2024-04-23T06:39:20.694Z

Interview

Beller: Wir fangen wieder bei Null an

Co-Trainer des Bundesligisten beim Interview +++ Themen: Augsburg, Bundesliga, Ex-Vereine, Familie und Beruf

Anlässlich eines Benefizspiels mit seiner Oldie-Mannschaft "Straubinger Brüder" trat der ehemalige ASV-Coach und derzeitige Co-Trainer des Fußball-Bundeligisten FC Augsburg, Wolfgang Beller, gegen die AH-Elf des ASV Cham im Stadion an der Further Straße an und feierte ein Wiedersehen mit mehreren ehemaligen Spielern.

Wie ist es, wieder mal an der alten Trainerwirkstätte zu sein?

"Der Termin stand ist ja schon länger fest. Der Scherm Hans-Jürgen hat es mir gesagt, dass in Cham gespielt wird und da habe ich mir fest vorgenommen, da mitzuspielen. So wie es aussah, wäre es terminlich gar nicht gegangen. Aber dann war das DFB-Pokalspiel in Leipzig schon am Freitag angesetzt und so hat es terminlich doch noch funktioniert. Es ist eigentlich schon ein schönes Gefühl, wenn man wieder dahin zurückkommt wo man zweimal Trainer war. Es war jeweils eine super Zeit, bin mit den Leuten immer gut ausgekommen."

Es waren ja heute genügend Spieler dabei, die du damals trainiert hast. Schmid, Raab, Steinbauer, Kreitinger, Hirmer. Ein paar Mal bist du ja mit dem Sandro Schmid ein bisschen zusammengerückt Beller lacht und sagt locker: „Da bricht halt der Ehrgeiz durch.“

Die Antrittsschnelligkeit hast du ja immer noch. Macht sich da das Training mit den Profis ein wenig bemerkbar?

"Bei den Spielformen spiele ich ja nicht mit. Nur wenn es mal gerade passt im Kreisspiel bei den Laufeinheiten oder im Torabschluss, wenn sie gerade mal einen brauchen. Aber äußerst selten. In der Vorbereitung schon eher. So im normalen Ablauf nicht."

Beller: "Enormer Unterschied zwischen 3. und 1. Liga."

Was ist eigentlich der gravierende Unterschied zwischen 3. Liga beim Jahn und der Bundesliga in Augsburg?

"Die Bundesligaprofis sind noch fokussierter auf die Sache. Beim Drittligafußball beim Jahn war es noch so, dass man ganz viel über Kameradschaft machen konnte. Auch die Motivation vor jedem Spiel war zwar immer angespannt aber Bundesliga-Profis sind nochmals besser in sich gekehrt, die Charaktere noch stabiler, noch fokussierter. Und vor allem sind sie viel athletischer, viel profihafter in der Einstellung. Schnelligkeit, Zweikampf, Robustheit, fußballerische Klasse, es spielen viele Faktoren eine Rolle. Es ist ein enormer Unterschied von der Dritten in die Erste Liga."

Hast du dir bei deinem Abgang von Cham damals vorstellen können so einen Sprung ins Profilager zu schaffen? Es war ja auch gar nicht dein Ziel, oder?

"Nein! Wie hätte ich je das Ziel haben können, irgendwann mal im Profifußball, geschweige denn in die 1. Bundesliga zu kommen. Kann man ja als Amateurfußballer und Amateurtrainer gar nicht haben. Schon zum Jahn war es damals in die 3. Liga ein enormer Sprung. Von der ganzen Umstellung her. Aber wir haben das ganze super hinbekommen, und dann ist es auch ständig bergauf gegangen in den drei Jahren beim Jahn. Mit Klassenerhalt, guter Platzierung, Aufstieg, dann das Angebot von Augsburg zum Mitgehen, nochmals der Sprung der riesengroß war, der unwahrscheinlich schwer war in der Vorrunde. Aber man gewohnt sich eigentlich ganz schnell daran. Man ist jetzt eigentlich schon ein Teil von der Bundesliga und ein ganz normaler Ablauf."

Im Fokus steht man ständig oder?

"Wir Co-Trainer nicht so. Wir werden nicht so wahrgenommen wie der Cheftrainer, außer der sitzt wegen einer Sperre mal auf der Tribüne. Aber ansonsten ist das ein ganz normaler Job, eine ganz normale Arbeit, bei der man aber auch immer hundertprozentig konzentriert sein muss. Eben fokussiert auf das Ganze. Man darf sich keinen Fehler erlauben."

Es war ja der Wunsch von Markus Weinzierl, dich und den Tobi Zellner mitzunehmen.

