2024-04-23T13:35:06.289Z

Interview
– Foto: Bezirksamt Reinickendorf von Berlin

„Das Sportamt Reinickendorf hatte den BFV rechtzeitig hingewiesen“

Der Reinickendorfer Bezirksstadtrat Tobias Dollase äußert sich zur Kommunikation der verschiedenen Parteien, die Umsetzung des Hygienekonzept und die Entwicklung der Pandemie

Ein Interview von Marcel Peters - https://www.facebook.com/AmateurberichterstattungMarcelPeters/ - regelmäßig Berichte über Berliner und Brandenburger Amateurfußballer oder Vereine. Gesprächspartner: Tobias Dollase

Die Corona-Entscheidungen vom Berliner Fußball Verband haben in den vergangenen Tagen, Wochen und Monaten hohe Wellen geschlagen. Die Schuldzuweisungen waren vielerorts zu lesen. In Reinickendorf ist vor allem Tobias Dollase verantwortlich. Um ein wenig „Licht ins Dunkle“ zu bringen, haben wir mit dem Leiter Bezirksamt Reinickendorf von Berlin Abteilung Jugend, Familie, Schule und Sport gesprochen.


Herr Dollase, vielen Vereinsvertretern stieß bei der Entscheidung des Berliner Fußball Vebandes nur eine Runde zu spielen auch die (fehlende) Kommunikation in Richtung der Vereine übel auf. Wie stehen Sie dazu?

In Reinickendorf besteht traditionell ein guter und enger Kontakt zwischen dem Sportamt und den Vereinen. Daran ist mir persönlich auch sehr gelegen. Unsere Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen beantworten Fragen, Beschwerden und Anliegen immer so schnell es geht. Daher kann aus meiner Sicht von fehlender Kommunikation in Reinickendorf keine Rede sein. Wir sind als Bezirksamt aber auch immer auf die Informationen aus der Senatsverwaltung angewiesen. Wenn wir die Informationen nur kurzfristig bekommen, können wir sie auch nur kurzfristig umsetzen und weitergeben.

Warum wurde das Hygienekonzept erst kurz vor dem geplanten Saisonstart angepasst?

Das stimmt so nicht. Das Hygienekonzept gab es schon seit Mitte Juni und wurde im Trainingsbetrieb von den Vereinen bereits angewendet. Dem BFV wurde rechtzeitig mitgeteilt, dass im Spielbetrieb die Nutzung der Kabinen nur „entzerrt“ stattfinden kann. Dies wäre bei der Ansetzung des Spielplans bereits zu berücksichtigen gewesen. Das Sportamt Reinickendorf hatte den BFV darauf rechtzeitig hingewiesen. Kabinen wurden ebenfalls rechtzeitig vermessen und mit Hinweisschildern versehen, wie viele Personen sich jeweils in einer Kabine aufhalten dürfen.

Umso bemerkenswerter die Entscheidung des Verbandes. Gab es denn in Reinickendorf stetig steigende Fallzahlen?

Wir dürfen nicht vergessen, dass wir uns in einer Pandemie-Situation befinden. Wir alle müssen uns in vielen Bereichen des Lebens an diese Situation anpassen. Der Sport stellt hier keine Ausnahme dar. Es geht um die Gesundheit vieler Menschen und Gesundheit stellt ein hohes Gut dar. Steigende Fallzahlen sind mir im Reinickendorfer Sport nicht bekannt, gerade weil sich die allermeisten Vereine an die Regeln halten. Wir haben mit anderen Verbänden, wie dem Hockey- oder Leichtathletikverband, sehr gute Erfahrungen gemacht.

Kurz nach Beginn des Training- und Freundschaftsspielbetriebes durften keine Zuschauer auf die Sportanalagen. Mittlerweile sind diese mit mühseligen Dokumentationen erlaubt, dafür ist es den Sportlern untersagt Duschräume zu nutzen. Auch die Kabinennutzung ist nur eingeschränkt möglich. Was hat es mit diesen Maßnahmen auf sich?

Wie schon gesagt, wir leben in einer Pandemie. Sie können ja momentan auch nicht ohne weiteres mit tausenden Menschen in ein Konzert gehen. Zu kleine, geschlossene Räume in sind momentan eben auch im Sport nur mit Einschränkungen zu benutzen. Im Übrigen wurden in Absprache mit dem BFV die Vorgaben angepasst und mehr individuelle Lösungsmöglichkeiten für die einzelnen Vereine vereinbart.

