2024-04-25T14:35:39.956Z

FuPa Portrait
Ein bulliger Mittelstürmer der klassischen Schule: Willi Bergstein auf dem vollen Tivoli. Foto: privat
Ein bulliger Mittelstürmer der klassischen Schule: Willi Bergstein auf dem vollen Tivoli. Foto: privat

Der Sturm-Bulle mit der sagenhaften Torquote

Willi Bergstein erzielte einst 64 Treffer in nur 80 Spielen für Alemannia. Aus Liebe zu seinen Eltern verpasste er Fritz Walter einen Korb.

So einen könnte jede Fußballmannschaft gut gebrauchen – und Alemannia Aachen gerade ganz besonders. Denn Willi Bergstein hat da eine Befürchtung. Natürlich hofft er inständig, dass das klappt mit dem Aufstieg. „Aber in der Offensive“, sagt Bergstein, „da ist die Mannschaft nicht so stark.“

Der Mann ist inzwischen 75 Jahre alt, aber er weiß immer noch, wovon er redet, wenn er auf Stürmer zu sprechen kommt. Bis heute hat es am Tivoli keinen mehr gegeben, der auf eine solch fantastische Trefferquote fast in Gerd-Müller-Dimensionen verweisen kann, wie der gebürtige Oidtweiler. Sagenhafte 64 Tore in nur 80 Punktspielen hat Bergstein geschossen, ein bulliger Mittelstürmer klassischer Schule, und noch heute schwärmt er von seinen fünf Jahren im schwarz-gelben Trikot: „Das war eine herrliche Zeit.“

Eine großartige Karriere schien ihren Lauf zu nehmen. Als Achtjähriger begann Willi Bergstein bei der Concordia, „wir waren in jeder freien Minute auf dem Sportplatz, hatten ja nichts anderes“. Mit 13 wechselte er zum SV 09 Baesweiler, „ein hervorragend geführter Verein mit einer super Jugendabteilung“. Bergstein schaffte es bis in die Mittelrheinauswahl, wurde Pokalsieger, Junioren-Nationalspieler – und von Klubs aus ganz Deutschland umworben. „Ich hatte neun Angebote“, vom Meidericher SV, Karlsruher SC, Borussia Mönchengladbach. „Und eines Tages saß der große Fritz Walter in meinem Elternhaus in Oidtweiler. Er wollte mich unbedingt nach Kaiserslautern holen.“ Heutzutage kaum noch vorstellbar, dass jemand so eine Offerte ausschlägt. „Meine Eltern wollten das nicht, und ich hätte das auch schwer übers Herz gebracht, weil ich meinen Eltern immer dankbar war.“ Am Ende wählte Bergstein die am nächsten liegende Möglichkeit, ging zusammen mit Alfred Glenski zu Alemannia – und schlug 1960/61 prächtig ein mit 25 Toren in der Oberliga West. Wie das damals so war: Der gelernte Dreher (auf der Zeche Carl Alexander) arbeitete neben dem Fußball in einem Beruf, schloss auf Vermittlung des damaligen Präsidenten Gerd Heusch eine kaufmännische Ausbildung ab und stieg bis zum Versandleiter bei der Waggonfabrik Talbot auf. „Heusch hatte mir versprochen: Wenn Sie zu uns kommen, ist für Sie ausgesorgt.“

Als die Bundesliga eingeführt wurde, blieben die Schwarz-Gelben draußen. Willi Bergstein erinnert sich an ein Spiel zuvor gegen den 1. FC Köln. „Da hatte Hans Schäfer zu Jupp Martinelli gesagt: Ihr könnt spielen und gewinnen was ihr wollt, ihr kommt sowieso nicht in die Bundesliga.“ Für Alemannias Torjäger begann eine persönliche Leidensgeschichte. „Ich bekam Probleme mit dem Meniskus und der Leiste, war nicht mehr so schnell.“ In seinen beiden letzten Jahren an der Krefelder Straße kam Bergstein nur noch auf zehn Einsätze (fünf Tore), 1965 wechselte er in die Ehrendivision zu MVV Maastricht und beendete drei Jahre später, mit gerade einmal 29, seine aktive Karriere.

Karl-Heinz Heddergott, sein einstiger Coach in der Juniorenauswahl, ermunterte ihn, die Trainerlizenz zu erwerben. Willi Bergstein machte sich auch hier einen Namen, vor allem bei der Eschweiler SG, die er zwischen 1977 und 1984 bis in die höchste Amateurklasse führte. Auch mit dem Oberbrucher BC stieg er auf, „ich war da König“. Letzte Station war der SV 09 Baesweiler, der 1999 Konkurs ging. „Mit dem Fußball ging es überhaupt hier in der Region bergab. Damit wollte ich mich nicht mehr herumschlagen.“ Zwischenzeitlich spielte Bergstein Tennis im Verein, „ich lernte einen neuen Freundeskreis kennen. Doch nach einer Knie-OP musste ich damit aufhören.“

Im vergangenen August brach sich Willi Bergstein, seit 50 Jahren mit seiner Marianne verheiratet und zweifacher Vater sowie dreifacher Großvater, bei einem Treppensturz in seinem Baesweiler Haus den linken Oberschenkel. „Bergwandern, das geht jetzt nicht mehr.“ Aber er pflegt seine Freundschaften, aus Alemannias Traditionsmannschaft vor allem mit Jupp Martinelli und „Teddy“ Laumann. Und neuerdings treffen sich die ehemaligen Jugendspieler des SV 09. „Da reden wir über die alten Zeiten.“

Aufrufe: 028.3.2015, 09:12 Uhr
ks I AZ/ANAutor