sind. Ausserdem sollten viel mehr Vereine das Schulungsmodul Gewaltprävention nutzen, um sich zu informieren.

Welche Rolle spielen die Medien denn für Sie in diesem gesamten Themenkomplex?

Kreyer In den Medien werden aktuelle Vorfälle sehr intensiv dargestellt. Dies dauert eine kurze Zeit und dann verschwindet dies aus den Medien. Wir würden uns wünschen, dass mehr Präventivmaßnahmen vorgestellt werden und Vereine, die in dieser Angelegenheit positiv unterwegs sind, in den Medien präsent wären. Hier sollten positive Beispiele die Tagespresse füllen. Zudem sollten mehr Fair-Play-Beispiele in den Medien präsent sein. Wochenende für Wochenende passieren etliche gute Beispiele für Fair Play auf den Fußballplätzen, welche nicht erwähnt werden.

Gibt es denn auch Positiv-Beispiele, wo durch gezielte Maßnahmen Ruhe in einen auffälligen Verein gekommen ist, und wie sah das möglicherweise aus?

Kreyer Ja, die gibt es. Dies passiert im Dialog mit dem Verein. Nur wenn der Verein sich dieser Thematik offen stellt, kann er etwas ändern.

Aufrufe: 028.1.2015, 16:02 Uhr
Sascha KöppenAutor