2024-05-02T16:12:49.858Z

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Im Jahr 2019 noch in der U19 der Offenbacher Kickers am Ball, mischt Jakob Lemmer (links) inzwischen im Regionalliga-Team des OFC kräftig mit. 	Foto: Martin Berschke
Im Jahr 2019 noch in der U19 der Offenbacher Kickers am Ball, mischt Jakob Lemmer (links) inzwischen im Regionalliga-Team des OFC kräftig mit. Foto: Martin Berschke

Beim OFC weiterentwickeln

RL SÜDWEST: +++ Der Usinger Jakob Lemmer ist als Berufsfußballer für die Offenbacher Kickers aktiv / Aufstieg in 3. Liga gehört zu den Zielen +++

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USINGEN/OFFENBACH. Ein Usinger Bub ist Berufsfußballer bei Kickers Offenbach: Jakob Lemmer heißt der junge Mann, der im Sommer 2019 seinen ersten Profivertrag beim Regionalligisten Kickers Offenbach unterschrieben und damit sein Hobby zum Beruf gemacht hat. Im Kader des OFC ist er der zweitjüngste Spieler mit großartiger Perspektive. Beim DFB-Pokalsieger von 1970 ist der 19-jährige Abiturient bisher schon zwölf Mal in Meisterschaftsspielen zum Einsatz gekommen und hat dabei zwei Tore erzielt.

Unklar ist noch, ob es mit Lemmer weiter nach oben gehen kann. Da äußert sich Ramon Berndroth, OFC-Co-Trainer und Chefscout mit „Diamantenauge“ für junge Talente, sehr vorsichtig: „Jakob ist ein junger Mann, sehr talentiert, der aber auch noch viel lernen muss. Er ist bereit dafür und hat für Tipps/Anregungen immer ein offenes Ohr. Zu seinem Beruf hat Jakob einfach eine gute Einstellung. Auch kommt er gerne zu Sonderschichten, um sich zu verbessern. Für eine Prognose ist es noch zu früh, die Zukunft wird zeigen, wo es hingehen soll.“

Die fußballerischen Wurzeln von Lemmer liegen allerdings in der Jugendabteilung der Usinger TSG, für die er in den Jahren 2005 bis 2007 in der F-Jugend zum Einsatz kam. Bereits im Alter von sechs beziehungsweise sieben Jahren war das außergewöhnliche Talent von Lemmer erkennbar. In seiner Altersklasse war er ohne Konkurrenz. Dietmar Schmidt-Winterstein, damals Mitbetreuer der Usinger F-Jugend und selbst langjähriger Verbandsligaspieler, erinnert sich: „Jakob mussten wir in der F-Jugend oft zur Halbzeit auswechseln, weil er den gegnerischen Spielern sonst die Lust am Spielen genommen hätte.“

Schnell wurden auch andere Fußballvereine aus dem Hochtaunuskreis auf das Talent aufmerksam. Er wechselte zu den Young Boys Oberursel und 2010 nach Königstein, wo ihm in beiden Klubs von DFB-A-Lizenzinhaber Thorsten Wittkamp, selbst auch Betreiber der Rhein-Main-Fußballschule, die elementaren Grundlagen des Fußballs professionell näher gebracht wurden. Noch heute stellt Wittkamp seinem Schüler beste Noten aus. „Jakob wurde von mir bis zum zwölften Lebensjahr gecoacht und mit den Grundlagen des Fußballs vertraut gemacht. Er ist ein fleißiger, hoch talentierter Spieler mit sehr angenehmen Charaktereigenschaften. Schon in ganz jungen Jahren hatte er auch schon eigene Vorstellungen, war dabei diszipliniert und immer lieb und nett. Fußballerisch wusste er immer wo das Tor steht. Darüber hinaus war er kämpferisch stets ein Vorbild mit großartigen Ideen im Offensivbereich. Man konnte sich immer auf ihn verlassen. Heute bin ich stolz auf den bisherigen Werdegang meines Schützlings und hoffe, dass er seinen Weg so weitergeht und seine Ziele erreicht.“

