2024-03-18T14:48:53.228Z

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In den 90er-Jahren wurden im niederbayerischen Amateurfußball sehr hohe Aufwandsentschädigungen bezahlt
In den 90er-Jahren wurden im niederbayerischen Amateurfußball sehr hohe Aufwandsentschädigungen bezahlt – Foto: imago images / Becker&Bredel

15.000 D-Mark und mehr: Der Bezahl-Wahnsinn in den 90er-Jahren

Ein früherer Top-Spieler der Region packt aus, was vor der Jahrtausendwende in Niederbayern für Aufwandsentschädigungen bezahlt wurden +++ Einige höherklassige Vereine wurden total gegen die Wand gefahren

Waren das noch Zeiten: In den 90er Jahren spielten Vereine wie die SpVgg Landshut, die SpVgg Plattling und der 1. FC Passau in der Bayernliga, die bis zur Einführung der Regionalliga im Jahr 1994 sogar noch die höchste Amateur-Spielklasse war. Der Aufenthalt in den Spitzenklassen kostete allerdings den meisten Klubs eine Menge Geld. Wir haben uns mit einem ehemaligen Top-Spieler der Region, dessen Namen wir nicht öffentlich machen, über die damalige Zeit und vor allem über die Summen, die seinerzeit im Spiel waren, unterhalten.
Früher war alles besser im Amateurfußball - diese Behauptung hört man immer wieder. War auch die Bezahlung besser?
In den 90er Jahren ist in den gehobenen Ligen wie der Landes- und Bayernliga richtig gut bezahlt worden. Allerdings musste man sich zu dieser Zeit erst nach oben kämpfen. Ein Spieler, der aus der Kreis- oder Bezirksliga geholt wurde, hat nicht annähernd das bekommen, was ein etablierter Stammspieler verdient hat. Den Stammspieler-Status und die daraus resultierende Bezahlung musste man sich schon durch Leistung erarbeiten. Außerdem muss schon angeführt werden, dass die Bayernliga lange Zeit die 3. Liga war und die Landesliga die zweithöchste Amateurklasse. Ich glaube, dass man getrost behaupten kann, dass die frühere Landesliga ungefähr mit der heutigen Bayernliga zu vergleichen ist. Und die alte Bayernliga wäre wohl mindestens eine Art Regionalliga gewesen.

Von welchen Summen sprechen wir bei richtig guter Bezahlung?
Das war von Verein zu Verein verschieden. Bei manchen Klubs gab es relativ hohe Fixgehälter, bei anderen sehr hohe Prämien. Grob überschlagen hat man bei den niederbayerischen Top-Vereinen als Leistungsträger in einer Saison schon um die 15.000 D-Mark verdienen können. Bei manchen Klubs gab es sogar zusätzlich noch eine Tankkarte, auch Wechsel-Handgelder waren keine Seltenheit. Für die Spitzenspieler war das schon eine Art kleines finanzielles Paradies, weil es eine Reihe von ambitionierten Vereinen gab. Daher war der Konkurrenzkampf unter diesen groß und die Angebote dementsprechend lukrativ. Wenn man mehrere Anfragen hatte, gab der finanzielle Aspekt oft den Ausschlag. Natürlich war es in dieser Zeit so, dass ein Torjäger mehr verdient hat wie ein guter Verteidiger. Das wird aber auch heutzutage noch so sein.

Wie kann man diese Summen im Vergleich zur heutigen Zeit einordnen?
Ich denke, dass man die damaligen Tarife fast Eins-zu-Eins mit den heutigen Euro-Preisen gleichsetzen kann. Wenn ich betrachte, was das Leben vor 25 Jahren gekostet hat und was es jetzt kostet, ist das kein unrealistischer Vergleich.

»Die Summen, die in dieser Zeit gezahlt wurden, standen in keinem gesunden Verhältnis.«



Waren die damaligen Tarife überzogen?
Auf alle Fälle, denn Niederbayern hat noch nie die Wirtschaftskraft gehabt, die es beispielweise in Ballungszentren gibt und deshalb gab es nur vereinzelt größere Sponsoren, deren Engagement aber meist nicht über einen längeren Zeitraum ging. Zudem ging bereits in den 90er-Jahren das Zuschauerinteresse etwas nach unten. Das war ein weiterer Faktor, der allen Klubs finanziell weh getan hat. Die damaligen Bayernligisten Plattling und Passau standen kurz vor dem finanziellen Kollaps, Landesligisten wie Landau und Landshut-Berg hat es irgendwann total zerlegt. Man könnte noch eine Reihe weiterer Beispiele von Vereinen aufzählen, die durch die hohen Kaderkosten in finanzielle Probleme gerieten. Schwarze Zahlen hat zu dieser Zeit wohl kein höherklassiger Verein geschrieben. Die Summen, die in dieser Zeit gezahlt wurden, standen in keinem gesunden Verhältnis. Wobei ich schon sagen muss, dass viele Spieler einen enormen Aufwand betreiben mussten. Ich hatte Stationen, bei denen ich deutlich mehr Stunden im Auto oder im Bus verbrachte, als ich auf dem Platz stand.

