2024-04-19T07:32:36.736Z

Interview

Mustafa Azadzoy: "Man darf nie zu früh zufrieden sein"

Teil 1 des großen FuPa-Interviews mit dem afghanischen Nationalspieler

Der Delmenhorster BV belegt zurzeit in der 2.Kreisklasse Oldenburg-Land/Delmenhorst als Aufsteiger einen guten fünften Platz. Das Team ist seit sieben Spielen ungeschlagen und holte in dieser Zeit sechs Siege. Der Verein ist aber auch der Heimatverein eines aktuellen Nationalspielers. Mustafa Azadzoy hat sein fußballerisches Handwerk an der Düppelstraße gelernt. Inzwischen ist der Mittelfeldspieler Fußballprofi in Thailand und hat mehr als 20 Länderspiele für sein Heimatland Afghanistan absolviert. Anlässlich eines Heimatbesuches nutzten wir die Chance zu einem Interview.

Frage: Wie kommst du mit dem November-Wetter in Deutschland zu Recht?

Azadzoy: Es ist schon eine große Umstellung, wenn man im Herbst von Thailand nach Deutschland kommt. In Bangkok sind es zurzeit rund 27 Grad bei sehr hoher Luftfeuchtigkeit. Der Unterschied ist schon enorm. Dazu kommt, dass ich mir durch das feuchtkalte Wetter eine kleine Erkältung eingefangen habe.

Frage: War es für dich schwer, sich an das feuchtwarme Klima in Thailand zu gewöhnen?

Azadzoy: Ja, anfangs hatte ich teilweise sogar Atemschwierigkeiten auf dem Platz. Aber nach zwei bis drei Wochen hatte ich mich an das Wetter gewöhnt. Nun kann ich damit gut umgehen.

Frage: Und auch die Ernährung ist eine ganz andere…

Azadzoy: Ja, man muss aufpassen, was man isst. Die thailändische Küche ist im Allgemeinen sehr scharf. Aber auch hier setzt nach einer gewissen Zeit eine Gewöhnung ein. Trotzdem sollte man in Restaurants schon auf die Kennzeichnung der Speisen achten. Wenn die Thailänder schreiben das es scharf ist, ist es das auch.

Frage: Das heißt, du kannst thailändisch sprechen und lesen?

Azadzoy: Nein, nein. Ich kann ein paar Worte thailändisch sprechen und werde im nächsten Jahr auch einen Sprachkurs belegen, um mich besser verständigen zu können. Auf dem Platz verständigen wir uns mit einigen thailändischen Worten oder auf Englisch. Und die thailändische Schrift ist eher ein Fall für sich (lacht).

Frage: Und wie hast du dich mit dem Trainer verständigt?

Azadzoy: Auf Deutsch (lacht). Dennis Amato ist deutscher und hat für Mainz 05 II in der Oberliga Südwest gespielt.

Frage: Du bist im Juni 2016 nach Thailand gewechselt und hast dort in der Thai Division 2, der dortigen dritten Liga, bei Nara United einen Vertrag unterschrieben. Dort habt ihr als Vizemeister nur knapp den Aufstieg in die 2.Liga verpasst. Vor der abgelaufenen Saison bist du zum Chainat Hornbill FC in die Division 1 gewechselt. Wie kann man den thailändischen Fußball von der Spielstärke her einordnen?

Azadzoy: Die Spitzenteams der Thai Premier League könnten meiner Meinung nach in Deutschland in der 3. Liga mithalten. Die anderen Mannschaften haben eher Regionalliganiveau. Aber in Thailand tut sich viel, viele ausländische Trainer und auch Spieler heben das Niveau immer weiter an. So habe ich zum Beispiel in der abgelaufenen Spielzeit mit den Franzosen Florent Sinama-Pongolle zusammen gespielt. Er gewann 2005 mit Liverpool die Champions League. Er ist ein unheimlich routinierter Spieler, der uns jüngeren mit seinen Erfahrungen weiterhilft. Er gibt uns viele Tipps und Anweisungen auf dem Spielfeld. Er hat mich unheimlich geformt. Unser Mittelfeldspieler Gorka Velasco hat bei Real Madrid in der zweiten Mannschaft und in der österreichischen Bundesliga für St. Pölten gespielt.

Frage: Das klingt danach dass Thailand ein Paradies für alternde ausländische Profis ist?

Azadzoy: Nein, denn es gibt eine strenge Regelung war das Ausländerkontingent angeht. Im Kader dürfen nur fünf Ausländer stehen, während des Spiels dürfen nur vier Ausländer auf dem Platz sein. Einer davon muss im Besitz eines asiatischen Passes sein.

Frage: Und da hilft deine doppelte Staatsbürgerschaft?

Azadzoy: Mein afghanischer Platz gilt als Asiatisch. Das ist natürlich ein kleiner Vorteil, aber im Endeffekt zählt nur die Leistung, die man im Training und auf dem Platz bringt.

Frage: Du hast mit elf Toren und zwölf Vorlagen maßgeblichen Anteil am direkten Wiederaufstieg in die Premier League mit dem Chainat Hornbill FC gehabt. Nun wechselst du zu Chiangrai United. Hast du es nun als Fußballer geschafft?

Azadzoy: Ja, ich habe dort für zwei Jahre unterschrieben. Ich freue mich auf die neue Aufgabe und viele neue Eindrücke. Und nein: Ich habe es nicht geschafft. Ich kann mich immer noch weiter entwickeln und möchte auf und neben dem Platz noch vieles lernen. Natürlich ist es ein Traum, als Fußballprofi sein Geld zu verdienen. Aber es hängt von vielen Kleinigkeiten ab ob man es schafft in den oberen Ligen zu spielen oder nicht. Man muss sich jeden Tag neu beweisen und hart an sich arbeiten. Wer sich zu früh mit dem erreichten zufrieden gibt, wird es nicht schaffen als Profi zu spielen.


Morgen im zweiten Teil: Warum Mustafa Azadzoy noch einige Jahre in Asien spielen will, wie sein Alltag in Thailand ausssieht, wo er gerne einmal spielen würde und was er für die Zeit nach dem Fußball plant.

Mustafa Azadzoy wurde am 24. Juli 1992 in Kabul geboren. Seine Eltern und seine Geschwister flüchteten 1993 nach Deutschland, wo sie ihr Weg über Hamburg nach Delmenhorst führte. Azadzoy begann seine fußballerische Karriere beim Delmenhorster BV, ehe er im Alter von 16 Jahren zum VfL Oldenburg wechselte. Von 2011 bis 2013 spielte er für den VfB Oldenburg, für den er in 20 Spielen zwei Tore erzielte. Beim TB Uphusen erzielte er zwischen 2013 und 2016 in 54 Oberligaspielen 15 Tore. Im Juni 2016 wechselte er zum Nara United FC in die 2. thailändische Liga. Nach Ablauf der Saison wechselte er zum Zweitligisten Chainat Hornbill FC. In der kommenden Saison wird er für Chiangrai United in der Premier League auflaufen. Azadzoy, der sowohl einen deutschen als auch einen afghanischen Pass besitzt, hat für Afghanistan inzwischen 23 Länderspiele absolviert, in denen er drei Treffer erzielte.

Aufrufe: 015.11.2017, 15:37 Uhr
Volkhard PattenAutor