2024-04-24T13:20:38.835Z

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Noch ist Gerd Rieß eine Ausnahme: Der Weidenberger ist einer wenigen Schiedsrichter, die ihr Smartphone auch schon bei einem Punktspiel zum Einsatz gebracht haben. Foto: Peter Mularczyk
Noch ist Gerd Rieß eine Ausnahme: Der Weidenberger ist einer wenigen Schiedsrichter, die ihr Smartphone auch schon bei einem Punktspiel zum Einsatz gebracht haben. Foto: Peter Mularczyk

Der Tabubruch hat Tücken

Der Verband erlaubt Schiedsrichtern seit dieser Saison, ihr Smartphone als Alternative zur Notizkarte zu nutzen

Zwölf Minuten sind im Kreisklassen-Duell zwischen BSC Furthammer und FC Kirchenlamitz gespielt: Furthammers Verteidiger Michael Schmidt hat gerade die Gelbe Karte gesehen. Der Ball ist noch gesperrt. Da passiert es, Schiedsrichter Gerd Rieß bricht ein Tabu: Der Referee zückt sein Handy aus der Brusttasche und tippt drauflos, ohne Rücksicht auf Verluste.

Seit dieser Saison darf er das, er hat Rückendeckung von ganz oben. Deshalb sind ihm auch die verwunderten Blicke der Spieler und das Geraune der Zuschauer relativ egal. Schließlich, so rechtfertigt er sich, beantworte er weder eine Whatsapp-Nachricht seiner Kinder noch kommentiere er einen Facebook-Post seiner Frau. Er tut das, was er als Schiedsrichter immer getan hat in den letzten 25 Jahren: Er notiert die Verwarnung gegen einen Spieler – allerdings nicht mittels eines Stifts auf der klassischen Spielnotizkarte, sondern im Liveticker des Bayerischen Fußball-Verbandes (BFV).

Seit dieser Saison ist es dem Unparteiischen nämlich möglich, die Torschützen, Verwarnungen und Auswechslungen in den Liveticker ein- und diese Daten nach Ende der Partie in den elektronischen Spielbericht zu übertragen. „Der Eintrag auf der klassischen Spielnotizkarte geht nicht schneller als der Eintrag im BFV-Liveticker. Das nimmt sich nichts. Nach dem Spiel ist es mit dem Liveticker aber nur ein Klick für den Schiri, die Daten in den elektronischen Spielbericht einzufügen. Das geht dann wesentlich schneller, als alle notierten Ereignisse einzeln von Hand einzutragen“, pries der kürzlich verstorbene BFV-Vizepräsident Horst Winkler die Vorzüge der Neuerungen in einem Interview auf der Homepage des Verbandes an.

„Es funktioniert im Großen und Ganzen reibungslos“, berichtet Gerd Rieß von seinen ersten Erfahrungen. „Die Daten sind sofort eingegeben, es braucht keine nachträgliche Bearbeitung des Spielberichtsbogens, und die Fußballfans haben ihren Liveticker“, sagt der 47-Jährige, der sein Smartphone bislang bei zwei Partien zum Einsatz gebracht hat. „Allerdings“, so schränkt er ein, „ein bisschen geschult im Umgang mit den neuen Medien sollte man schon sein.“ Genau das ist das K.o.-Kriterium für Alexander Maisel. Der Obmann der Schiedsrichter-Gruppe Bayreuth setzt auch künftig weiter auf die klassische Spielnotizkarte, weil er, wie er sagt, mit seinen 54 Lenzen technisch einfach nicht gewieft genug sei.

„Ich stehe dann da und drücke vier bis fünfmal auf dem Handy herum, bis ich an der richtigen Stelle bin.“ Das damit verbundene Bild, das der Schiedsrichter abgebe, sei dementsprechend nicht das beste, sagt Maisel und erinnert sich an das vergangene Wochenende zurück, als er das brisante Kreisklassen-Nachbarderby zwischen dem SV Motschenbach und dem TSC Mainleus leitete: „Da sind über 250 Zuschauer am Rand, da geht es rund, es gibt viele Verwarnungen, und ich stehe dauernd da und tippe auf dem Handy herum.“ Verbieten werde er den Einsatz des Smartphones seinen Schiedsrichtern nicht, eine explizite Empfehlung aussprechen will er aber auch nicht. „Das soll jeder selbst entscheiden.“ Die Vorbehalte seines Kollegen kann Gerd Rieß gut nachvollziehen. Er sagt, die Einführung des Handys als Schiedsrichter-Hilfsmittel sei einfach noch nicht ausreichend publik gemacht worden. Da müsse der Verband bei der Öffentlichkeitsarbeit noch nachbessern.

Rieß sagt: „Wenn das Spiel in der 88. Minute Spitz auf Knopf steht, und ich treffe eine kniffelige Entscheidung, muss ich mir den Vorwurf gefallen lassen, dass ich nicht konzentriert war, weil ich dauernd aufs Handy geschaut habe.“ Bei Spielen mit Assistenten, also ab der Kreisliga aufwärts, werde sich das Smartphone auf jeden Fall durchsetzen, schätzt er, „dann nämlich könnte der zweite Assistent diese Aufgabe übernehmen.“ Die ganz große Begeisterung hat sich auch bei Tizian Jahreis noch nicht eingestellt. Der gerade 18-Jährige ist Lehrwart der Schiedsrichter-Gruppe Bayreuth und mit den neuesten Medien bestens vertraut. Dass er auch künftig von einem Smartphone-Einsatz absehen wird, „liegt nicht daran, dass ich mich schämen würde, vor den Spielern und Zuschauern ein Handy zu zücken, sondern einfach daran, dass es zu schwer und zu groß ist und meine Bewegungsfreiheit deshalb eingeschränkt ist.

Mein Handy passt auch gar nicht in die Brusttasche. Und was ist, wenn ich beispielsweise in Donndorf pfeife und da unten im Wald kein oder nur mäßiges Netz habe?“ Ideal wäre ein Hotspot an jedem Spielfeldrand und der Einsatz von Smartwatches für das Handgelenk. Davon aber sei man noch weit entfernt, sagt der Lehrwart und nennt auch noch die ungeklärte Haftungsfrage: „Wer ersetzt mir mein Handy, wenn es im Spiel kaputt geht, oder was ist, wenn es nass wird?“ Zudem widerstrebt es dem jungen Schiedsrichter, „Verbandsarbeit mit meinem eigenen Smartphone zu machen“. Grundsätzlich aber ist er überzeugt, dass auch die neuen Kommunikationsmittel im Schiedsrichterwesen Einzug halten werden – schon aufgrund des Livetickers aus der objektiven Perspektive des Referees. „Das ist einfach eine tolle Sache.“

Aufrufe: 031.10.2015, 08:00 Uhr
Stefan Wolfrum / Nordbayerischer KurierAutor