Gab es auch Vereine, die finanziell ganz verrückte Dinge machten?
Ja, solche gab es natürlich auch. Ich habe eine Saison bei einem Landesligisten gespielt, der wirklich extrem weit von meinem Wohnort entfernt war. Für die Summe, die mir dort geboten wurde, konnte ich die Anfrage nicht ablehnen. Bereits für die Unterschrift bekam ich ein Handgeld im hohen vierstelligen Bereich, zudem wurde einem Teamkameraden und mir für die Trainings- und Spielfahrten ein Auto zur Verfügung gestellt.

Und stellte sich für den Klub der gewünschte sportliche Erfolg ein?
Nein, im Gegenteil. Wir wären fast abgestiegen. Es wurde wild und ohne großen Plan eine sehr teure Mannschaft zusammengekauft, die fußballerisch nicht harmonierte und dementsprechend nicht richtig funktionierte. Im Frühjahr wurde uns mitgeteilt, dass wir deutliche finanzielle Abstriche machen müssen, weil der Verein ansonsten absäuft. Alle Spieler haben dem Klub trotzdem die Treue gehalten und am Ende ist es zumindest sportlich mit dem Klassenerhalt noch einigermaßen gut ausgegangen. Geld hin oder her: Die meisten Spieler meiner Generation war schon so eingestellt, dass immer alles für den sportlichen Erfolg gegeben wurde. Wenn ich auf dem Spielfeld stand, habe ich keine Sekunde darüber nachgedacht, wie viel Geld am Monatsende im Kuvert oder auf dem Konto sein wird, sondern wollte gewinnen.

»Es gab Vereins-Verantwortliche, die sich persönlich profilieren wollten.«



Hat der damalige Bezahl-Wahnsinn auch damit zu tun, dass mit Schalding und Hankofen nur mehr zwei niederbayerische Vereine in den beiden oberen Amateurligen vertreten sind?
Der Hauptgrund dafür ist wohl in erster Linie der fehlende Nachwuchs. Die Zahl der jungen Fußballer ist seit Jahren stark rückläufig. In Niederbayern fehlt uns deshalb mittlerweile sowohl die Qualität wie auch die Quantität. Aber es gibt bestimmt ein paar namhafte Vereine, die aufgrund ihrer Altlasten nicht mehr richtig auf die Beine gekommen sind. Wenn man mal unten ist, ist es schwer, wieder nach oben zu kommen. Schalding und Hankofen zeigen seit etlichen Jahren, was auch ohne das ganz große Geld möglich ist. Ganz wichtig im Fußball ist, dass kompetente und besonnene Leute am Werk sind. Wenn ich so manchen Funktionär in den 90er-Jahren erlebt habe, war genau das Gegenteil der Fall. Es gab Vereins-Verantwortliche, die sich persönlich profilieren wollten. Mit großen Transfers sollten sportliche Erfolge geschafft werden, was aber nicht immer klappte. Die Leidtragenden waren dann oft die Vereine, die nach ein paar Jahren finanzieller Misswirtschaft nicht selten vor einem Scherbenhaufen standen.

Wie denkst du, dass die heutige "Bezahlkultur" aussieht?
Ich glaube, dass die Summen, die zu meiner aktiven Zeit im Umlauf waren - zumindest in Niederbayern - bei weitem nicht mehr gezahlt werden. Ich muss aber schon anführen, dass in dieser Epoche auch nur die richtig guten Spieler stattlich entschädigt wurden. Und wie bereits erwähnt, musste man sich seinen Status damals hart erarbeiten. Bis ich Mitte 20 war, habe ich mir mit dem Fußball nicht viel verdient. Früher wurde in den unteren Klassen fast gar nichts bezahlt. Heutzutage ist es so, dass mittelmäßige Kreisliga-Kicker als Co-Spielertrainer von A-Klassisten angeworben werden und dann dafür ohne großen Aufwand monatlich 300, 400 Euro bekommen. Das ist eine genau so bedenkliche Entwicklung, wie es damals die zu hohe Bezahlung für die sehr guten Fußballer war. Aber viele kleine Vereine wollen dadurch den Spielbetrieb am Leben halten.

Aufrufe: 025.11.2020, 08:15 Uhr
Thomas SeidlAutor