"Ja absolut. Es war eigentlich ganz kurios, das glaubt mir zwar keiner. Damals wie ich bei Kötzting aufgehört habe, wollte ich ja nichts mehr machen. Ich wollte einfach nur mal eine Auszeit, weil ja meine Kinder auch so in einem Alter waren, wo ich gesagt habe die kommen einfach zu kurz. Ich wollte absolut nicht mehr. Aber der Markus hat mir keine Ruhe gelassen, der war drei, viermal bei mir daheim und dann hab ich mich letztendlich breitschlagen lassen. Und dann nimmt das alles so seinen Lauf. Letztendlich habe ich es jetzt auch nicht bereut, diesen Schritt gewagt zu haben."

Beller: "Wir fangen wieder bei Null an."

Durch den Ligaerhalt habt ihr drei euch auch einen Namen in der ganzen Liga gemacht.

"Als Beteiligter bekommst du das gar nicht so mit. Sicher, der Markus ist zum viertbesten Trainer gewählt worden. Freilich haben wir auch einen Anteil daran. Mei, das ist halt unser Job. Jetzt geht es halt wieder von Null los."

Du bist ja Beamter, bist derzeit freigestellt?

"Ich bin Verwaltungsfach-Angestellter beim Landratsamt. Vom Sinn her ist dies dem Beamtenstatus gleichgestellt. Es war eine super Sache von meinem Arbeitgeber freigestellt zu werden. Beim Jahn habe ich noch halbtags gearbeitet, bin da immer hin und her gependelt. Vorerst ist diese Freistellungsphase auf zwei Jahre begrenzt. Mir ist aber ganz klar zugesichert worden, gleich wieder anfangen zu können, falls es mit dem Profi-Fußball endet. Und wenn ich nochmals eine Verlängerung brauche dann steht das auch nochmals im Raum."

Wie sieht eigentlich so eine Trainingswoche aus?

"Also wenn wir Samstag spielen ist Sonntag auslaufen, Montag frei. Dienstag geht es dann zwei mal weiter, mittwochs am Vormittag. Dann Donnerstag individuelles Training Vormittag und Nachmittag. Freitag Training, Abreise ins Hotel daheim oder auswärts. Eigentlich jeden Tag so."

Wie reist ihr eigentlich?

"Wir fahren mit dem Bus, mit dem ICE und wir fliegen. Am meisten mit ICE oder Flieger. Äußerst selten mit dem Bus. Der holt uns bei der Ankunft aber immer ab."

Was ist eigentlich dein genauer Job als Co-Trainer in Augsburg?

"Gegner- und Eigenanalyse, mitunter Trainingsarbeit auf dem Platz gehören zu meinem Aufgabenbereich."

Beller über Reuter: "Mit dem kann man auch mal Schafkopf spielen."

Thema Stefan Reuter, als er als Manager kam, erfolgte der Aufschwung, warum?

"Das war sicherlich das i-tüpfelchen. Er passt richtig dazu. Er ist mit einer ganz positiven Einstellung hier hergekommen. Wir waren ja eigentlich am Hund und mausetot. Wir haben zwar immer die Hoffnung gehabt das wir den Relegationsplatz erreichen können, weil da alles möglich ist. Gegen einen Zweitligisten kannst du ja auch drin bleiben. Daran haben wir uns immer aufgehängt. Und der Stefan ist ganz positiv an die Sache herangegangen, hat uns Dreien auch unwahrscheinlich den Rücken gestärkt, wurde voll mit einbezogen. Das war ganz wichtig, das hat auch die Mannschaft gesehen. Wir waren dann alle eine Einheit. Da hat kein Blatt mehr dazwischen gepasst. Man muss schon sagen, wenn der Stefan Reuter was sagt, das hat Hand und Fuß. Das ist ein gestandener Profi. Der hat ja alles gewonnen was es zu gewinnen gab. Seine Art kommt auch an. Der ist überhaupt nicht hochnäsig. Mit dem kannst du auch mal Schafkopf spielen. Das ist wirklich ein super Typ, wie wenn ich mit euch hier rede."

Wohnt ihr in Augsburg?

"Jeder von uns hat in Augsburg eine eigene Wohnung."

Wie bringst du das mit der Familie in Einklang?

"Die Zwillinge sind inzwischen 14, der Ältere 16. Wir, also der Markus und ich nutzen halt jede Gelegenheit um heimzufahren. Der Markus hat ja auch zwei kleine Kinder - dritte und fünfte Klasse. Wir fahren dann auch Mittwochs nach dem Vormittagstraining schnell heim. Eigentlich hat es sich bei uns so auch recht gut eingespielt. Bei den Weinzierls auch. Es passt eigentlich so ganz gut.


