2024-03-18T14:48:53.228Z

Querpass

Sportsgeist: Solidarität

oder: Krisenmanagement der besonderen Sorte

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Es gibt Momente im Sport, da wird der Fussball zur Nebensache.

Einen solchen Tag erlebten die Anhänger von Borussia Dortmund, als am vergangenen Dienstag das Hinrundenspiel zwischen dem AS Monaco und ihrem Klub aufgrund eines terroristischen Anschlags abgesagt werden musste. Mehrere Bomben waren am Mannschaftsbus der Gastgeber explodiert. Man konnte von Glück reden, dass außer starken Sachschäden am mobilen Untersatz und einer verletzten Hand des Mittelfeldspielers Bartras nicht Schlimmeres passiert war.

Natürlich war diese Nachricht für alle Beteiligten ein Schock und hat einmal mehr nach den Explosionen am und um das Stade de France beim Freundschaftsspiel der deutschen Nationalmannschaft und der Equipe Trikolore (Rominas Querpass berichtete: https://www.fupa.net/berichte/bombenstimmung-im-stadion--431945.html) schmerzhaft vor Augen geführt, wie bewusst auch der Fußball zur Zielscheibe für terroristische Anschläge benutzt wird. Andererseits bietet ein solches Ereignis aufgrund der sich anschließenden unterschiedlichen Reaktionen wunderbares Material, eben jene kritisch zu reflektieren oder entsprechend zu würdigen.

Denn wie es sich schon in anderen Momenten der Schockstarre gezeigt hat, verharren die meisten unmittelbar direkt oder indirekt Betroffenen nicht lange in dieser und beweisen Organisationsfähigkeit und Tatendrang. Einmal mehr sind dabei die sozialen Netzwerke nützliche Helfershelfer.

Denn da die Partie auf den darauffolgenden Tag zwangsverlegt werden musste, waren natürlich die angereisten Monegassen heimat - und bettlos. Sie hatten ursprünglich geplant aus Zeit - und Kostengründen die Rückreise am gleichen Abend anzutreten. Daran war ja nun nicht mehr zu denken. Eine gute Gelegenheit das Prinzip Couchsurfing unter den Fans zu etablieren und die sportliche Rivalität zumindestens einen Abend lang ruhen zu lassen. So wurde kurzerhand ein Tweet ins Leben gerufen, #bedforawayfans, mittels derer die BVB - Fans den Angereisten eine Bleibe anboten.

Einer von ihnen war Stefan Kilmer, der gleich vier Männern aus der Nähe von Paris Unterschlupf geboten hatte. Dass die Menschen solch spontane Hilfsbereitschaft und Solidarität zu schätzen wissen, zeigt auch die virtuellen Reaktionen auf sein Foto, das ihn und seine Gäste beim gemeinsamen Abendessen zeigt: es wurde innerhalb weniger Stunden fast 17.000 Mal geretweetet und kam auf mehr als 11.000 Likes.

Er steht natürlich sinnbildlich für alle Beteiligten, die aus der Not eine Tugend gemacht haben und so einem unvergesslichem Abend, dem ein gewisser Schatten vorausgegangen war, neuen Glanz verliehen hat. Andererseits zeigt diese wunderschöne Geschichte einmal mehr die verbindende Kraft des Sportes, die Menschen hier sogar im wahrsten Sinne des Wortes zusammenbringt, die Unterschiede zunichte macht und die gemeinsame Leidenschaft in den Vordergrund stelllt.

Eher Skepsis verursachend und ein garantiertes Kopfschütteln evozierend waren einmal mehr die medialen Reaktionen auf diesen vergleichsweise kleinen Anschlag.

Denn einerseits war natürlich an diesem Championsleague - Abend auf allen Kanälen und bei allen anderen Partien der Anschlag auf den Dortmunder Mannschaftsbus Nummer 1. Einmal mehr frage ich mich, was man mit dieser Sensation - und minütlichen Brennpunkt - Berichterstattung - Mentalität bezwecken will. Ist es nicht so, dass man mit dieser journalistischen Grundhaltung der minutiösen Analyse des Rekonstruieren und Antizipierens und Prognostizieren eigentlich allen Terroristen in die Karten spielt, weil eben jene genau dieser medialer Aufmerksamkeit bedürfen? Schon mal darüber nachgedacht, wenn man solchen Ereignissen natürlich unter Wahrung des Bedürfnisses der Öffentlichkeit adäquat informiert zu werden, nur die minimalste Plattform gewährte? Denn es mutet gerade zu lächerlich an, wenn ein Karl - Heinz Rummenigge nach der 0-2 Hinspiel-Niederlage gegen die Königlichen vom Sky - Reporter gefragt wird, inwiefern denn der Anschlag in Dortmund das Spiel der Münchner beeinflusst habe.

Wenig Verständnis habe ich auch andererseits dafür, wenn ein nachvollziehbar angefressener Coach Thomas Tuchel nach der knappen 2-3 Hinspiel- Niederlage gegen AS Monaco moniert, dass die UEFA das Spiel zu zeitnah neu angesetzt habe und seinem Team nicht einmal 24 Stunden Zeit gehabt habe, das Ereignis zu verarbeiten. Ein solch weinerliches Getue passt so gar nicht zu dem ansonsten so abgeklärten klaren Analytiker. Auch erscheint mir die Begründung sehr fadenscheinig. Schließlich ist, das muss man leider so zynisch sagen, niemand gestorben, wo es einer gewissen Trauerarbeit bedarf hätte. Und es gehört einfach auch ein Stück weit zur Professionalität in diesem Geschäft hinzu, Ereignisse wie diese schnell auszublenden.

Andererseits wäre es auch eine fatale Signalwirkung, wenn man sich von solchen Umständen den “ursprünglichen“ Fahr- Zeit - Plan diktieren und sich in seinem sportlichen Alltag vehement einschränken ließe.

Denn darum geht es am Ende:


Solchen destruktiven Menschen keine Macht zu überlassen, sondern selbige, wenn sie schon kurz aus der Hand gegeben wurde, schnellstmöglich zurückzugewinnen. So wie es die BVB - Fans vorgemacht haben.


Sie sind ein Vorbild für alle in puncto Krisenmanagement.

Aufrufe: 019.4.2017, 19:59 Uhr
Romina BurgheimAutor