Folgerichtig machte Lemmer im Jahr 2012 den nächsten Schritt und wechselte in die Jugendabteilung von Eintracht Frankfurt. Bei den Adlerträgern spielte er vier Jahre in verschiedenen Jugendmannschaften, dann zog es ihn im Jahr 2016 zu den Kickers nach Offenbach, wo er für seine Entwicklung bessere Möglichkeiten sah. Mit der U17 des OFC spielte Jakob in der Junioren-Bundesliga, mit der U19 wurde er Hessenpokalsieger. Zum Abschluss seiner Jugendzeit war er Leistungsträger der U19 der Kickers, denen als Hessenmeister auch der Aufstieg in die Junioren-Bundesliga gelang.

Da stellt sich zwangsläufig die Frage: Wie ist Jakob denn in jungen Jahren immer zu den Trainingseinheiten nach Oberursel, Königstein, Frankfurt oder Offenbach gekommen? Die Familie war für den Jugendfußballer die große Stütze. Lemmer: „Ohne meine Eltern, die mich immer unterstützt und zu den Trainingseinheiten und Spielen gefahren haben, wäre diese Ausbildung nie möglich gewesen. Dafür bin ich ihnen heute sehr dankbar.“ Auch sein Vater, Dr. Dietmar Kramer, kann sich an diese Zeit heute noch gut erinnern: „Wir, meine Ehefrau und ich, haben viele Entbehrungen auf uns genommen. Das haben wir sehr gerne gemacht. Auch hatten wir dabei sehr schöne Erlebnisse und sind in ganz Europa herumgekommen.“

Jakob Lemmer hat aus seiner Jugendzeit viele schöne Eindrücke mitgenommen. Gerne denkt er an die erfolgreichen Jahre in Königstein zurück oder die Auslandsreisen mit den Jugendmannschaften der Eintracht nach Mexiko, Aserbaidschan, USA und Katar. Es gibt aber auch eine schlechte Erfahrung aus dieser Zeit. Wegen einer Verletzung konnte Jakob nicht an einem Sichtungslehrgang des DFB teilnehmen. Lemmer: „Das war wirklich ärgerlich, denn da hätte ich mich mal auf ganz großer Bühne zeigen können.“

In der Regionalliga stand Lemmer erstmals am 20. April 2019 für die Offenbacher Kickers bei der TSG Balingen auf dem Platz. Das Spiel endete 2:2 mit einer Torvorlage von Lemmer zum Endstand. Daniel Steuernagel (jetzt KFC Uerdingen), damals OFC-Cheftrainer, warf Jakob in diesem wichtigen Auswärtsspiel buchstäblich ins „ kalte Wasser“. Zum Debüt des Youngsters sagte er nachher in der Pressekonferenz: „Jakob zeichnete sich durch Gradlinigkeit und Geschwindigkeit aus, er belebte unser Spiel.“ Steuernagel musste im September 2019 wegen Erfolglosigkeit gehen, Steven Kessler, damals U19-Trainer des OFC, übernahm die Regionalligamannschaft und Lemmer wurde sofort Stammspieler. Auch er bescheinigte dem Nachwuchstalent viel Potenzial in Sachen Schnelligkeit, Zweikampfstärke, Technik und gutem Abschluss. Im Dezember 2019 musste Interimstrainer Kessler seinen Platz wieder räumen, Angelo Barletta heißt jetzt der neue OFC-Coach, der Lemmer gleich im zweiten Meisterschaftsspiel in die Startformation gegen die TSG Balingen beorderte. Jakob zahlte das Vertrauen zurück, nach gutem Spiel erzielte er den dritten Treffer zum 3:0 Sieg gegen die Gäste aus Baden-Württemberg. So kann es aus Sicht des Youngsters durchaus weitergehen.

