2024-05-02T16:12:49.858Z

Interview
Der im Sommer 2017 gegründete Verein Croatia Straubing (rote Trikots) rangiert derzeit auf Platz 2 der A-Klasse Straubing.
Der im Sommer 2017 gegründete Verein Croatia Straubing (rote Trikots) rangiert derzeit auf Platz 2 der A-Klasse Straubing. – Foto: Alfred Brumbauer

Croatia Straubing: »Man spürt oft den Hass«

Nach einem Revanchefoul an einem Spieler von Croatia Straubing, in dessen Folge der Betroffene seine Karriere beenden musste, hat sich 2. Vorsitzender Ivan Cirko an die FuPa-Redaktion gewandt

Es war kein Allerweltsfoul, sondern eindeutig ein bewusstes Verletzten des Gegenspielers aus Frust. Davon ist Ivan Cirko, 2. Vorsitzender von Croatia Straubing, überzeugt. Deshalb wandte er sich nach der folgenschweren Szene, die sich im Oktober ereignet hat, an die FuPa-Redaktion mit der Bitte um ein Interview. Herausgekommen ist dabei folgendes Gespräch mit dem 27-Jährigen, der sowohl die kroatische als auch die deutsche Staatsangehörigkeit hat.

Ivan, erzähl uns mal: Was ist Anfang Oktober genau passiert, dass Dich dazu veranlasst hat, an die Öffentlichkeit zu gehen?
Es lief die 93. Spielminuten, wir haben deutlich geführt. Unser Spieler hatte im Mittelfeld den Ball, passte ihn weiter. Dann kam der Gegenspieler mit gestreckten Bein herangerauscht und hat unseren Spieler, den beste Mann an diesem Tag auf dem Feld, freiweg umgehauen.

Wie fielen die ersten Reaktionen aus?
Das mit der Szene einhergehende Geräusch, das Brechen des Knochens, war krass. Der Spieler ist am Boden gelegen und hat vor Schmerzen gewimmert. Später wurde ein Schien- und Wadenbeinbruch diagnostiziert. In der Folge herrschte Stille, keiner konnte etwas sagen oder tun. Alle standen unter Schock.

Die Situation ist also nicht eskaliert?
Nein. Wenn man so will, hat die schwere Verletzung das verhindert. Ohne Knochenbruch wäre das Ganze wohl eskaliert. Aber der Schock hat die Emotionen etwas im Zaum gehalten.

Wie geht's dem Betroffenen heute?
Gar nicht gut. Er wurde erst Mitte November entlassen. Der Heilungsprozess verlief alles andere als zufriedenstellend. Die Bruchstelle hatte sich entzündet, die Operation verzögerte sich deshalb. Nach der OP hat der Körper dann die künstlichen Fixierungen abgestoßen. Er musste aus diesem Grund erneut unters Messer.


»Ein kroatischer Verein ist von vorneherein unbeliebt«



Die logische Konsequenz: Das vorzeitige Karriereende.
Selbstredend. Seine Mitspieler haben ihn besucht und hätten ihm seine Fußballschuhe gebracht. Er wollte sie erst gar nicht mehr anfassen. Für ihn ist dieses Thema ausgestanden, obwohl er ein absoluter Vollblut-Fußballer war.

Glaubst Du tatsächlich, dass Frust die einzige Ursache für dieses folgenschwere Foul war?
Ja. Der damalige Gegner sprach natürlich davon, dass es ein unglücklicher Zusammenprall war. Dass der Foulende einfach zu spät gekommen sei. Für uns ist die Sache aber klar: Wir haben geführt, der Ball nicht mehr im Spiel, die Situation irgendwo im Mittelfeld, es lief die Nachspielzeit.

Ausländerfeindlichkeit haben in diesem Zusammenhang keine Rolle gespielt?
Nein, an diesem Tag nicht.

Hört sich an, wie wenn das eher die Ausnahme ist.
Ja, leider. Man spürt oft den Hass. Ein kroatischer Verein ist bei vielen anderen Mannschaften von vorneherein unbeliebt. Wir werden oft beleidigt. Sprüche wie "Scheiß Ausländer" gehören leider zum Alltag. Das ist nicht schön, keine Frage. Croatia Straubing ist aber glücklicherweise ein Verein, der damit umgehen kann.



Es handelt sich also nicht um unterschwelligen Rassismus, sondern um klar ersichtlichen bzw. hörbaren?
Es gibt eigentliches beides.

Diskriminierungen ist schlicht und einfach unentschuldbar, das steht fest. Oftmals sind gerade Südländer aber auch dafür bekannt, im Vorfeld solcher ekelerregenden Entgleisungen zu provozieren. Wie nimmst Du dieses Zusammenspiel wahr?
Ja, das stimmt. Das Temperament geht manchmal mit uns durch. Ich kann nicht bestreiten, dass Südländer dazu neigen, zu provozieren. Wir sind aber ein relativ ruhiger Verein. Unser Problem ist, dass wir uns wiederum leicht provozieren lassen und dann schaukelt sich das Ganze auf. Trotz alledem ist Rassismus unentschuldbar.

Das stimmt absolut. Du spielst selbst seit Deiner Kindheit Fußball. Welche extremen Situationen in diesem Zusammenhang hast Du bisher erlebt?
Wie schon erzählt gehören entsprechende Sprüche fast schon dazu. Ich selber wurde auch schon körperlich angegangen. Mit- und Gegenspieler konnten damals aber noch im letzten Moment verhindern, dass ich "Scheiß Ausländer" eine Schelle bekomme.

Ivan Cirko ist seit Juni 2020 2. Vorsitzender von Croatia Straubing.
Ivan Cirko ist seit Juni 2020 2. Vorsitzender von Croatia Straubing. – Foto: Cirko


Einerseits gibt es - das steht leider fest - weiterhin Ausländerfeindlichkeit im niederbayerischen Fußball. Eine Multikulti-Gesellschaft ist die Wunschvorstellung vieler, wir sind allerdings noch weit davon entfernt. Andererseits gibt es Vereine wie Croatia Straubing, die bewusst eine Separierung einer Minderheit betonen. Wie passt das zusammen?
Das schneidet sich nur auf den ersten Blick. Klar, wir sind ein kroatischer Verein, das suggeriert ja allein schon unser Name. Es ist aber nicht so, dass bei uns nur Kroaten spielen, was ein Blick auf unseren aktuellen Kader verdeutlicht. Wir sind ein bunter Haufen, eine Multi-Kulti-Truppe. Bei uns spielen Kroaten, Russen, Rumänen, Deutsche. Bei uns ist jeder willkommen.

Wie versucht Dein Verein - auch abseits des Spielfeldes - für ein starkes Miteinander zu sorgen, egal welcher Herkunft man ist?
Der Vorsitzende, der damals am Ruder war, war nicht so toll. Deshalb wurde ja auch die Führung im Juni dieses Jahres neu aufgestellt - u.a. bin sich seitdem 2. Vorsitzender. Und seitdem konnten wir sozial eigentlich noch nicht so aktiv werden, wegen den vielen Corona-Beschränkungen. Entsprechende Sachen stehen aber weiterhin auf unserer Agenda.

Vielen Dank für das Interview - und alles Gute für die Zukunft.

Aufrufe: 023.11.2020, 10:00 Uhr
Helmut WeigerstorferAutor