Ist man sich bewusst, dass durch diese Maßnahmen andere Krankheiten (Erkältungen, Lungenentzündungen, etc.) gefördert werden, das Kinder, Jugendliche und Erwachsene zu später Stunde, bei immer kälter werdendem Wetter, teilweise durch die halbe Stadt fahren müssen – mit dem Fahrrad oder den Öffentlichen Verkehrsmitteln.

Bestimmte Einschränkungen, gerade beim Duschen, müssen wir einfach hinnehmen, da es um den Infektionsschutz geht. Sogar in Schwimmbädern darf zurzeit nicht geduscht werden. Vereine anderer Sportarten kommen mit diesen Regeln übrigens sehr gut zurecht. Hinzu kommt, dass gerade Kinder und Jugendliche die Duschen oft sowieso nicht nutzen. Sie werden häufig von ihren Eltern mit dem Auto gebracht und nach dem Training oder Spiel gleich wieder nach Hause gefahren. Erwachsenen traue ich zu, selbst einzuschätzen, ob Sie sich beispielsweise vor der Heimfahrt noch eine Jacke überziehen müssen oder nicht. Sollte es im Winter richtig kalt werden, werden Spiele schon immer abgesagt und Sportanlagen können nicht benutzt werden.

Einige Platzwarte, so war die Resonanz der vergangenen Wochen, wirken auch schlichtweg überfordert mit den aufgelegten Maßgaben. Sie bemühen sich, stoßen aber auch wegen dem Aufwand an Ihre Grenzen. Wie soll dem Abhilfe geschaffen werden?

Ich sehe keine Überforderung der Platzwarte. Sie machen angesichts der Lage einen sehr guten Job. Sie helfen vor Ort das umzusetzen, was die Politik vorgibt. Aus meiner Sicht wäre etwas mehr Verständnis für die Platzwarte angebracht. Ich stehe persönlich mit vielen Platzwarten in Reinickendorf in engem Kontakt. Ich besuche regelmäßig die Sportanlagen und lasse mir alles aus erster Hand erzählen. Und wenn ich dann höre, dass es in anderen Bezirken sogar gewaltsame Übergriffe von Sportlern gab, dann fehlt mir dafür einfach jedes Verständnis.

In meinen Augen war seit der Bekanntmachung des Abbruches der vergangenen Saison, am 20.06.2020, genügend Zeit, dass die Bezirke, der Senat und der Berliner Fußball Verband, ein vernünftiges Hygienekonzept zu entwickeln. In dieser Zeit hätte man sich auch auf Eventualitäten, wie sie nun „unerwartet“ eingetroffen sind, vorbereiten können. In vielen Augen wirken die Hygienemaßnahmen nun willkürlich herbeigeführt. Eventuell können Sie dies Wiederlegen.

Allen Hygienekonzepten liegt die SARS-CoV-2-Infektionsschutzverordnung des Sentas zugrunde. Von Willkür kann hier nun wirklich keine Rede sein. Wir alle lernen im Verlauf der Pandemie ständig dazu. Ob Regeln geändert werden können, hängt auch davon ab, wie gut sie zuvor eingehalten wurden. Die Aufgabe im Sport bestand darin, trotz der erforderlichen Hygieneregeln, überhaupt einen Spielbetrieb hinzubekommen. Und das ist doch das Wichtigste, das überhaupt wieder gespielt werden kann!

Haben Sie mit dem Verantwortlichen des BFV gesprochen? Sind deren Maßnahmen möglicherweise gar nicht übereinstimmend mit denen aus Ihrem Bezirk?

Selbstverständlich sprechen wir miteinander. Genau zu diesem Zweck wurde eine regelmäßige Telefonkonferenz mit den Sportämtern und dem BFV eingeführt.

Die Gespräche mit dem BFV waren sehr gut und konstruktiv. Denn allen ist klar, es kann nur gemeinsam funktionieren das Virus zu bekämpfen und den Sportbetrieb bestmöglich weiter aufrecht zu erhalten. Das Ergebnis des Gesprächs mit dem BFV können Sie nachlesen.


Aufrufe: 017.9.2020, 23:07 Uhr
Marcel PetersAutor