2024-04-19T07:32:36.736Z

Interview
Drei Wochen lang reiste der Fürther Toni Winkler von einem chinesischen Fußballplatz zum nächsten. Freundlich war der Empfang überall. F: privat
Drei Wochen lang reiste der Fürther Toni Winkler von einem chinesischen Fußballplatz zum nächsten. Freundlich war der Empfang überall. F: privat

"Chinas U20 in der Regionalliga? Ich finde das sehr gut!"

"Das ist ein Entwicklungsprojekt": Der Fürther Toni Winkler verteidigt die Verbands-Idee

Mal wieder sorgt der Deutsche Fußball-Bund mit einer scheinbar schrägen Idee für Aufregung: Nach Helene Fischers Auftritt im DFB-Pokalfinale soll jetzt die chinesische U20-Olympiamannschaft in der Regionalliga Südwest antreten – außer Konkurrenz. Während viele Fans den Kopf schütteln, hat sich einer über die Meldung gefreut: der Fürther Fußballtrainer Toni Winkler, bis Mai noch Jugend-Torwartcoach bei der SpVgg Greuther Fürth. Er ist inzwischen DFB-Auslandsexperte für China und war 2016 mehrere Wochen in dem Land unterwegs, um sich einen Eindruck von der Entwicklung des Sports zu machen. Ein Gespräch über die Bekanntheit der Sp Vgg in China, die Chancen eines Austauschs und die Kommerzialisierung des Fußballs.

Herr Winkler, werden bald chinesische Schlachtenbummler mit dem Flugzeug zu den Kickers Offenbach oder zum TV Steinbach pilgern?

Toni Winkler ( lacht): Das kann ich mir nicht vorstellen. Der chinesische Fußball ist im Land selbst nicht populär. Wenn man dort mit Jugendlichen spricht, dann schauen sie hauptsächlich englischen und spanischen Fußball, diese Länder haben Vorteile, weil sie sich früh in China engagiert haben. Fast jedes chinesische Kind, das jemals gegen einen Ball getreten hat, kennt Ronaldo oder Messi.

Wie finden Sie die Idee des DFB, die chinesische U 20 in der Regionalliga Südwest antreten zu lassen?

Winkler: Ich finde das sehr gut. Es ist eine Liga mit 19 Mannschaften, sodass eine sowieso immer spielfrei hat. Das ist sicher auch ein Vorteil für die Vereine, die an dem Tag trotzdem ein Spiel auf anständigem Niveau haben können. Ein Austausch ist außerdem immer etwas Gutes. Die Chinesen können sehen, wo ihre Mannschaft steht und was sie noch tun können. Sie erleben einmal den Alltag.

Können Sie verstehen, dass sich viele Fußballfans darüber empören?

Winkler: Nein, überhaupt nicht. Da fehlt mir in einem großen Teil unserer Gesellschaft die Toleranz. Wo ist denn irgendetwas Negatives? Ich finde nichts, denn es wird ja niemandem etwas weggenommen. Die spielfreie Mannschaft spielt halt gegen eine aus China. Sonst müsste sie sich einen Gegner aus dem Bundesgebiet suchen.

Der Adidas-Chef Kasper Rorsted hat kürzlich vorgeschlagen, das DFB-Pokalfinale in Shanghai auszutragen, in der Bundesliga wird über Leipzig und Red Bull debattiert. Hat die Aufregung über die U20 nicht damit zu tun, dass sie im Zeichen der Kommerzialisierung gesehen wird?

Winkler: Ja, natürlich. Da ist vieles im Umbruch, aber doch nicht erst seit RB Leipzig. Der DFL und den Vereinen fällt auf die Füße, dass sie in der Vergangenheit die Tradition, die Liebe zum Verein so hochgehalten haben. Damit haben sie suggeriert, dass das im Vordergrund steht. Und so ist es halt nicht. Allerdings finde ich die Diskussion um Leipzig scheinheilig, alle großen Vereine nehmen Geld ein, irgendwo muss es ja herkommen. Da ist es eben ein einzelner Sponsor, der aber viel aufbaut. Gerade im Jugendbereich, was in den neuen Bundesländern massiv gefehlt hat. Wobei im Fall von Chinas U20 die Kommerzialisierung nicht im Vordergrund steht.

Was denn dann?

Winkler: Es ist ein Entwicklungsprojekt, es geht darum, sich auszutauschen. In China ist nicht nur der deutsche Fußball, sondern auch Deutschland allgemein sehr angesehen. In den beiden Profiligen dort ist natürlich unheimlich viel Geld unterwegs, aber das ist in Spanien und England auch so. Der DFB will in China, glaube ich, gar kein Geld verdienen. Man kann aber von jedem etwas lernen. China hat keine Infrastruktur, keine Vereine. Wenn sie die Jugend zum Fußball bringen wollen, müssen sie mit jemandem kooperieren.

„Rein fußballerisch ist der Austausch einseitig“

Was kann Deutschland denn von China im Fußball lernen?

Winkler: Im Fußball im Moment sicher nicht viel. Da geht es eher um die Kommunikation, dass länderübergreifende Verbindungen geknüpft werden. Rein fußballerisch gesehen, ist der Austausch erst einmal einseitig.

Sind Sie in China jemandem begegnet, der die SpVgg Greuther Fürth kannte?

Winkler: Nein. Ich hatte zwar oft meine Trainingsklamotten an, aber das Kleeblatt wurde meistens mit den Boston Celtics verwechselt. Aber in Chengdu an der Universität habe ich zwei, drei Leute getroffen, die sehr an Fußball interessiert waren: Die kannten das Fürther Wappen.

Viele befürchten, dass das nur der Anfang ist. Erst spielt China in der Regionalliga, irgendwann vielleicht Guangzhou Evergrande, zuletzt sechsfacher chinesischer Meister, in der Bundesliga oder gar die Bayern in China.

Winkler: So weit geht die Kommerzialisierung dann doch nicht. Im Moment kann ich mir das überhaupt nicht vorstellen, aber wer weiß, was in 20 Jahren ist. Ich kann verstehen, wenn Fans ihre Traditionsvereine haben wollen, aber die Kommerzialisierung ist nicht aufzuhalten. Denn viele wollen auch, dass wir etwa in der Champions League vorne dabei sind. Wie soll das gehen, wenn man nur auf Tradition setzt? Vielleicht ist das eine Chance für den Amateurfußball. Wer Event will, ist natürlich in der Bundesliga besser aufgehoben. Aber wenn man Fußball gucken will, da kommt es nicht auf die Liga an.
Aufrufe: 023.6.2017, 13:46 Uhr
Alexander Pfaehler (FN)Autor