2024-05-02T16:12:49.858Z

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Der BC Aichach hat sich Unterstützung aus Südamerika geholt. Für den Kreisligisten am Ball sind: (von links) Ezequiell Eustórigio, Matheus Ferreira, Michael Deiga, Fabiano Venerando und Ramário Miguel de Oliveira. Mindestens bis zur Winterpause sollen sie für Aichach spielen.  Foto: Johannes Graf
Der BC Aichach hat sich Unterstützung aus Südamerika geholt. Für den Kreisligisten am Ball sind: (von links) Ezequiell Eustórigio, Matheus Ferreira, Michael Deiga, Fabiano Venerando und Ramário Miguel de Oliveira. Mindestens bis zur Winterpause sollen sie für Aichach spielen. Foto: Johannes Graf

Brasilianer sollen BC Aichach helfen

Beim Traditionsverein geht es in der Kreisliga aufwärts, seitdem Trainer Hrnjacki talentierte Südamerikaner spielen lässt +++ Langfristig sollen sie woanders spielen

Wer Sascha Hrnjacki bei seinen Ausführungen zuhört, glaubt nicht, sich mit einem Kreisliga-Trainer zu unterhalten. Der Münchner denkt grundsätzlich groß, wenn er über Fußball spricht. Erst recht, wenn es um seine Zukunft und seine Arbeit geht. Hrnjacki sagt Sätze wie: „Fußball ist immer gleich, wird immer mit einem Ball gespielt.“

Hrnjacki betreut seit Beginn dieser Spielzeit die gebeutelten Kicker des BC Aichach. Während andere Trainer schlagartig ablehnten, stürzte sich Hrnjacki bereitwillig ins Abenteuer. „Anfangs war es sehr schwer. Das war ein Himmelfahrtskommando“, gesteht er rückblickend. Aber, betont Hrnjacki, solche Herausforderungen suche er.

Diese sind zweifelsohne gegeben. Nach der Ära Weingartner musste der BC Aichach seinen Verein praktisch neu erfinden. Die Bayernliga-Mannschaft zerstreute sich ohne ihren Mäzen in alle Richtungen, das Vereinsleben war seit langem zum Erliegen gekommen. Obendrein drückten den Klub Schulden und laufende Kosten von insgesamt 100 000 Euro. Geld, um eine schlagkräftige Mannschaft aufzubauen, war nicht vorhanden. Die neue Führung um den Vorsitzenden Johannes Neumann musste ein anderes Modell wählen. Das Schicksal der Mannschaft legten sie Hrnjacki in die Hand, der in kürzester Zeit einen komplett neuen Kader aufbauen musste.

Hrnjacki, geboren in Montenegro, graues, gegeltes Haar, schwarze Sweatshirt-Jacke, Kumpeltyp, geht auf in seiner neuen Rolle. Beliebig darf er schalten und walten, gemeinsam trainiert er die erste Mannschaft und die A-Jugend. Weil sein Wirken bei anderen Vereinen wie dem FC Gräfelfing weniger gut ankam, wird er in Fußballkreisen kritisch beäugt. Der BCA hingegen war froh, überhaupt einen Trainer zu finden – der obendrein Spieler mitbrachte und wenig Geld verlangt. Der Vorsitzende Neumann erklärt: „Wir können uns momentan keine Vertragsamateure leisten und keine Siegprämien ausschütten.“ Jahrelang war der BCA finanziell von Geldgeber Weingartner abhängig, nun ist er es sportlich von Sascha Hrnjacki.

Nachdem der Spielbetrieb ernsthaft in Gefahr war, hat der 44-Jährige einen Kader mit unbekannten Namen zusammengestellt. Aus dem Münchener Raum karrt er sie mit einem Kleinbus des BCA zu Training und Spielen. Geholfen hat ihm dabei sein ausgedehntes Netzwerk. Seit er für die Talentförderung des Deutschen Fußball-Bundes tätig gewesen sei, genieße er in der Branche riesiges Vertrauen, sagt Hrnjacki. Er selbst würde sich nicht als Spielerberater bezeichnen, er umschreibt seine Rolle: „Ich möchte junge Spieler in einer Talentschmiede weiterbringen.“

Über seinen Ex-Spieler Michael Deiga, künftig auch für den BCA am Ball, lernte Hrnjacki das Projekt „Passe Certo“ kennen. Dessen Leiter Nilton da Conceicao, brasilianischer Ex-Profi, und die Verantwortlichen betonen den sozialen Charakter; letzten Endes soll das Projekt südamerikanischen Talenten den Weg zum Profi ebnen. Im Ausland sollen einige von ihnen dafür Erfahrung sammeln und bestenfalls in einer Profiliga unterkommen.

Vor und nach der Fußball-WM reiste Hrnjacki deshalb nach Rio, entschied sich dort für vier Kandidaten, die seit Sonntag im Trikot des BC Aichach auflaufen. Untergebracht sind sie bei brasilianischen Familien in München, bezahlt wird ihr Aufenthalt von den Eltern und dem Projekt. Den BCA koste das keinen Cent, bekräftigt Vereinschef Neumann und fügt hinzu: „Wir können keinen Beitrag leisten.“

Dass Ezequiell Eustórigio, Matheus Ferreira, Fabiano Venerando und Ramário Miguel de Oliveira Qualität besitzen, demonstrierten sie sogleich beim jüngsten 4:1 in Petersdorf. Für den BCA der erste Saisonsieg. Trainer Hrnacki munkelt, Vereine, die schon gegen den BCA gespielt hätten, dürften jetzt froh sein. Der Vorsitzende Johannes Neumann macht sich indes keine Illusionen: „Für uns ist das ein Glücksfall. Aber ich sehe das realistisch: Sie werden nicht ewig bei uns bleiben.“

Sascha Hrnjacki verheimlicht nicht, mit seinen Samba-Kickern Größeres vorzuhaben. Wie beschrieben, er denkt groß und sagt: „Ich habe einen Plan B in der Tasche.“ Langfristig sieht dieser vor, Schützlinge in Profiligen unterzubringen. Seine Brasilianer trainieren bereits bei höherklassigen Teams mit. Um in die großen Ligen in England, Italien oder Deutschland zu gelangen, müssten sie eventuell den Umweg über Osteuropa gehen, meint Hrnjacki. Auch dorthin hat er Kontakte, wie er sagt.

Bis zur Winterpause würden die Brasilianer aber auf alle Fälle dem BCA treu bleiben, verspricht Hrnjacki. Über Weihnachten fliegen sie nach Hause, zur Vorbereitung auf die Frühjahrsrunde sollen sie wieder da sein. Vorausgesetzt, Hrnjacki will es so.

Aufrufe: 01.10.2014, 20:03 Uhr
Aichacher Nachrichten / Johannes GrafAutor