2024-05-10T08:19:16.237Z

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United Colors - Der BSV Fortuna geht voran

"Die Frage, ob es sich lohnt, hat sich für uns nie gestellt. Wir trainieren eine Fußballmannschaft. Der Spaß am Fußball und der Ehrgeiz, als Team etwas zu erreichen, sind unsere Motivation".

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Der BSV Fortuna Dortmund ist ein Verein, der sportlich eher selten für Aufsehen sorgt. 1970 aus der Fusion des BSV 58 Dortmund und des FC Fortuna Dortmund entstanden, kickt die erste Mannschaft in der Kreisliga B – und steht dort nach neun Spielen auf dem zehnten Tabellenplatz. Doch seit geraumer Zeit, hat sich Fortuna dennoch einen Namen gemacht: In der Arbeit mit Flüchtlingen.



Unter dem Namen BSV United Colors hat der Club aus dem Dortmunder Süden eine eigene Mannschaft angemeldet, in der nur Flüchtlinge spielen. „Wir möchten aus Flüchtlingen Angekommene machen, weshalb wir auch nicht von einer Flüchtlingsmannschaft reden. Das Team hat einen eigenen Namen bestimmt und innerhalb unserer Homepage wurde ein eigener Bereich eingerichtet. Im Verein soll die Mannschaft ihren festen Platz haben, der nicht mehr bestimmt sein wird von Herkunft, Historie, Sprache oder Religion, sondern von fußballerischem Vermögen und selbstverständlichem menschlichen Miteinander. Die meisten unserer Mitglieder sind Bewohner des Stadtbezirks, sie, ihre Familien und ihre Freunde werden in absehbarer Zeit im Umfeld der Unterkunft die Menschen nicht mehr als die Flüchtlinge sehen, sondern als Omar, Khalil, Harmon oder Klenten, die auch beim BSV spielen", heißt es auf der Vereinsseite des BSV.

Im Rahmen eines Interviews stellten sich die beiden Trainer Matthias Tischler und Phillip Rose sowie Organisatorin Sandra Klempert unseren Fragen.

1. Wie begann die Zusammenarbeit mit der Notunterkunft in der Turnhalle des Leibniz-Gymnasium?

Sandra Klempert: „Als die Notunterkunft entstand, boten wir an, uns im Rahmen des Willkommensfestes mit einem Programmpunkt zu beteiligen. Im Nachmittagsbereich sollte für die Kinder ein Fußballtraining stattfinden, aufgeteilt in verschiedene Gruppen. Dementsprechend sind wir mit vielen Trainern und Kindern des BSV an diesem Tag dort erschienen. Leider verschob sich das Programm deutlich nach hinten, so dass bei Beginn unseres Programmpunktes nur noch wenige Kinder anwesend waren. Natürlich wurde für diese Kinder das Training durchgeführt, aber der Großteil unserer Jugendtrainer ging mit fußballinteressierten jungen Männern der Unterkunft auf unseren Platz, um dort zu kicken. Zurück kamen sie mit der Frage: “Gibt es auch für diese Männer die Möglichkeit in unserem Verein regelmäßig Fußball zu spielen?”

In einer ersten Reaktion wurde dies als unmöglich abgetan. Diese große Anzahl der Männer konnte nicht in die bestehenden Seniorenmannschaften integriert werden und eine reine Mannschaft aus geflüchteten Menschen war zum einen nie angedacht und widersprach zudem - zumindest auf den ersten Blick - der Idee der Integration. Auf den zweiten Blick war allerdings klar, dass Alles mehr Sinn hat, als dass die Männer den ganzen Tag “in der Turnhalle hocken”. Unser Präsident Addi Grafenkamp war sofort für die Idee zu begeistern und somit war klar: Wir versuchen es. Am 28.09.2015 war in Matthias Tischler ein Trainer gefunden, am 08.10.2015 fand das erste Treffen mit den zukünftigen Teammitgliedern, dem Trainer und der Verantwortlichen des BSV in der Notunterkunft Kreuzstraße statt. 41 Männer aus Syrien, Eritrea, Afghanistan, Nigeria und dem Irak hatten Lust auf Fußball. Am 13.10.2015 fand das erste Training der neu gegründeten Mannschaft, die unter dem Namen "BSV United Colours" auftritt, statt“.

2. Was waren eure Erfahrungen beim Willkommensfest? Sind die Flüchtlinge auf euch zugekommen und haben gefragt oder wie lief der erste Kontakt ab?