Und wie sieht sein jetziger Alltag im ersten Profijahr beim Regionalligisten Kickers Offenbach aus? Um 10 Uhr ist in der Regel beim OFC Trainingsbeginn. Das Vormittagstraining endet um 12 Uhr. Es folgt eine Mittagspause mit gemeinsamem Essen. Das zweite Training beginnt um 14.30 Uhr und endet gegen 16.30 Uhr. Gegen 18 Uhr trifft Lemmer zu Hause ein. Dann ist für ihn Ausruhen und Regenerieren angesagt. Schwimmen steht bei ihm manchmal noch auf dem Programm, auch der Besuch im Fitnessstudio mit eigenem Coach für Kraft- sowie Individualtraining ist vorgesehen. Da bleibt für ein Privatleben nur wenig Zeit, da auch die Spiele am Wochenende mit anschließender aktiver Erholung viel Platz einnehmen.

Gerne spricht er auch über seine ersten Eindrücke im Profifußball. Lemmer: „Ich konnte erstmals nachvollziehen, wie der Alltag eines Bundesligafußballers tatsächlich aussieht. Wie es ist, dass Leute von dir Autogramme und Bilder haben wollen, dich in der Stadt erkennen. Es gibt Pressetermine und Konferenzen oder Interviews nach den Spielen, man ist einfach mehr in der Öffentlichkeit. Die Trainingseinheiten sind intensiver und schneller. Auch habe ich erkannt und gelernt, dass es die Kleinigkeiten sind, die den Unterschied ausmachen, sei es die Regeneration nach dem Spiel/Training oder wie viele Extraeinheiten man bereit ist zu machen. Das liegt daran, dass in diesem Leistungsbereich alle Spieler Talent haben, fußballerisch gut ausgebildet sind und es jetzt auch darum geht, wer am meisten arbeitet.“ Für Jakob Lemmer ist es ein sehr schönes Gefühl, in solch einer Liga beziehungsweise Mannschaft zu spielen. Genau das hatte er nach seinem Abitur im Sinn. Bei allen Trainingseinheiten achtet er auf seine Mitspieler, die mehr Erfahrung haben und schon teilweise in der ersten Liga gespielt haben, darauf, wie diese trainieren. Er kann sich dann selbst noch mehr motivieren, um vielleicht noch größere Ziele anstreben zu können.

Natürlich hat sich auch seine Lebensweise verändert, die er jetzt seinen beruflichen Zielen anpasst. Lemmer: „Ich achte jetzt generell sehr auf meine Ernährung, trinke keinen Alkohol und versuche, immer ausreichend zu schlafen, denn Regeneration ist sehr wichtig bei diesen hohen Belastungen.“

Ziele hat der junge Mann natürlich auch. Mit den Offenbacher Kickers will er schnell in die dritte Liga aufsteigen und die Bundesliga ist für ihn persönlich natürlich auch ein großer Anreiz. Sollte es mit der höchsten deutschen Spielklasse nichts werden, will er Sport studieren, aber so genau weiß er es noch nicht. Jetzt ist Jakob Lemmer nur auf Fußball fokussiert und will sich auch neben dem Fußball weiterentwickeln. Sein sportliches Vorbild ist Lionel Messi vom FC Barcelona. Er selbst sieht seine fußballerischen Stärken in seiner Schnelligkeit und im Dribbling. Auch zu seinen Schwächen steht er. Lemmer: „Ich zerbreche mir zu schnell den Kopf über Fehler und mache mir dabei zu viele Gedanken. Bei aller Selbstkritik, da muss ich trotzdem lockerer werden.“

Lemmer ist ein wohlerzogener, junger und talentierter Nachwuchskicker mit Werten, eigenen Vorstellungen und Zielen, der Fußball nicht nur mit den Füßen spielt. Egal, wo die Reise im Profifußball hinführt, immer sollte sich das junge Talent auch weiter an dem spanischen Leitgedanken „modestia y humildad“ (Bescheidenheit und Demut) orientieren, der am Eingangstor von „La Masia“, der Fußball-Jugendakademie des FC Barcelona, zu lesen ist. Foto: Stalter



Aufrufe: 011.3.2020, 08:00 Uhr
Wolfgang StalterAutor