2024-04-24T13:20:38.835Z

WM 2014
Bild: Buchtitel "Samba Goal" / http://www.dtv.de/buecher/samba_goal_14258.html
Bild: Buchtitel "Samba Goal" / http://www.dtv.de/buecher/samba_goal_14258.html

Brasilianisches Flair in elf Etappen

BUCHBESPRECHUNG "Samba Goal. Elf Geschichten aus Brasilien" gewährt tiefen Einblick in soziale Realität im WM-Gastgeberland

GIESSEN - (chn). Während einer Fußball-Weltmeisterschaft verbringen viele Deutschen ihre Freizeit am liebsten vor dem Fernseher. Aber auch die Public-Viewing-Leinwand steht hoch im Kurs – und das Internet. Fast jede größere Sport- oder Nachrichtenseite hat ein eigenes WM-Portal, zudem widmen sich unzählige Handy-Apps dem größten Sportereignis des Jahres.

Ein anderes Medium wirkt da fast schon ein wenig altmodisch: das Buch. Gleichwohl gibt es im Buchhandel derzeit zahlreiche Werke, die sich mit dem Thema Brasilien, Fußball und natürlich der Weltmeisterschaft beschäftigen – und mitunter sehr lesenswert sind.

Die meisten WM-Bücher gehören in die Kategorie der Sachbücher. Nicht so die Anthologie „Samba Goal“, die reine Poesie ist. Die bereits 2013 im Deutschen Taschenbuch Verlag veröffentlichte Sammlung von Kurzgeschichten – insgesamt sind es elf Erzählungen von elf verschiedenen Autoren – ist unverwechselbar und zugleich unterhaltsam. Jede Erzählung erzählt eine andere Geschichte, so wie eben auch jeder Fußballer seinen eigenen Stil besitzt. Alle Geschichten aber berichten von Brasilien, dem Land, den Menschen und vor allem auch über den Fußball.

So auch der 1957 in Rio de Janeiro geborene Schriftsteller Antonio Carlos Olivier, ein in Deutschland bislang kaum wahrgenommener Poet. Olivier kommt in „Samba Goal“ bereits in der zweiten Erzählung zu Wort. Ihr Titel: „Viva Maradona!“. Beschrieben wird hier die Verzweiflung eines Brasilianers, der versucht der Fußballeuphorie während der Weltmeisterschaft zu entfliehen und aus Trotz dem Erzfeind Argentinien zujubelt. Das kommt freilich bei den eigenen Landsleuten nicht allzu gut an.

Durch ihre Kreativität überzeugt auch die Geschichte „Mit den Toten spielen“ von Miguel Sanches Neto. Der 39-jährige Dozent für Brasilianische Literatur an der Universität Ponte Grossa skizziert in seiner Erzählung ein einfühlsames Bild einer ungewöhnlichen Fußballmannschaft aus armen Verhältnissen, die hinter einem Friedhof ihr Trainingslager errichtet, um sich für die anstehende regionale Meisterschaft vorzubereiten. Und das auf ziemlich ungewöhnliche Art und Weise.

Den Brasilianischen Flair vermittelt jede Erzählung von „Samba Goal“ – und stets steht das Atmosphärische im Fokus. Mal geht es um witzige Anekdoten, mal um soziale Missstände oder aber um politische Streitereien, wie in „Familie, Fußball und Regatta“ von Ricardo Soares. Fast immer aber drehen sich die Geschichten um den „kleinen Mann“ und dessen Schicksal, das oftmals eng verbunden ist mit dem brasilianischen Kulturgut Fußball.

Diese geschickt zusammengestellte Sammlung von Geschichten ist mehr als nur ein literarisches WM-Buch, das vorwiegend für Fußball-Sympathisanten herausgegeben worden ist. „Samba Goal“ spricht vor allem jene Leser an, die tiefer in die Kultur und Mentalität, aber auch in die soziale Realität des größten südamerikanischen Landes eintauchen möchten, als es beispielsweise im Rahmen von WM-Reportagen im Fernsehen möglich ist. Wer das Lebensgefühl in Brasilien umfassend verstehen möchte, kann entweder dorthin reisen – oder sich aber mit „Samba Goal“ die Sommertage versüßen.

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Samba Goal. Elf Geschichten aus Brasilien / Deutscher Taschenbuch Verlag / München 2013 / 9,90 €
Aufrufe: 030.6.2014, 09:21 Uhr
Chris NemethAutor