Klempert: „Das Willkommensfest war eine gelungene Veranstaltung, bei der sich auch aus der Nachbarschaft viele Menschen einbrachten. Es gab Kuchen, Musik, Kinderschminken, Malen und, und, und... insgesamt also eher ein Familienfest. Junge Männer wurden als Zielgruppe kaum angesprochen. Da wir aufgrund einheitlicher Bekleidung und dem einen oder anderen Fußball schnell zu erkennen waren, wurden insbesondere unsere Trainer schnell von den Jungs angesprochen, ob es für sie ebenfalls eine Möglichkeit gebe Fußball zu spielen. So zog die Gruppe recht schnell auf unseren Fußballplatz weiter, um dort gemeinsam Fußball zu spielen“.

3. Die United-Color Mannschaft besteht nun schon seit dem 28.09.2015 - wie läuft das Projekt. Gibt es viele unterschiedliche Zusammensetzungen aufgrund des teilweise unklaren Asylstatus?

Matthias Tischler/Phillip Rose: „Wir haben das Alles nie als ein "Projekt" gesehen. Wir haben Spaß am Fußball und wollen das und alles damit Zusammenhängende auch unseren Spielern vermitteln. Die Motivation ist damit nicht grundlegend anders als bei anderen Mannschaften auch. Insgesamt sind wir mit dem Verlauf im ersten Jahr sehr zufrieden. Die großen Teilnehmerzahlen zu Beginn nahmen nach der anfänglichen Euphorie und gerade in der kalten Jahreszeit etwas ab. Nach Schließung der Notunterkunft Kreuzstraße und der Umquartierung nach Brackel war der lange Weg für einige Spieler ein Hindernis. Andere bezogen wenig später eigene Wohnungen, so dass ihnen aufgrund des organisatorischen Aufwandes oft die Zeit für regelmäßiges Training fehlte. Inzwischen haben wir aber einen festen Spielerstamm von zehn bis zwölf Spielern. Einen Einfluss auf die Trainingsbeteiligung in Folge unklarer Asylstati können wir nicht feststellen. Einzelne Spieler können das Training wegen zeitgleicher Integrationskurse nicht mehr besuchen, dies ist aber eher die Ausnahme“.+

4. Was sind die Probleme bei dem Trainings- und Spielablauf, was sind die Sachen, für die es sich wirklich lohnt?

Tischler/Rose: „Nennen wir es Herausforderungen. Die größten zu Beginn waren mit Sicherheit die Kommunikation und das Verständnis von "deutscher Pünktlichkeit”. Dies hat sich im Laufe der Zeit aber deutlich gebessert. Die Kommunikation im Training findet nunmehr ausschließlich auf Deutsch statt, auch auf Wunsch der Spieler. Die Frage, ob es sich lohnt, hat sich für uns nie gestellt. Wir trainieren eine Fußballmannschaft. Der Spaß am Fußball und der Ehrgeiz, als Team etwas zu erreichen, sind unsere Motivation. Wenn wir das vermitteln können, sind wir zufrieden.

Problematisch ist nach wie vor die Ausstattung neuer Spieler mit Trainingskleidung und Fußballschuhen“.

5. Gibt es noch interessante oder tolle Geschichten aus der jüngeren Vergangenheit?

Tischler/Rose: „In einem Testspiel konnten wir gegen die 2. Seniorenmannschaft ein 2:2 erzielen. Dies war, vor allem unter Berücksichtigung unserer geringen Spielpraxis, ein großer Erfolg.

Für zwei unserer Spieler konnten wir inzwischen erfolgreich Spielerpässe beantragen, so dass sie seit ein paar Wochen fester Bestandteil der 2. Seniorenmannschaft des BSV Fortuna sind. Einer der beiden hat vor wenigen Wochen in seinem zweiten Spiel sein erstes Tor erzielen können.

Nachdem wir länger keine Fördergelder generieren konnten, haben wir uns im August sehr über eine Förderung von WILO in Höhe von 1000 Euro für unsere Mannschaft gefreut!

Ende August haben wir die Mannschaft im Rahmen eines KAB-Bildungswochenendes vorgestellt, gemeinsam mit einem unserer Spieler haben wir dort einen interessanten Nachmittag erlebt. Als Folge daraus wird Ende Oktober ein Freundschaftsspiel gegen eine Freizeitmannschaft aus Münster mit anschließendem Zusammensein stattfinden. Wir freuen uns schon, die tolle Truppe in Dortmund begrüßen zu können“.

Sandra Klempert - Türöffnerin des BSV Fortuna 58 Dortmund from Felix Gnideo on Vimeo.

Aufrufe: 012.10.2016, 16:33 Uhr
Moritz HammelAutor