2024-04-23T13:35:06.289Z

Interview
Marco Candussi kickt seit einem halben Jahr für den BSC Sendling München. Foto: BSC Sendling München
Marco Candussi kickt seit einem halben Jahr für den BSC Sendling München. Foto: BSC Sendling München

Marco Candussi: "Meine Freunde meinten, es war der Neid"

Ex-Haching Stürmer im Interview

Marco Candussi ist von Unterhaching nach Milbertshofen, Rosenheim, Ismaning und Österreich. Jetzt spielt der Stürmer für den BSC Sendling München in der zweiten Kreisliga. Im Vorort-Interview spricht er über seine wechselhafte Vita, geplatze Träume und die Rückkehr auf den Platz

Mit gerade einmal 22 Jahren hat Marco Candussi schon einiges erlebt und viele Erfahrungen gesammelt. Wie schwer der Schritt in Richtung Profifußball ist, zeigt seine Vita. Mit dem BSC Sendling möchte er den Klassenerhalt schaffen und hat den Gedanken an eine Profikarriere noch nicht ganz abgeschrieben.


Du spielst seit einem halben Jahr wieder Fußball. Dich haben Deine Freunde zu einer Rückkehr überredet. War es schwer, dich wieder fürs Fußballspielen zu motivieren?

Viele meiner Jungs haben versucht mich zu überreden, auch Trainer. Aber das hat lange gedauert, bis es am Ende Tomislav Beljo vom BSC geschafft hat. Die Motivation war und ist immer da gewesen. Nur man wird irgendwann müde von dem ganzen Hin-und-Her, wenn alles nicht so geklappt hat, wie man es sich wünscht. Dadurch vernachlässigst du die Freundin, Freunde, Arbeit und Familie.

Es geht bei euch um den Klassenerhalt. In der Tabelle ist das untere Drittel sehr eng zusammen. Welche Möglichkeiten siehst Du in der Mannschaft, diesen Klassenerhalt für euch zu entscheiden?

Der BSC ist keine normale Mannschaft und ich habe schon einige erlebt. Es ist wie eine Familie, von den Trainern bis zu den Auswechselspielern. Als ich zu Sendling gekommen bin, wurde ich sofort in diese Familie eingeschlossen. Das ist ein Zeichen von Charakter und dafür danke ich vor allem den Trainern. Ich hatte ein Jahr lang nichts gemacht, außer mich im Fitnessstudio fit zu halten. Die Ambitionen in der Kreisliga sind andere, als da wo wir jetzt stehen. Wir haben das so angenommen. Wir denken von Spiel zu Spiel, versuchen so viele Punkte wie möglich zu holen und am Ende schauen wir mal, wo wir stehen.

Sonntag startet die Kreisliga wieder. Wie lief die Vorbereitung bei euch?

Wir hatten anfangs der Rückrunde eine große Besprechung, in der der Trainer klare Worte gefunden hat. Ich kann nicht für alle sprechen, aber die die anwesend waren, haben Vollgas gegeben. Wir haben in der Vorbereitung nur ein Spiel verloren und sind auf einem guten Weg. Ein paar wichtige Spieler sind noch angeschlagen und ich hoffe, dass die Jungs bald wieder angreifen können. Natürlich hoffe ich auch, dass in der Rückrunde mal bisschen mehr Zuschauer zum anfeuern kommen.

Du warst zehn Jahre bei der SpVgg Unterhaching. Verfolgst Du immer noch die Spiele der Hachinger? Hast du noch Kontakt zu ehemaligen Mannschaftskollegen?

Ja das ist richtig. Ich bin dort groß geworden, ging dort in den Kindergarten und machte dort meinen Schulabschluss. Ich bin öfter im Stadion, weil ein paar Jungs von mir in der 3. Liga spielen. Der Kontakt zu den Spielern besteht immer noch, aber nicht so stark. Nur mit dem Luca Marseiler haben ich durchgehend Kontakt. Er kam zu Haching als ich ging.