Die Jungs waren schon bei früheren Stationen die größten Fans des Papas.

Beller: "Allianz Arena schöner als in Dortmund."

Wie ist die Atmosphäre, vor 70.000 in München oder über 80.000 Zuschauern in Dortmund zu spielen und hautnah dabei zu sein?

"Also, wenn ich jetzt ganz ehrlich bin, ich hab es vor kurzem wieder miterlebt. Wir waren im CL-Halbfinale Bayern gegen Barca in der Arena und haben einen super Platz gehabt. Da bekomme ich mehr mit, da kann ich mehr aufsaugen vom ganzen Drumherum, als wenn ich ein Beteiligter bin. Als Beteiligter bist du angespannt. Da bekommst du das Drumherum, was ihr daheim am Fernseher verfolgen könnt, gar nicht mit. Du fährst mit dem Bus hin, du gehst rein, dann zum Aufwärmen raus -der ganz normale Ablauf halt. Freilich ist das ein Wahnsinns-Eindruck, wenn du da unten stehst, aber du kannst dich ja nicht hinstellen und nur schauen. Dann musst du dich auf das Spiel konzentrieren und alles mitbekommen. Ich hab mir eigentlich immer vorgestellt, Dortmund, das ist der Wahnsinn. Aber so schlimm, so überragend ist es jetzt auch wieder nicht, wenn du da unten sitzt. Es ist schon laut, aber so dass du dich nicht mehr unterhalten könntest, ist es jetzt auch wieder nicht. Bayern, mit der Allianz Arena, hat mir besser gefallen als Dortmund, weil das alles viel Neuer und schöner ist. Einfach ein super Stadion, schon wieder der Zeit voraus. Was oft beeindruckend und schön ist, wenn du die Stadien auch von außen siehst. Wie in Wolfsburg oder Leverkusen. Das sind so super Stadien. Da merkst du einfach, da ist Geld da. Wie etwa in Wolfsburg, wo alles mit Grünverglasung rundum versehen ist, einfach wunderbar."

Was plaudert man den da so alles mit den BL-Startrainern?

"Da kommen wir nicht so zusammen, bloß einmal Shake Hands, sonst ziemlich wenig."

Beim Pokalspiel in Leipzig gab es bei der Anfahrt eine Panne. Was ist da eigentlich passiert?

"In Bamberg ist der ICE einfach stehen geblieben. Dann sind wir in Taxis umgestiegen und haben uns mit dem Mannschaftsbusfahrer der zeitgleich weggefahren war wieder getroffen. Mit der Bahn glaube ich fahren wir so schnell nicht wieder. Einmal war schon der Wagon, der für uns reserviert war nicht dabei, dann haben ein paar Spieler stehen müssen. Das ist eigentlich in diesem Geschäft unzumutbar."

Beller: "Der ASV Cham hat es denke ich ganz gut gemacht."

Verfolgst du noch den Amateursport und speziell deine ehemaligen Vereine?

Ich verfolge den Amateursport immer noch, weil da komme ich ja her, da sind eigentlich meine Wurzeln. Die Chamer, jetzt mal von der Ferne betrachtet, denke ich haben es ganz gut gemacht. Nach dem LL-Abstieg hat es zwar mal nicht so gut ausgesehen, dann hat es ja der Uwe drei Spielzeiten übernommen. Dann der Rüdiger, der es denke ich, auch ganz gut gemacht hat und jetzt wieder der Uwe. Man merkt das beim ASV halt einfach eine Basis da ist, vor allem mit den vielen jungen Spielern. Das solche Leute wie beispielsweise der Pongratz Arthur oder der Strobl Tom da mitwirken, das finde ich ganz gut, das ist eigentlich beispielhaft für andere Vereine. Wenn ich da bloß mal unseren TSV Straubing anschaue, was wir da zu meiner aktiven Zeit alles aufgebaut haben, und ich jetzt mit ansehen müssen, wie alles wie ein Kartenhaus in sich zusammenbricht, dann tut das schon weh. Da war ja nie eine Basis von unten da. Da haben sie ja nur immer geschimpft, die Alten haben nur immer Prügel reingeworfen. Und jetzt siehst du es, bricht alles zusammen. So ein Verein wie der ASV Cham, da kannst du auch einmal durch ein Tal schreiten, aber es geht immer wieder weiter. Da ist eine gute Grundlage da. Ich hatte jedenfalls damals zweimal eine schöne Zeit hier in Cham erleben dürfen.


Zu seinem alten Verein ASV Cham pflegt Beller noch immer ein gutes Verhältnis.

Aufrufe: 08.8.2013, 11:26 Uhr
Eberhard ViehauserAutor