2024-05-14T11:23:26.213Z

Im Nachfassen

Hans-Jürgen Schnitzler: Dem Krebs die Rote Karte gezeigt

Schiedsrichter aus Leidenschaft: Seit 1975 war Hans-Jürgen Schnitzler im Fußballkreis Herford aktiv. Jetzt aber zieht es ihn nach Schleswig-Holstein. Der 73-Jährige kann Peter Neururer als Trainerkollegen bezeichnen, auch bei „Verstehen Sie Spaß“ kennt man ihn.

Vermutlich hat Hans-Jürgen Schnitzler rund 2.000 Fußballspiele in den letzten fast 45 Jahren gepfiffen. „Ich habe sie nicht gezählt oder gar Buch geführt“, wirft Schnitzler ein. Fußballer im Kreis Herford, von den Mini-Kickern bis zu den Alten Herrn, kennen den 1,65 Meter großen Mann mit dem gemütlichen Bauchansatz. Doch für den bekannten, altgedienten Fußball-Schiedsrichter ist nun Schluss auf den Sportplätzen in und um Herford: Hans-Jürgen Schnitzler zieht es nach Schleswig-Holstein.

Schnitzler wurde 1946 in Essen geboren und ist noch heute Fan von Rot-Weiß Essen. „Erst vor wenigen Wochen war ich im Stadion an der Hafenstraße. Dort gibt es noch immer eine einmalige Atmos-phäre“, schwärmt Hans-Jürgen Schnitzler, der seit den 1960-er Jahren im Kreis Herford lebt. Seine Schiedsrichter-Prüfung hat er am 22. März 1975 im Stadion am Mittelbach in Löhne-Gohfeld abgelegt. Die Veranstaltung verlief tragisch, denn beim 1.200-Meter-Lauf brach ein Schiedsrichter-Anwärter aus Eisbergen tot zusammen. „Bei der Leitung eines Spiels auf dem Bünder Heidesportplatz verstarb der Torwart des SV Spradow plötzlich“, erinnert sich Hans-Jürgen Schnitzler an ein weiteres trauriges Ereignis einige Jahre später. Gesundheitliche Probleme sind dem Hiddenhauser selbst auch nicht fremd. Im Jahre 2013 mussten ihm vier Bypässe eingesetzt werden. Ein Jahr später hatte Hans-Jürgen Schnitzler in Südtirol einen schweren Motorradunfall. Es drohte eine Beinamputation. Damit nicht genug: Es folgte die Diagnose Blasenkrebs. „Man darf sich nicht unterkriegen lassen. Ich hatte für den Krebs keine Zeit. Ich musste Fußballspiele pfeifen und habe dem Krebs die Rote Karte gezeigt“, sagt Schnitzler überzeugend.


Trainerlehrgang mit Peter Neururer


Mit klarer Ansage leitete der 73-Jährige auch heute noch die Fußballspiele. Er schaffte es in seiner Schiedsrichterlaufbahn bis in die Bezirksliga und hatte in all den Jahren nur eine Sportgerichtsverhandlung. Heute ist er als Schiedsrichter noch bei den Spielen der Jugendlichen aktiv. „Die Spieler haben Respekt vor mir und ich vor ihnen. Ein langes Palaver gibt es bei mir nicht. Ich habe den Trainern geraten, einen bestimmten Spieler auszuwechseln, damit ich ihn nicht des Feldes verweisen musste.“ Seit 1969 ist der Vater von zwei Kindern und drei Enkeln mit seiner Frau Christine verheiratet. Als Trainer arbeitete Schnitzler beim SV Schwarz-Weiß Ahle und beim TuS Hunnebrock. „Ich habe vor vielen Jahren die B-Lizenz gemacht. An diesem Lehrgang hat auch der bekannte Trainer Peter Neururer teilgenommen. Es hat es als Trainer etwas weiter gebracht als ich“, lacht Schnitzler. Als Komiker und Witze-Erzähler ist er noch immer ein gern gesehener Gast auf vielen Feiern. Im Jahre 2004 hatte er sogar Auftritte in Frank Elstners Fernseh-Show „Verstehen Sie Spaß?“. Früher hat Jürgen Schnitzler als Schlosser gearbeitet, heute ist er Rentner im Unruhestand.


Hängt die Pfeife nicht an den Nagel


„Jürgen muss immer etwas zum Kramen haben“, sagt seine Frau Christine. Hans-Jürgen Schnitzler hat am 25. September mit der Begegnung der C-Junioren zwischen dem VfL Holsen und dem SV Löhne-Obernbeck II seine letzte Partie im Kreis Herford geleitet. Leider war vom Kreisschiedsrichterausschuss niemand zur Verabschiedung am Sportplatz. Die Pfeife hängt der rüstige Schiedsrichter jedoch nicht an den Nagel, Schnitzler wechselt nämlich zum TuS Collegia Jübek und nimmt dort im schleswig-holsteinischen Kreis Schleswig-Flensburg noch einmal einen neuen Lebensabschnitt in Angriff.

Im Örtchen Hünnig an der Treene betreiben Schnitzlers Tochter Janine und ihr Lebensgefährte einen Bonbon-Laden mit Café. „Einen alten Baum verpflanzt man nicht. Wir fühlen uns aber nicht alt, deshalb wagen wir noch mal einen solchen Schritt. Wir gehen mit einem lachenden und einem weinenden Auge“, sagt Ehefrau Christine. Kult-Schiedsrichter Hans-Jürgen Schnitzler wird in jedem Fall auf dem Plätzen im Kreis Herford fehlen. Eine Anekdote über ihn erzählt Trainer Dietrich Rutenkröger: „Der Ball sprang unter die Latte. Der Ball war klar drin. Ich konnte es genau aus guter Position sehen. Jürgen Schnitzler sagte, er hätte die beste Position gehabt und hätte es nicht gesehen“. So war und ist er, so werden die Fußballer im Kreis Herford ihn Erinnerung behalten und hoffentlich die Kicker in Schleswig-Holstein noch lange erleben – Hans-Jürgen Schnitzler oder der Witzbold „Bauer Piepenbrink sein Freund“.
Aufrufe: 015.10.2019, 18:30 Uhr
NW / FuPaAutor