SpVgg Unterhaching, TSV Milbertshofen, SE Freising, TSV 1860 Rosenheim, FC Ismaning, SV Planegg-Krailing und der österreichische Klub FC Schwoich. An welche Zeit erinnerst Du dich am liebsten zurück und warum?

Klar an erster Stelle steht mein Heimatverein Haching auch wenn dort die falschen Leute das Sagen hatten, hatte ich eine geile Zeit dort. Wenn du meinen Namen in Unterhaching erwähnst, zaubert das manchen ein Lächeln ins Gesicht und manche verlassen lieber den Ort. Ich bin von klein auf mit der Nummer zehn unterwegs gewesen und mit der Kapitänsbinde, deswegen fand ich es schade, wie es zu Ende ging.

Neben Unterhaching warst du auch bei Ismaning. Was hast du von dem Verein mitgenommen?

Ich bin im Winter zu den Jungs vom FC Ismaning, als ich mich vom TSV 1860 Rosenheim frühzeitig verabschiedet habe. Wir standen damals in der Bezirksoberliga auf Platz zwei oder drei, hatten Ambitionen auf den Aufstieg. Als ich da war, haben wir 27 Punkte Abzug bekommen, wegen eines Formfehlers beim Transfer eines anderen Neuzugangs. Wir waren dann letzter mit minus vier Punkten. Aber wir waren auch eine spitzen Mannschaft mit einer guten Mentaliät, das hat uns zusammen geschweißt. Wir haben die Rückrunde im warsten Sinne des Worte gerockt. Den Klassenerhalt haben wir locker gepackt und wären sogar aufgestiegen.

Wie war die Zeit in Österreich und an was erinnerst du dich immer wieder zurück?

Das Projekt in Österreich war großartig. Der Fußball ist dort taktisch nicht so geprägt, aber körperlich dreimal so hart wie in Deutschland. Das ganze Dorf und alle Freunde warten nur bis zum Wochenende bis das Team spielt. Ich erinnere mich am liebsten an das Derby, bei dem 6000 Zuschauer waren, geschrien haben und Bierbecher warfen, während ich die Ecke ausführte. Beleidigungen, alles war dabei. Das ist eines der überragendsten Gefühle im Fußball.

Knapp ein Jahr warst du beim FC Schwoich. Wie bist Du mit dem österreichischen Verein in Kontakt gekommen?

Ich glaube, es war nicht ganz ein Jahr, eher sechs Monate. Da in Österreich die Saison schon im frühen Sommer beginnt. Ich bin durch einen alten Freund, der genauso besessen vom Ball war, wie ich, zu dem Kontakt gekommen. Sein alter Trainer bei Dingolfing hat den Verein übernommen und mich gefragt, ob ich Bock habe mitzukommen. Der Trainer war damals Chefscout beim HSV und hatte sehr viele Kontakte in Österreich. Der Plan war bis zur Saisonhälfte dort zu bleiben und dann in die erste oder zweite Liga zu wechseln, wenn die Leistung stimmt. Es verlief auch alles super. Der Coach hatte sehr viel Ahnung von dem was er tut.

Warum bist Du dann wieder zurück nach München gekommen?

Mein Freund wurde aber auf die Bank verbannt, weil seine Leistungen nicht gepasst haben. Aufgrund dessen hörte er von heute auf morgen mit dem Fußball auf und war wie vom Erdboden verschluckt. Zu dem Zeitpunkt war ich noch in der Ausbildung und dazu hatte ich kein Auto. Er hat mich immer mitgenommen. Ich konnte es zeitlich einfach nicht mehr schaffen. Das war das Problem, deshalb bin ich wieder in München. Der Coach meinte, dass die Scouts von Austria Wien schon ein Spiel wegen mir und noch einem Spieler angeschaut haben. Da ich nicht mehr kommen konnte, fiel das ins Wasser. Dieser kleine Einblick zeigt, wieso ich keinen Bock mehr auf Fußball hatte. Meine Freunde meinten, es war der Neid und das „Nicht-Gönnen“, aber das bleibt bis heute ungeklärt.

Du spielst jetzt in der Kreisliga. Wer in der Jugendabteilung der Hachinger war, hat oftmals höhere Ziele. Wenn ja, warum hat es Deiner Meinung nach nicht mit einer Profi-Karriere geklappt?

Höhere Ziele hat, glaube ich, jeder. Keiner spielt zum Spaß Fußball. Aber im heutigen Fußball geht es nicht mehr ums Können oder darum Leistung zu bringen, sondern: "Wer kennt wen? Wer zahlt was? Woher kommt er? Wie ist sein Nachname?" Ich kenne viele, die heute bei großen Vereinen spielen, aber damals wegen mir die Bank gewärmt haben. Aber auch generell viele Jungs, die stark spielen, aber bei denen es einfach nicht klappt, weil die Trainer den Wert des Spielers nicht erkennen.

Hattest Du früher Angebote von namhaften Vereinen?

Angebote hatte ich sehr viele, dass 1860 München damals unsere halbe Hachinger Jugendmannschaft wollte, ist kein Geheimnis, aber Unterhaching hat uns das damals nicht mal gesagt. Das erste große Angebot kam aus Hessen. Vom FSV Frankfurt, als ich bei Milbertshofen war. Der Scout war in München unterwegs und sah mein erstes Spiel und das gegen mein Ex-Verein Unterhaching. Ich wurde eingeladen und habe mit der U19-Bundesligamannschaft trainiert. Wir spielten gegen den 95er Jahrgang der Hessenauswahl. Der Coach war überzeugt von mir, vor allem weil ich noch U17-Spieler war. Ich bekam ein Vertrag vorgelegt, aber ich war zu dem Zeitpunkt noch mit der Schule beschäftigt. So wie das mit den lieben Eltern ist, wurde daraus nichts. Im Sommer war ich fertig mit der Schule. Ich hatte mich dann nochmal dort gemeldet. Fazit? Neuer Trainer, neuer Manager. Die wussten nicht wer ich bin und wollten keine Spieler von außerhalb.

Waren auch Angebote von bayerischen Vereinen dabei?

Neben Burghausen, Regensburg und vielen Bayern- und Landesligisten waren noch 1860 München und der FC Augsburg dabei. Der Trainer von 1860 hatte mich im Winter vor zwei Jahren, als ich bei Planegg wa,r gefragt, ob ich nicht vorbei schauen möchte. Ich war dort, trainierte zwei Wochen mit. Es war ein geiles Gefühl. Die Jungs haben mich auch sofort aufgenommen. Ich war schon wie ein Teil der Mannschaft. Nach zwei Wochen hatte ich ein privates Gespräch mit Co-Trainer Rado, der mich unbedingt haben wollte, aber der Trainer meinte, da ich in einem halben Jahr aus der U19 rauskomme, bringt ihm das nichts, so kam der Transfer nicht zustande.

Ein Jahr davor war ich beim FC Augsburg. Der Ex-Haching Trainer Mattias Lust war dort tätig. Er lud mich ein. Es hat alles gepasst, aber einen Tag vor der Unterschrift wurde ein Leistenbruch bei mir diagnostiziert. Verständlicherweise wollten sie keinen verletzten Spieler verpflichten. Bei den anderen Vereinen hat es wegen der Ablöse nicht geklappt oder ich hab in den Augen des Trainers doch nicht das geleistet, was er wollte.

Was für Ziele setzt Du Dir noch? Willst du im hochklassigen Amateurfußball nochmal angreifen?

Mein Ziel ist es erstmal das Vertrauen des Trainers mit guten Leistungen zurückzugeben. Wir müssen die Hinrunde vergessen und die Rückrunde meistern. Wenn das passiert ist, bin ich für alles offen. Ich bin noch jung, gerade 22 Jahre alt. Im Winter haben schon Bayernligisten angerufen, aber das hat meinerseits wenig Sinn gemacht. Wenn der SSC Napoli sich meldet, sag ich nicht nein (lacht). Für den Verein würde ich sogar sterben. Aber Spaß bei Seite, ich würde es nochmal versuchen, wenn etwas kommt und es für beide Seiten Sinn macht.


Aufrufe: 09.3.2018, 12:54 Uhr
Aylin BahrmannAutor